Pro Bahn sieht große Defizite Umstieg vom Auto auf die Schiene für Al-Wazir unverzichtbar
Für Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) ist den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs alternativlos. Kritik kommt hingegen vom Fahrgastverband Pro Bahn. Investition in die Schiene seien "katastrophal bis desaströs".
Nur mit einem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sind laut Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) die Klimaziele erreichbar. "Je mehr Menschen umsteigen, desto besser für das Klima, die Luft, die Umwelt – und desto weniger Staus", sagte der Minister am Montag anlässlich der Zwischenbilanz des "Intensivprogramms Schiene" in Frankfurt.
"Es sind wirklich keine einfachen Zeiten", sagte Al-Wazir. Corona habe die Fahrgastzahlen einbrechen lassen, der Krieg in der Ukraine lasse die Energiepreise steigen. Dennoch führe am Ausbau der Schiene kein Weg vorbei. "Wir müssen unabhängiger werden von fossilen Energieträgern und dazu gehört auch, die Verkehrswende weiter voranzutreiben."
Das "Intensivprogramm Schiene" läuft seit 2019. Ziel ist es, den öffentlichen Personennahverkehr zukunftsfähig machen. Beteiligt sind das Land Hessen, der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und die Deutsche Bahn (DB). Das Programm betrifft die Infrastruktur, die Züge und die Bahnhöfe. Das Programm habe "unter erschwerten Bedingungen" viel bewegt, sagte Al-Wazir: "Alle Projekte, die wir uns vor drei Jahren vorgenommen haben, wurden oder werden umgesetzt."
Pro Bahn: Investitionsprogramm in Bahnprojekte seien eine Werbeveranstaltung
Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht hingegen große Defizite bei den Bahnprojekten in Hessen. Das "Intensivprogramm Schiene" sei eine "Werbeveranstaltung". Die drei Partner stellten "die Fakten völlig verklärend dar", sagten Pro-Bahn-Vertreter.
Al-Wazir und RMV-Chef Kurt Ringat ließen sich "seit Jahren mit alten Projekten und abgegriffenen Floskeln in der Öffentlichkeit feiern", kritisierte Pro-Bahn-Landesvorstandsmitglied Bernd Rohrmann. In Wahrheit sei die Situation bei der Investition in die Schiene "vielmehr katastrophal bis desaströs", sagte Pro-Bahn-Landesvorstandsmitglied Klaus Zecher.
Pro Bahn: "Prozentzahl barrierefreier Bahnhöfe manipuliert"
Der Ausbau geplanter Strecken werde teils Jahre später fertig als angekündigt, etwa die S-Bahn zwischen Frankfurt und Bad Vilbel oder die Achse zwischen Stadion und Hauptbahnhof. Die Reaktivierung stillgelegter Strecken werde verschleppt – laut Pro Bahn warten 20 bis 30 reaktivierungsfähige Bahntrassen auf ein Planungsverfahren, Reaktivierungsideen würden "zerredet" oder "niedergerungen".
Barrierefreiheit stehe oft nur auf dem Papier. Hessen liege in diesem Punkt auf Platz 14 aller 16 Bundesländer. "Um die Prozentzahl barrierefreier Bahnhöfe zu manipulieren und den Menschen vorsätzlich ein falsches Bild zu verkaufen", würden selbst Höhenunterschiede von 21 Zentimetern zwischen Fahrzeug und Bahnsteigkante als barrierefrei bezeichnet, so Pro Bahn. Das sei eine "Sünde".
- Nachrichtenagentur dpa