Todestag von Adel B. Streit um Gewalt bei der Essener Polizei verschärft sich
Vor fast einem Jahr ist der Deutsch-Algerier Adel B. in Essen durch einen Schuss eines Polizisten getötet worden. Aktuell diskutieren Stadt, die Gewerkschaft Verdi und Linke über Polizeigewalt in Essen.
Die Debatte um Gewalt und Rassismus bei der Polizei in Essen spitzt sich zu. Anlass sind zum einen die Proteste und Diskussionen nach dem Mord an dem Afroamerikaner George Floyd in den USA. Zum anderen jährt sich zum ersten Mal der Todestag von Adel B., der am 18. Juni 2019 in Essen-Altendorf durch einen Schuss eines Polizisten ums Leben kam. Am Samstag ist eine Demonstration auf dem Ehrenzeller Platz in Altendorf angemeldet, laut "WAZ" werden 200 Teilnehmer erwartet. Das Motto der Veranstaltung lautet: "Adel B. war kein Einzelfall. Demo gegen rassistische Polizeigewalt".
Wie berichtet, hatte der damals 32-jährige im Juni 2019 mit einem angekündigten Suizid einen Polizeieinsatz ausgelöst. Er habe weiterhin nach Aussagen der Beamten mit dem Messer durch den Spalt der geöffneten Haustür gestochen und eine davor gebückt stehende Polizistin nur knapp verfehlt. Daraufhin habe ein 27-jähriger Polizist geschossen. Der 32-jährige Deutsch-Algerier starb nach dem Schuss in die Brust. Gegen den Polizisten wurde ermittelt. Im September stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen Notwehr ein.
Bei einer "Black Lives Matter"-Demo am Wochenende vor dem Uni-Klinikum nannte eine Verdi-Vertrauensleutesprecherin des Klinikums den Fall Adel B. als ein Beispiel für Polizeigewalt in Deutschland. Es reiche nicht aus, die Situation in den USA zu kritisieren. Es sei auch notwendig, sich mit rassistischen Tendenzen in der deutschen Polizei auseinanderzusetzen. Das kritisierten unter anderem Vertreter der Polizei und die Stadt Essen.
"Im Zusammenhang mit dem Tod von Adel B. von einem rassistischen Mord zu sprechen ist völlig inakzeptabel und eine bewusste Diffamierung unserer Polizei", sagte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen. "Die Einsatzkräfte der Polizei setzen tagtäglich Leib und Seele für alle Essenerinnen und Essener ein – egal welche Herkunft sie haben, welcher Religion oder Kultur sie angehören. Als Oberbürgermeister stelle ich mich vor unsere Ordnungskräfte", so Kufen.
Verdi versuchte daraufhin, zu beschwichtigen. "Wir sind aber, ebenso wie unsere Vertrauensleute am Klinikum, weit davon entfernt, unsere Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei unter Verdacht zu stellen."
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Derweil kritisiert das Antirassismus-Telefon Essen Kufens Aussagen und wandte sich mit einem offenen Brief an den Oberbürgermeister. "Während wissenschaftliche Expert*innen zum Beispiel der Universität Duisburg Essen mit empirischer Forschung belegen, dass es sehr wohl Rassismus bei der Polizei gibt, auch in Essen, nimmt die Essener Stadtspitze die gesamte Essener Polizei pauschal in Schutz", heißt es darin. Die Initiatoren nennen dabei ein Beispiel aus den vergangenen Wochen, das bundesweit Aufsehen erregte.
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Im März soll eine 50-jährige Nigerianerin, die einen Diebstahl melden wollte, und deren Tochter von Beamten einer Essener Polizeiwache verhöhnt und geschlagen worden sein. Auch t-online hatte berichtete. Aus Neutralitätsgründen übernahmen Bochumer Polizisten die Ermittlungen. Laut "WAZ" sind diese nicht abgeschlossen.
Im April kam es bei einem anderen Polizeieinsatz zwischen Beamten und einer Familie zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Polizisten sollen Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt haben. Der 23-jährige Sohn der Familie machte den Fall öffentlich, auch hier laufen noch die Ermittlungen der Bochumer Polizei.
- Stadt Essen: Pressemitteilung vom 10. Juni
- Verdi: Pressemitteilung vom 11. Juni
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- "WAZ": "Die Debatte um Polizeigewalt in Essen spitzt sich weiter zu"
- Offener Brief des Antirassismus-Telefons in Essen
- Facebook-Seite "Gerechtigkeit für Adel"