Erfurt Nach Tweets zu Corona und Schule: Julia Heesen muss gehen
Nach umstrittenen Tweets zur Corona-Strategie für Thüringer Schulen verliert die Juristin Julia Heesen ihren Posten als Bildungsstaatssekretärin. Er habe die Entscheidung getroffen, Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) zu bitten, Heesen zu entlassen, erklärte Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) am Mittwoch in Erfurt. Hintergrund sind Posts bei Twitter, die am Wochenende vom Account des Bildungsministeriums veröffentlicht und anschließend breit und scharf kritisiert wurden. Das Ministerium hatte die aus seiner Sicht zehn wichtigsten Gründe gepostet, warum "wir die Schulen mit hoher Priorität offenhalten und die Ferien nicht verschieben".
Die Argumente hatten eine Art "Shitstorm" vor allem bei Twitter ausgelöst. Viele Nutzer reagierten empört oder mit Unverständnis, teils wurde dem Ministerium vorgeworfen, Unwahrheiten zu verbreiten.
Holter erklärte, ihm sei wichtig, "dass öffentliche Kommunikation von Seiten meines Ministeriums in Botschaft und Stil mit der erforderlichen inhaltlichen Klarheit und auch notwendigen Zurückhaltung geführt wird". Dies sei bei der Kommunikation am Wochenende nicht im gewünschten Maße der Fall gewesen. "Die betreffenden Tweets wurden durch Staatssekretärin Dr. Heesen verantwortet", so Holter.
Embed
Auf besondere Kritik an den Tweets stieß, dass das Ministerium die möglichen langfristig wirkenden Effekte einer Covid-19-Erkrankung auf Schüler relativierte. "Ob Kinder Long-Covid entwickeln, ist nicht geklärt", schrieb das Ministerium auf Twitter. Später hatte sich das Ministerium für diesen Tweet entschuldigt und ihn gelöscht, "weil er nicht korrekte Aussagen zu Long-Covid enthielt", wie es in einem späteren Tweet des Ministeriums heißt. Zudem konnte ein Tweet so ausgelegt werden, dass Kinder zu Hause Gewalt erfahren würden, weshalb sie - so die Argumentation - in der Schule sicherer seien.
Nach dpa-Informationen soll Heesen die umstrittenen Tweets zur Relativierung von Long-Covid bei Kindern und zu Gewalt gegen Kinder in Familien selbst verfasst und versendet haben.
Zuletzt hatte auch der SPD-Bildungspolitiker Thomas Hartung, der selbst Mediziner ist, die Tweets scharf kritisiert. Aus seiner Sicht seien sie ein Ausweis dafür, dass man im Bildungsministerium aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu Covid-19 nicht ernst nehme.
Der Opposition im Thüringer Landtag reicht der Rauswurf Heesens allerdings nicht. "Am besten wird im Ministerium komplett aufgeräumt", twitterte der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt. Das Ministerium habe in der Pandemiebekämpfung völlig versagt. Schüler, Eltern und Lehrer müssten dies ausbaden. Der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner sagte, Heesen sei nur ein Bauernopfer. "Verantwortlich für das Thüringer Schul-Chaos sind der Ministerpräsident und sein Minister."
Heesen soll in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Um diesen Schritt auch formal zu vollziehen, ist die Zustimmung der Landesregierung nötig.
Seit Monaten gibt es nicht nur aus den Reihen der Opposition, sondern auch aus den Reihen von Rot-Rot-Grün Kritik daran, wie das Bildungsministerium Thüringens Schulen durch die Corona-Pandemie navigiert. So hatte es eine heftige, wochenlange Debatte um die eher zurückhaltende Teststrategie an den Schulen gegeben. Hierbei hatte sogar die Linke-Fraktion teils einen anderen Standpunkt vertreten als das von dem Linke-Politiker geführten Ministerium.
Aus Kabinettskreisen hieß es am Mittwoch, auch während der Kabinettssitzung am Dienstag habe es aus den Kommunen scharfe Kritik an Heesen gegeben. Deren Vertreter hätten sich vor allem über den Ton beschwert, den Heesen zuletzt im Umgang mit ihnen angeschlagen habe. Den Angaben nach sollen sowohl Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) als auch Holter sich daraufhin für Heesen entschuldigt und angekündigt haben, das Gespräch mit ihr zu suchen.