Erfurt Konflikt um Bosch-Werk: IG Metall spricht von Testfall
Im Konflikt um den Bosch-Standort in Arnstadt fordert Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee Vertragstreue des Unternehmens. Der Tarifvertrag, der die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bis Ende 2022 vorsehe, müsse eingehalten werden, "selbst wenn sich die Lage des Unternehmens verändert", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Er habe Verständnis für den Widerstand der Beschäftigten und der IG Metall gegen Überlegungen, die etwa 100 Mitarbeiter an dem Standort ab Dezember in die bezahlte Freistellung zu schicken.
Nach Angaben von Bosch gibt es für die Beschäftigten keine Arbeit mehr. Die Betroffenen würden bis Ende 2022 ihr volles Gehalt erhalten. Sie hätten so keine finanziellen Einbußen, sagte eine Bosch-Sprecherin. Ende 2022 liefen die Verträge aus. "Wir handeln dabei im Einklang mit den rechtlichen Erfordernissen."
Die IG Metall spricht von einem Testfall, wie sie und die Belegschaft auf eine solche Werksschließung reagierten. Der Bosch-Konzern wolle in Thüringen testen, wie sich Arbeitnehmervertreter verhielten, wenn Rechte von Beschäftigten massiv verletzt würden, sagte IG-Metall-Vertreterin Kirsten Breuer. Bosch wies das zurück.
Der Gesamtbetriebsrat und die IG Metall hatten an diesem Freitag zu einem Aktionstag an den Standorten in München, Bühl bei Stuttgart und Arnstadt aufgerufen. Nach Angaben der IG Metall waren dabei alleine in Arnstadt etwa 300 Bosch-Mitarbeiter auf die Straße gegangen. Sie kamen aus Arnstadt, Eisenach und Hildesheim.
In dem Werk in Arnstadt werden Regler für die Lichtmaschinen von Verbrennungsmotoren hergestellt. Die Produktion dieser Teile war 2014 nach Thüringen gekommen - nach dem Aus der Solarsparte von Bosch an diesem Standort. Weil immer mehr Autohersteller auf die Fertigung von Elektroautos umsteigen, ist die Nachfrage nach den Reglern nach Unternehmensangaben deutlich gesunken.
Nach Angaben von Bosch gibt es inzwischen für das Werk in Arnstadt keine Aufträge mehr. Bosch möchte laut Sprecherin in Gesprächen mit dem Betriebsrat zu einer tragfähigen und fairen Gesamtlösung im Sinne der Beschäftigten kommen. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren geprüft, ob die Herstellung neuer Produkte in dem Werk angesiedelt werden könne. "Leider ist das nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise möglich."
Gewerkschaftsfunktionärin Breuer sagte, es sei nicht hinnehmbar, dass die Beschäftigten in etwa zwei Wochen nach Hause geschickt werden sollen - auch wenn sie weiter ihr Geld erhielten. Wenn Arbeitnehmer etwa ein Jahr lang ohne Arbeit zu Hause gesessen hätten, sei es für sie schwierig, wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. Die Verträge für den Standort Arnstadt bedeuteten auch, dass Bosch verpflichtet sei, seine dort Beschäftigten mit Arbeit zu versorgen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte, es wundere ihn, dass der "Weltkonzern Bosch" es nicht schaffe, die etwa 100 Arbeitsplätze in Arnstadt zu halten. Dass Bosch Mitte der 10er Jahre an diesem Standort aus dem Solargeschäft ausgestiegen sei, habe die Region bereits um etwa 2000 Arbeitsplätze gebracht. Das Unternehmen dürfe die Beschäftigten in Arnstadt zu Weihnachten nicht mit dem Gefühl zu Hause sitzen lassen, dass ihr Arbeitsplatz nicht mehr gebraucht werde, sagte der Linken-Politiker.
Bosch-Arbeitsdirektorin Filiz Albrecht dagegen erklärte, das Unternehmen stehe zu getroffenen Vereinbarungen und sei sich seiner unternehmerischen Verantwortung sehr bewusst. Man prüfe alle erforderlichen Maßnahmen, um sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten auszuloten.