Erfurt Expertin: Kinderschutzbeitrag wird unzureichend finanziert
Der Beitrag von Kliniken bei der Aufklärung von Kindesmisshandlungen wird nach Einschätzung von Kinderschutz-Fachleuten von den Krankenkassen nicht angemessen finanziert. "Das ist eine Katastrophe", sagte die Leiterin der Thüringer Fachstelle für den medizinischen Kinderschutz, Franziska Müller, am Rande eines bundesweiten Treffens von Kinderschutzgruppen am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Die Gruppen, in denen Ärzte verschiedener Fachgebiete und Pflegekräfte arbeiten, übernehmen die Diagnostik etwa bei vermuteten Verletzungen von Kindern und Jugendlichen als Folge von Misshandlungen oder stellen Anzeichen von Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch fest.
Der dabei entstandene Aufwand werde etwa nicht vergütet, wenn nicht mindestens drei medizinische Fachgruppen sowie Pflegepersonal an der Abklärung beteiligt seien, erläuterte Müller. "Für kleine Häuser ist das ein Problem."
In Thüringen sind aktuell an 19 Krankenhäusern Kinderschutzgruppen im Einsatz, dazu gehören auch drei größere Ambulanzen in Jena, Erfurt und Eisenach. In der Regel sind die Einrichtungen an Kinderkliniken, Kinderpsychiatrien oder Kinderchirurgien angedockt. Mit Jahresbeginn 2022 soll eine weitere Gruppe am Krankenhaus Gotha die Arbeit aufnehmen. Keine Gruppen gibt es Müller zufolge an den Krankenhäusern im Kyffhäuserkreis, dem Kreis Sonneberg und dem Saale-Orla-Kreis.
Im ersten Jahr der Pandemie sind die Anlaufstellen an den Thüringer Krankenhäusern 271 Hinweisen auf eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls nachgegangen. In 144 Fällen hätten sich diese nach medizinischer Diagnostik bestätigt, sagte Müller. Von einer gewissen Dunkelziffer sei dabei auszugehen. "In den Pandemiewellen 2020 waren Schulen und Kindergärten monatelang geschlossen - von ihnen kommen normalerweise die meisten Hinweise an die Jugendämter."
Ein direkter Vergleich von Kinderschutzfällen in Thüringer Kliniken zu den Jahren vor der Pandemie ist Müller zufolge allerdings nicht möglich, da eine landesweite systematische Statistik für diese Anlaufstellen erstmals 2020 erhoben worden sei.
Nach Zahlen des Landesamtes für Statistik vom Juni haben die Jugendämter in Thüringen im vergangenen Jahr 1303 Kinder und Jugendliche wegen Kindeswohlgefährdung aus ihren Familien heraus und in Obhut genommen. Das waren 3,6 Prozent weniger als 2019.