"Ziemlich feige" Thüringer Grünen-Chefin nimmt Kind in Stadtrat mit – Anzeige
Gegen die Co-Chefin der Thüringer Grünen hat ein Unbekannter eine Anzeige erstattet. Jetzt macht die Politikerin ihrem Ärger Luft.
Die Co-Chefin der Thüringer Grünen, Ann-Sophie Bohm, hat nach eigenen Angaben eine Anzeige wegen Kindeswohlgefährdung erhalten, weil sie ihr Kind mit in den Weimarer Stadtrat genommen hat.
Es habe an dem Tag keine andere Betreuungsmöglichkeit gegeben, sagte Bohm am Dienstag gegenüber t-online. Dem Kind sei es in den rund eineinhalb Stunden im Stadtrat gut gegangen, es habe auch keinerlei Beschwerden gegeben. "Ich sehe das Problem nicht." Bohm hatte den Vorfall am Dienstag selbst auf Twitter öffentlich gemacht.
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Anruf vom Jugendamt
Von der Anzeige gegen sie hatte Bohm bereits nach der letzten Stadtratssitzung in Weimar Mitte Juni erfahren. "Ich war sehr aufgebracht", erinnert sie sich. "Ein Mann vom Jugendamt hatte uns angerufen, und erzählt, dass da eine Anzeige gegen mich und meinen Mann vorliegt." Bohms Partner sitzt ebenfalls im Stadtrat von Weimar.
Die Anzeige sei anonym aufgegeben worden, womöglich von jemandem, der die Stadtratssitzung per Livestream verfolgte. Bohms sechs Monate alter Sohn sei bereits in anderen Stadtratssitzungen dabei gewesen – in der vom Juni habe Bohms Partner mit dem Kleinen die Runde gegen 20.30 Uhr verlassen. Bohm: "Das war eine brisante Stimmung, bei der Sitzung kam es auf jede Stimme an."
"Stadtrats-Sitzungen nicht familienfreundlich"
Während der Stadtratssitzungen komme ihr Kind gewöhnlich bei der Oma unter, diesmal sei das aber nicht möglich gewesen. "Ich glaube, das Problem mit der Kinderbetreuung haben einige Eltern", sagte Bohm. Über den unbekannten Anzeigen-Ersteller ärgert sich Bohm bis heute: "Ich finde das ziemlich perfide, ich finde es ziemlich feige. Das, was wir da im Stadtrat machen, ist ehrenamtlich. Die Sitzungen, die spätnachmittags beginnen, sind nicht besonders familienfreundlich."
Gegenüber t-online erklärt Bohm, dass sie mit sich gerungen habe, die Anzeige öffentlich zu machen – schließlich fiel die Entscheidung, von der Anzeige auf Twitter zu berichten: "Ich wollte das öffentlich machen, um zu zeigen: Das gibt's immer noch." Die Reaktionen auf Twitter hätten sie "geflasht" – und weiter: "Ich freue mich sehr über die große Solidarität. Wir sind doch keine Rabeneltern, wenn wir unser Kind zu so einer Sitzung mitnehmen." Nach ihrem Kenntnisstand würde das Jugendamt nicht weiter gegen sie und ihren Partner vorgehen.
Im Jahr 2019 hatte eine andere Thüringer Grünen-Politikerin für Schlagzeilen gesorgt, als sie ihr Kind mit in eine Plenarsitzung des Landtages in Erfurt gebracht hatte. Die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling musste damals eine Landtagssitzung verlassen. Später wurden Babys im Plenarsaal erlaubt und ein Extra-Stillzimmer im Landtag eingerichtet.
- Telefonat mit Ann-Sophie Bohm
- Nachrichtenagentur dpa