Parteien Angekündigte AfD-Zustimmung zu CDU-Antrag erhitzt Gemüter
Die angekündigte Zustimmung der AfD zu einem CDU-Antrag zu Windrädern im Thüringer Landtag erhitzt jetzt auch die Gemüter auf Bundesebene. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte die Thüringer Union vor einer Zusammenarbeit mit der AfD und richtete dabei auch einen Appell an CDU-Chef Friedrich Merz. "In der CDU ist jetzt Führung gefragt, denn im Landtag in Erfurt wird auch die Autorität von Parteichef Friedrich Merz herausgefordert", sagte Kühnert dem "Spiegel".
Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte die Christdemokraten auf, die Situation aufzulösen. "Die CDU steht in der Verantwortung, die durch ihren Antrag entstehende Situation zu verhindern", sagte der FDP-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Es erschließt sich nicht, warum sie jetzt diese landespolitische Lage provoziert." Auch die Landtagsfraktion der FDP hat Zustimmung zum Antrag der Union signalisiert. Inhaltlich geht es dabei um einen 1000-Meter-Mindestabstand neuer Windkraftanlagen zu Wohngebäuden.
Unterdessen bot am Samstag Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) der CDU-Landtagsfraktion einen "Windfrieden" für das Bundesland an. Wenn die Union ihren umstrittenen Gesetzentwurf auf Eis lege, könne diskutiert werden, sagte sie dem Sender MDR Thüringen. Als Basis könne das Energiepapier der aktuellen Sondierungsgespräche von CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen dienen. CDU-Fraktionschef Mario Voigt sagte dazu ebenfalls dem Sender MDR Thüringen, die Thüringer CDU sei seit Monaten gesprächsbereit. Er wünsche sich eine bürgerfreundliche Lösung für den Ausbau der Windkraft mit klaren Abständen. Er werde am Dienstag mit Ministerin Siegesmund sprechen - erwarte jedoch, dass Rot-Rot-Grün dieselbe Kompromissbereitschaft zeige wie die CDU.
SPD-Generalsekretär Kühnert erklärte, ein Gesetz gegen die Stimmen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung sei "eine Gesetzesmehrheit von Höckes Gnaden". Er spielte damit auf den AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke an. "So etwas gab es noch nie und darf es niemals geben." Offenbar sei man in der CDU der Auffassung, im Zusammenspiel mit der AfD beginne die Sperrzone erst bei gemeinsamen Koalitionen. "Wer so argumentiert, der hat nichts gelernt." Der CDU verblieben noch wenige Tage, um dem Freistaat Thüringen einen "Bärendienst zu ersparen".
Scharfe Kritik an der CDU kam auch von den Grünen. CDU-Parteichef Merz habe im Dezember letzten Jahres gesagt "Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben" und bei Zuwiderhandlung sogar mit Parteiausschlussverfahren gedroht, erinnerte im "Spiegel" die Politische Geschäftsführerin der Bundes-Grünen, Emily Büning, an entsprechende Aussagen von Merz. "Nun schweigt er, während die Thüringer CDU plant, zum ersten Mal zwei Gesetzesentwürfe mit den Stimmen der AfD gegen die Landesregierung durchzubringen." Die AfD wird in Thüringen vom Verfassungsschutz wegen rechtsextremistischer Tendenzen beobachtet.
Thüringens CDU-Fraktionsvorsitzender wies die Kritik zurück. "Hier geht es um Thüringer Themen, und ich erwarte, dass auch hier in Thüringen Lösungen dafür gefunden werden", teilte er mit. Die Reaktionen aus dem Bund zeigten, wie weit sich "die Berliner Blase von der Lebenswirklichkeit der Menschen im ländlichen Raum entfernt hat." Kühnert seien die Menschen in Thüringen völlig egal. "Die Kritik hat nur ein Ziel: Den erfolgreichen Kurs von Friedrich Merz zu torpedieren."
Dem SPD-Generalsekretär sei nicht wichtig, ob der Berufsanfänger in den Gesundheitsberufen Schulgeld zahlen müsse oder nicht oder wer ein 240-Meter-Windrad in Sichtweite stehen habe. Im Erfurter Landtag hat die Opposition aus CDU, AfD und FDP einen großen Einfluss, weil die rot-rot-grüne Regierungskoalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) keine eigene Mehrheit hat - ihr fehlen vier Stimmen.
Die CDU und die FDP haben in Thüringen bereits negative Erfahrungen im Umgang mit der AfD gemacht. Am 5. Februar 2020 war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten des Freistaats gewählt worden. Die AfD hatte dafür ihren eigenen Kandidaten ohne Stimmen fallengelassen und für Kemmerich votiert. Der Liberale nahm die Wahl an. Das Ereignis hatte einen bundesweiten Sturm der Entrüstung ausgelöst. Vielfach wurde die Wahl als politischer Tabubruch wahrgenommen. Nach öffentlichem Druck kündigte Kemmerich einen Tag nach dem Votum seinen Rücktritt an, den er drei Tage nach der Wahl vollzog.