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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lautstarker Gegenprotest Nach Tod von "SS-Siggi" – Neonazis ziehen durch Dortmund
In Dortmund war die Polizei wegen eines Trauermarschs von Neonazis mit einem Großaufgebot im Einsatz. Dieser setzte sich am Nachmittag in Bewegung. Überall entlang der Route gab es Gegenprotest.
Rechtsextreme sind am Samstag in einem "Trauermarsch" für den verstorbenen Neonazi Siegfried Borchardt durch Dortmund gezogen. Zum Start der Versammlung gegen 14 Uhr am Hauptbahnhof kontrollierte die Polizei die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stichprobenartig. Wie ein t-online Reporter berichtete, trugen viele Rechtsextreme szenetypische Kleidung und Symbole. Um 15.40 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung, begleitet von engen Polizeiketten.
Dieser war mit 250 Teilnehmer angemeldet. Laut Polizeiangaben vom frühen Nachmittag hatten sich insgesamt 480 Personen vor Ort eingefunden. Die Beamten hatten demnach mit noch deutlich mehr Neonazis gerechnet.
Nach Tod von "SS-Siggi": Experte warnt vor NS-Verherrlichung
Zunächst verlasen die Anmelder der Versammlung gegen kurz nach 15 Uhr die durch die Polizei festgelegten Auflagen. Demnach wurden zahlreiche für das rechtsextremistische Spektrum typische Sprüche und Plakataufschriften verboten. Außerdem durften die Neonazis während des Marsches keinen Alkohol konsumieren.
Laut des Redners sollte die "Ordnung des Zuges" eingehalten werden. Der Marsch sollte demnach im Schweigen ausgeführt werden. Außerdem sollten die Teilnehmer der Demonstration nicht auf den Gegenprotest eingehen, hieß es.
Das Ziel des Trauermarsches war das angeblich letzte Wohnhaus von Borchardt in Dorstfeld, an dem am Samstag schwarze Fahnen hingen. In Dorstfeld befindet sich der berüchtigte "Nazi-Kiez". Dort wurde auch eine Gedenkstätte eingerichtet, wie Die Rechte auf ihren Kanälen zeigt.
Vor dem Gebäude wurde die Abschlussrede gehalten, bei der die Gewalttaten von Borchardt in Anekdoten verherrlicht wurden, berichtete der Reporter. Danach wurden in einer Schweigeminute die Trauergestecke niedergelegt. Damit war der Trauermarsch beendet. Ordner sammelten die schwarzen Fahnen ein und es lief Musik.
Bereits als sich der Demonstrationszug zu Beginn hinter einem Banner aufstellte, riefen Gegendemonstranten immer wieder "Nazis raus!". Als die Rechtsextremen am Westentor am ersten Gegenprotest vorbeizogen, machte dieser zusätzlich mit Trillerpfeifen Lärm.
Unter dem Motto "gegen rechte Heldenmythen" wollten unter anderem antifaschistische Gruppen aus Dortmund den Trauermarsch in Richtung Dorstfeld stören und blockieren. Auch die Dortmunder Grünen und der Deutsche Gewerkschaftsbund riefen zu Gegenprotesten auf.
Am Rande der Route machten die Gegendemonstranten beinahe durchgängig auf sich aufmerksam. Die Polizei sprach von einem "lautstarken, bunten und friedlichen" Gegenprotest.
Von der Polizei hieß es im Vorfeld, man wolle mit einem großen Aufgebot den friedlichen Verlauf der Demonstration sichern – und dabei mögliche Blockade- und Störaktionen des Gegenprotests unterbinden. Vor der Versammlung rechnete die Polizei mit rechten Demonstranten aus dem Ruhrgebiet und dem gesamten Bundesgebiet.
Neonazis ziehen durch Dortmund: Verkehr beeinträchtigt
Zahlreiche Straßen in dem betroffenen Gebiet waren gesperrt. Der Verkehr wurde teilweise umgeleitet. Auch zwei U-Bahnlinien wurden für die Dauer des Aufzugs gesperrt.
Den Tod von Siegfried Borchardt hatten rechte Akteure am 3. Oktober bekanntgegeben. Der weit über die Dortmunder Stadtgrenzen hinaus bekannte Rechtsextremist trug den Spitznamen "SS Siggi" und war zu Lebzeiten für mehrere neonazistische Gruppierungen und Parteien aktiv. Er saß mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten in Haft und mischte in der rechten Hooliganszene nicht unerheblich mit.
Die Partei sammelte in der vergangenen Woche Spenden für die Beerdigung. Bisher kamen dafür mehr als 10.700€ zusammen. Im Gespräch mit t-online warnte ein Rechtsextremismus-Experte vor der NS-Verherrlichung auf Trauermärschen oder Beerdigungen. Diese seien ein "hochsymbolischer Akt, der oft auch politisch gerahmt" werde.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort