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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ist der Traditionsclub noch zu retten? Unter Schalke-Fans geht ein alter Geist umher
Der FC Schalke 04 taumelt in der 2. Bundesliga. Die Fans schwanken zwischen leiser Hoffnung und tiefer Sorge. Und eine alte Diskussion flammt neu auf.
An diesem Sonntag feiert beim FC Schalke 04 der neue Trainer Karel Geraerts seine Premiere, wenn seine neue Mannschaft auswärts auf Karlsruhe trifft. In der 2. Fußball-Bundesliga rangiert der Traditionsklub aktuell mit nur sieben Punkten aus neun Spielen auf Rang 16 – es herrscht eher Abstiegsgefahr als Aufstiegseuphorie.
Auch bei den Anhängern ist die Unsicherheit da, wie es mit den Königsblauen weitergeht. Zwar werden sie auch an diesem Sonntag wieder für ein volles Stadion sorgen und ihr Team anfeuern. Doch die Sorge um die Zukunft ist groß und mit ihr wächst die Kritik – auf der einen Seite am Führungspersonal, auf der anderen Seite auch an den Spielern. t-online hat sich in den Fanclubs umgehört.
Der neue Trainer ist ein Hoffnungsträger
"Noch läuft der Laden", sagt Jörg Schlund mit einer gehörigen Portion Skepsis in der Stimme. Der Vorsitzende des S04-Fanclubs Blau-Weiß Hönnetal fühlt sich in die wilden 1980er-Jahre zurückversetzt. "Da war hier Chaos, alles ging drunter und drüber." Sportliche Krise, Trainerentlassung, unbesetzte Vorstandsposten, Diskussionen um den Aufsichtsrat, finanzielle Sorgen und zuletzt die Posse um den insolventen Ärmelsponsor – all das weckt bei ihm ungute Erinnerungen. Den neuen Trainer Geraerts sieht er zwar trotz seiner geringen Erfahrung als Chefcoach als eine Art Hoffnungsträger: "Aber ob er die gute Arbeit, die er in Belgien gezeigt hat, auch in diesem Umfeld abliefern kann?"
Am Cheftrainer hat’s für Dirk Siekierski in erster Linie nicht gelegen, dass es sportlich so schlecht läuft. "Ich glaube, es wäre auch unter Thomas Reis wieder aufwärts gegangen", meint der Vorsitzende des Fanclubs Attacke Hamm. Er sieht eher den Konditionstrainer in der Verantwortung – und die Profis selbst: "Die Mannschaft hat ein Problem. Da war keine Laufbereitschaft zu sehen, die Jungs waren auch schnell müde." Auf den ersten Auftritt unter Geraerts an diesem Sonntag ist er gespannt, den Aufstieg hat er aber bereits abgehakt. Droht vielleicht sogar der Abstieg? Siekierski widerspricht vehement: "Auf keinen Fall, dafür ist Schalke 04 stark genug!"
Es gibt aber auch warnende Stimmen. "Wenn du einmal in die Spirale hineingerätst, dann kann es ruckzuck auch Richtung Dritte Liga gehen", betont Jürgen Diener. Für den Vorsitzenden des Fanclubs Schalke Rheda-Wiedenbrück braucht es daher jetzt gegen Karlsruhe unbedingt ein Erfolgserlebnis, "und dann müssen wir bis Weihnachten Abstand nach unten bekommen". Thomas Reis tut ihm auch eher leid, die Grüppchenbildung in der Mannschaft ist ihm ein Dorn im Auge, den Kader hält er generell für überschätzt – "aber jetzt muss man den neuen Trainer erstmal arbeiten lassen".
Rückkehr von Mike Büskens ist positiv
Für Diener ebenso wie für Schlund positiv ist die Rückkehr von S04-Ikone Mike Büskens als Assistenzcoach auf die Trainerbank. Was alle befragten Schalke-Anhänger neben der sportlichen Situation umtreibt, ist die Angst vor dem finanziellen Kollaps. "Wir machen uns alle Sorgen", bestätigt Dirk Siekierski, der seit Jahrzehnten als Mitglied und Dauerkarten-Inhaber die Wege der Königsblauen verfolgt. "Je länger wir in der Zweiten Liga festhängen, desto schwieriger wird die ganze Situation auch finanziell. Irgendwann gibt’s Probleme mit der Lizenz."
Jörg Schlund hat in seinem Fanclub eine ähnliche Sorge festgestellt. "Angesichts der Schulden sind Dritte Liga und Insolvenz bei einigen durchaus ein Thema. Allein aus finanziellen Gründen bist du gezwungen, schnell aufzusteigen." Jürgen Diener macht in diesem Zusammenhang einen Vorschlag, von dem er durchaus weiß, dass er auch in seinem eigenen Fanclub mit rund 400 Mitgliedern nicht nur Fürsprecher hat: "Clemens Tönnis würde Schalke guttun!"
"Eine Ausgliederung wäre sinnvoll"
Der langjährige S04-Boss und Mäzen würde zwar kein Amt mehr übernehmen, "aber hätte man mal sein Geld angenommen. Wir können uns nicht kaputtsparen, sondern müssen schnell raus aus der Zweiten Liga". Für die Winterpause, mahnt Diener, müsse dringend frisches Geld her für Neuzugänge in einem überschätzten Kader. Und diese Aufgabe traut er den aktuell Verantwortlichen nicht zu. "Ich habe nichts gegen jemanden persönlich, aber der Aufsichtsrat mit seiner Nähe zu den Ultras gibt kein gutes Bild ab", sagt Diener, seit 30 Jahren Mitglied bei den Blau-Weißen.
Zur schlechten Außendarstellung und dem "Geschmäckle" um die Berufung des neuen Vorstandsvorsitzenden komme das Festhalten am Vereinskonstrukt, das Jürgen Diener für falsch hält: "Eine Ausgliederung wäre sinnvoll, um neue Gelder zu generieren. Ein eingetragener Verein ist schön, aber damit werden wir nicht mehr 1. Liga spielen."
- Eigene Recherche
- Gespräche mit Fanclub-Vorsitzenden