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Die Wählerschaft der AfD: Jung, männlich, ostdeutsch?


Magdeburg
Die Wählerschaft der AfD: Jung, männlich, ostdeutsch?

Von dpa
10.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Wahlkampfveranstaltung der AfDVergrößern des Bildes
Ein Mann steht vor Beginn einer Wahlkampfveranstaltung der AfD neben einem Wahlpalakt der Partei. (Quelle: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild/dpa-bilder)
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Die Erleichterung war Ministerpräsident Reiner Haseloff am Wahlsonntag deutlich anzusehen. Seine CDU hatte die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt mit klarem Vorsprung gewonnen - und die AfD auf Platz zwei verwiesen. Den jungen Wählerinnen und Wählern habe der Ministerpräsident den Wahlsieg aber nicht zu verdanken - viele von ihnen hätten sich nämlich für die AfD entschieden, hieß es in Analysen. Stimmt das?

Der Politikwissenschaftler Arndt Leininger möchte zu Beginn des Telefongesprächs mit der Deutschen Presse-Agentur einen Irrtum ausräumen. Nicht die ganz jungen Wählerinnen und Wähler seien die Stützen der AfD, sondern eher die mittelalten. "Wenn man sich die Daten genau anschaut, fällt auf, dass der Stimmenanteil für die AfD bei den Wählern unter 30 niedriger ist als in der Gesamtbevölkerung", sagt der Forscher von der TU Chemnitz.

Vor allem bei Menschen ab 30 steige der Anteil für die AfD, sagt Leininger mit Blick auf eine Analyse der Forschungsgruppe Wahlen. Demnach stimmten bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 18 Prozent der Menschen bis 30 für die AfD, bei den 30- bis 44-Jährigen waren es 27 Prozent. Das Wahlergebnis der Partei insgesamt lag bei 20,8 Prozent.

Auffällig sei eher, dass bei den jüngeren Wählern ähnlich viele für die AfD wie für die CDU gestimmt hätten. "Das ist aber nicht auf die Stärke der AfD zurückzuführen, sondern auf die Schwäche der CDU in der Altersgruppe", sagt Leininger. Junge Wähler stünden insgesamt den Parteien weniger loyal gegenüber und verteilten ihre Stimmen breit.

"Bei den vergangenen Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt haben mehr Junge für die AfD gestimmt", sagt Leininger. Gründe für den Rückgang könnten seiner Ansicht nach sein, dass die Partei weniger neu sei und junge Menschen von dem Rechtsruck der AfD eher abgeschreckt seien.

Angesichts des Wahlverhaltens hält Leininger auch die These des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), teilweise für widerlegt. Der hatte vor der Landtagswahl in einem "FAZ"-Podcast gesagt, dass die Bevölkerung im Osten in Teilen in einer Form "diktatursozialisiert" sei, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sei.

"Wenn das stimmte, müssten eigentlich die Ü-60-Jährigen verstärkt AfD wählen", sagt Leininger. Das ist aber nicht so. Seine Erklärung: Gerade die Menschen, die heute im mittleren Alter seien, hätten die Unsicherheiten des Gesellschaftsumbruchs infolge der Wiedervereinigung miterlebt, Arbeitslosigkeit bei ihren Eltern und den Wegzug vieler Menschen.

Auch der Soziologie Holger Lengfeld von der Universität Leipzig spricht mit Blick auf Ostdeutschland von einer Umbruchserfahrung. "Wenn Menschen in den späten 1980ern oder 90ern geboren sind, heißt das nicht, dass sie nicht durch die DDR sozialisiert sind", sagt er.

Der höhere Zuspruch für die AfD im Ostdeutschland, wo sie in allen Landtagen mit Ergebnissen über 20 Prozent zweitstärkste Kraft ist, werde häufig auch mit fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven erklärt. Diese Erklärung ist für Lengfeld jedoch nicht ausreichend. "Meine Vermutung ist eher, dass es nicht um die Einkommen der Leute geht, sondern um die Wahrnehmung der Infrastruktur - etwa dass Postfilialen in kleinen Orten schließen oder der Supermarkt - eine Folge des Bevölkerungsrückgangs in Teilen von Ostdeutschland."

Die Erfahrung, dass insbesondere junge, gut ausgebildete Menschen - oft Frauen - wegzogen, sei auf dem Land stark verbreitet, sagt die Politikwissenschaftlerin Kerstin Völkl von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Übrig geblieben seien neben einer überalterten Bevölkerung junge Männer mit niedrigem Bildungsniveau, die sich abgehängt fühlten und daher anfälliger für populistische und autoritäre Angebote seien. Deshalb sei es kein Zufall, dass in ländlichen Regionen eher rechts gewählt werde.

Viele Menschen auf dem Land hätten Zukunftsängste, etwa vor der Digitalisierung und den Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt. "Viele wissen selbst, dass sie auf die Veränderungen nicht gut vorbereitet sind", sagt Völkl. Das betreffe vor allem Männer, weil viele ihrer klassischen Berufe etwa in der Industrie bereits verschwunden seien. "Das ist für mich ein wesentlicher Erklärungsfaktor, warum die AfD verstärkt von Männern gewählt wird." Dass die Partei bei ihnen erfolgreicher ist, belegen auch die Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen: Demnach stimmten in Sachsen-Anhalt 26 Prozent der Männer für die AfD - und 16 Prozent der Frauen.

Ein Beispiel sei Zeitz im Süden von Sachsen-Anhalt - der einzige Wahlkreis, in dem ein AfD-Abgeordneter das Direktmandat holte. "Dort ist in Profen der letzte aktive Braunkohletagebau in Sachsen-Anhalt, der spätestens 2038 stillgelegt werden soll. Und die Menschen, die im Bergbau und in angrenzenden Industriezweigen tätig sind, fürchten sich vor den Strukturveränderungen."

In Bezug auf das Wahlverhalten von Männern und Frauen gilt laut Lengfeld generell: "Je extremer eine Partei im Spektrum ist, desto eher wird sie von Männern gewählt." Welcher Mechanismus dahinterstecke, sei nicht sicher - "ob das eine Art des männlichen Dominanzverhaltens ist oder bei Frauen die Scham größer ist, eine Partei zu wählen, die in der Öffentlichkeit sanktioniert wird".

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