Schützenfest bei Bremen: Hier kostet das Bier noch 2,50 Euro

Lange ist es her, dass ich zuletzt das Schützenfest in meinem Heimatdorf besucht habe. In all den Jahren hat sich dort nichts geändert – und das ist gut so.

Am Schützenfest in meinem Heimatdorf südlich von Bremen hängen viele Erinnerungen. Es ist der Ort, an dem Oma und Opa mir jedes Jahr eine riesige Tüte mit klebrig-süßen Waffeln gekauft haben. Es ist der Ort, an dem ich zum ersten Mal alleine feiern durfte, zum ersten Mal heimlich Bier getrunken habe. Und auch der Ort, an dem das erste Mal mein Herz gebrochen wurde, als ich meine große Jugendliebe mit einer anderen habe abzischen sehen.

Ich war jahrelang nicht beim Schützenfest – am vergangenen Wochenende war es mal wieder so weit. Ich wurde nicht enttäuscht, denn es war so erwartbar wie verlässlich. Noch immer steht alles an seinem Platz, wie auch vor 20 Jahren schon: die Schießbude rechts, daneben der Süßkram-Stand, das Festzelt mittig, davor der Fischbrötchenwagen und eine Pommesbude, und links vor den Vereinsheim-Toiletten ist der Bierausschank. Sogar das Storchenpaar, das seit Jahren in einem Nest auf einem Silo neben dem Schützenplatz nistet, ist da. Wobei, etwas ist doch anders: Statt Autoscooter gibt es ein Kettenkarussell.

Schützenfest: Hier muss niemand zum Feiern animiert werden

An fast jeder Ecke treffe ich Bekannte: ehemalige Nachbarn, alte Schulfreunde, über 5-Ecken-Verwandte und Menschen, die ich halt irgendwie kenne. Woher genau, weiß ich auch nicht. Die Jugendliebe sehe ich glücklicherweise nicht. Nach etlichen "Moin, naaa" und zwei Bier, die mir ungefragt in die Hand gedrückt worden sind, geht es ins Festzelt.

Dort herrschen ungefähr 50 Grad, der Holzboden knarzt mit jedem Schritt und der Lärmpegel ist höher als bei einem Metallica-Konzert. Ein in der Gegend bekannter Dorffest-DJ schmettert Songs wie "Trinken ist auch Sport" oder Klassiker à la "Verdammt, ich lieb‘ dich" und beschallt damit das ganze Dorf. Niemand muss zum Mitmachen animiert werden, jeder macht es einfach und ist dabei verflucht textsicher.

Bier für 2,50 Euro: Wo gibt's das noch?

Das Publikum – eine Mischung aus Schützenverein-Urgesteinen, Teenies mit bauchfreien Tops und ehemaligen Dorfbewohnern, die pünktlich zum Schützenfest in die Heimat zurückkehren – lässt sich mitreißen, als zähle wirklich nur dieser Moment. Es wird gesprungen, getanzt, gegrölt und geschunkelt. Dabei ist es völlig egal, ob man 16 oder 86 Jahre alt ist, Standard tanzt oder die Hüften schwingt. Mir wird wieder klar: Wenn jemand weiß, wie man Hand in Hand hemmungslos, aber dennoch friedlich feiert, dann die Leute aus meinem Heimatdorf.

Das Bier kostet hier tatsächlich noch 2,50 Euro. Durch Akkord-Zapfen und fehlende Kohlensäure ist zwar ein bisschen Seele verloren gegangen, aber bei dem Preis ist das ein verschmerzbares Opfer. Die Hartgesottenen trinken "Flying Hirsch" – Jägermeister mit Energydrink – oder zehn Kurze von einem fies-süßen Schnaps direkt hintereinander. Hier und da kommt direkt eine ganze Flasche Korn auf den Tisch, die mit ein paar Tropfen Fanta gemischt wird. Um 2 Uhr nachts bin ich müde und will nach Hause. Ich merke, dass sich doch etwas verändert: Ich bin älter geworden. Früher habe ich das Fest erst verlassen, wenn das Zelt schon abgebaut wurde.