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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Fluss im Fokus Falsche Spur? Darum wurde vor allem an der Oste nach Arian gesucht
Im Fall Arian suchten die Ermittler vor allem an einem Fluss nach dem Jungen. Gefunden wurde er aber woanders. War es falsch, sich so schnell auf die Oste zu konzentrieren? Ein Kriminologe erklärt die Gründe.
Seit dem Verschwinden von Arian hat sich die Suche nach dem Sechsjährigen immer wieder auf die Oste konzentriert. Mehrfach wurde die Gegend entlang des Flusses abgesucht. Das Suchgebiet reichte bis zur zwölf Kilometer entfernten Gemeinde Krankenburg. Aber warum fokussierte sich die Suche so schnell auf den Fluss?
"Die Oste war für ihn verhältnismäßig schnell zu erreichen und gleichzeitig eine natürliche Begrenzung, die der Junge nicht überwinden konnte", erklärt Karsten Bettels, ehemaliger Kriminaldirektor bei der Polizei Niedersachsen. Der Fluss liegt nur etwas mehr als einen Kilometer von seinem Wohnort entfernt.
Hinzu kam, dass Arian Autist war. "Vor dem Hintergrund des Krankheitsbildes des Jungen bestand eine mögliche Lebensgefahr. Deshalb ging es am Anfang um die Einleitung von Sofortmaßnahmen", so Bettels.
Karsten Bettels
Er war jahrelang Kriminaldirektor bei der Polizei in Niedersachsen und leitete für angehende Kommissare an der Polizeiakademie den Kurs Cold Cases. Heute arbeitet er mit Polizeihochschulen und Universitäten aus Europa, Australien und den USA im Internationalen Cold Case Analyse Projekt (ICCAP) für das Europäische Zentrum für vermisste Kinder, Amber Alert Europe und unterstützt Ermittlungsbehörden in Cold Cases und Vermisstenfällen.
Fluss war im April etwa acht Grad kalt
Am Abend des 23. April verschwand Arian in Elm bei Bremervörde. Er wurde zuletzt bei sich zu Hause gesehen. Schon in der Nacht seines Verschwindens wurde auf der Oste nach dem Jungen gesucht. Die Wassertemperaturen dürften zu diesem Zeitpunkt bei rund acht Grad gelegen haben. Zwei Tage später wurden an dem Fluss kleine Fußabdrücke entdeckt. Sie stammten mutmaßlich von Arian.
Dass sich die Suchmaßnahmen so schnell auf den Fluss konzentrierten, erklärt Bettels auch mit Verweis auf statistische Daten. "Wenn man auf Untersuchungen des Nationalen Zentrums für vermisste Kinder aus den USA blickt, ist Ertrinken eines der Haupt-Todesursachen bei vermissten Kindern, insbesondere bei Kindern mit Autismus."
Von 1.516 vermissten Kindern mit Autismus in den USA zwischen 2011 und 2020 wurden 64 tot aufgefunden. In 84 Prozent der Fälle bei einem Unfalltod war Ertrinken die Ursache.
Großangelegter Einsatz an der Oste
Im Mai rückten Taucher mehrfach zur Oste aus, um den Grund abzusuchen. Auch ein Sonar wurde für im Fluss schlecht einsehbare Stellen eingesetzt. Später gab es einen großangelegten Einsatz, nachdem eine Frau ein treibendes Objekt im Wasser gemeldet hatte. Gefunden wurde allerdings nichts. Der Schwerpunkt der Aktion lag etwa 30 Kilometer von Arians Heimatort entfernt. Einige Tage später erfolgte eine weitere Suche entlang des Mittellaufs der Oste.
- Vermisstenfall Arian: Chronologie einer intensiven Suche
Am 23. Mai, einen Monat nach Arians Verschwinden, suchte die Polizei noch einmal die gesamte Oste ab. Der Abschnitt zwischen Elm und der Mündung des Flusses in die Elbe wurde auf einer Länge von 70 Kilometern durchkämmt. Vor allem auf schwer einsehbare und unzugängliche Uferbereiche konzentrierten sich jetzt die Ermittlungen.
Arian auf Feld entdeckt – Fokus auf Fluss sinnvoll?
Mehr als zwei Monate nach Arians Verschwinden fand ein Landwirt am 23. Juni beim Mähen einer Wiese in Estorf schließlich den Leichnam eines Kindes. Die Polizei geht davon aus, dass es sich um Arian handelt. Der Fundort liegt etwas mehr als einen Kilometer entfernt von der Oste. Hinweise auf Fremdverschulden gibt es bisher nicht.
Bettels verteidigt die intensiven Suchmaßnahmen an dem Fluss. "Wenn das Kind ertrunken wäre, wäre es aufgrund der damals noch herrschenden Wassertemperaturen nicht innerhalb von Stunden oder Tagen wieder aufgetaucht. Da muss man mit Wochen rechnen". Die besondere Gefährdungslage des Jungen und die Nähe der Oste zu seinem Wohnort seien entscheidende Faktoren gewesen. Der Kriminologe ergänzt: "Dass man den Fokus auf den Fluss gelegt hat, ist daher absolut sinnvoll."
- Gespräch mit Karsten Bettels, ehemaliger Kriminaldirektor und Cold-Case-Ermittler
- ojjdp.ojp.gov: "Missing Children on the Autism Spectrum" (Stand: 2021, Englisch)
- amberalert.eu: Informationen zum International Cold Case Analysis Project (Englisch)