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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Daran ist nichts falsch" Mutter folgt Tochter zur "Letzten Generation"
Ronja Jacob ist Aktivistin der "Letzten Generation" und geht für Ihre Überzeugung auch ins Gefängnis. Mutter Eika Jacob ist stolz auf ihre Tochter.
Bei Fridays for Future haben in erster Linie Schüler protestiert, unterstützt von ein paar Erwachsenen. Bei der "Letzten Generation" engagieren sich ganze Familien für eine bessere Klimapolitik. Da gehen Mütter mit ihren Töchtern gemeinsam auf die Straße, beteiligen sich, diskutieren vorher zu Hause, an welchen Aktionen sie teilnehmen wollen oder nicht.
In Celle ist kürzlich die 17-jährige Schülerin Ronja Jacob für die "Letzte Generation" auf die Straße gegangen, ihre Mutter Eika hat sie dabei begleitet. Auch sie ist Aktivistin. Bei der Aktion ist Ronja Jacob von der Polizei verhaftet worden, Mutter Eika musste mit ansehen, wie ihre Tochter abgeführt wurde. t-online hat mit Mutter und Tochter Jacob über die Grenzen des Widerstands gesprochen.
t-online: Frau Ronja Jacob, die Polizei Celle hat Sie nach einer Straßenblockade verhaftet. Sie sind erst 17. Das muss doch ein Schock gewesen sein.
Ronja Jacob: Natürlich ist das nichts, was normale 17-Jährige so machen. Das ist auch nicht schön. Aber ich habe ja nichts geklaut oder jemanden verprügelt, ich bin für die Interessen meiner Generation auf die Straße gegangen. Daher hat es sich eher absurd als schlimm angefühlt.
Wie lange waren Sie im Gefängnis?
Ich war insgesamt zehn Stunden gefangen. Das nennt sich Präventivgewahrsam. Da wird man in eine Zelle gebracht, die es in Polizeistationen gibt. Sonst sitzen da eher gewalttätige Menschen, zum Ausnüchtern oder so. Jede Polizeistation hat ein paar Zellen für solche Situationen.
Wie ist es Ihnen da ergangen?
Man sitzt da und wartet, bis man wieder rauskommt. Sonst passiert da nicht viel. Aber man ist natürlich aufgeregt, ich habe ja nicht damit gerechnet, eingesperrt zu werden.
Was wurde Ihnen konkret vorgeworfen?
Eika Jacob: Die Polizei hatte nach einer Blockade ein Platzverbot ausgesprochen, angeblich soll meine Tochter das gebrochen haben, deshalb wurde sie mitgenommen.
Hat sie das Platzverbot missachtet?
Natürlich nicht. Meine Tochter hatte noch eine Freundin dabei, wir wollten danach zurück nach Oldenburg. Meine Tochter musste am nächsten Tag eine Klassenarbeit schreiben, die Freundin sollten den Bundesfreiwilligendienst beginnen. Wir hatten gar keine Zeit, uns länger in Celle aufzuhalten.
Ronja Jacob, war es das denn jetzt wert?
Wenn ich dafür dann eine lebenswerte Zukunft habe, ist es das auf jeden Fall wert. Wir wissen, dass wir etwas bewegen. Wir haben nur noch dieses kleine Zeitfenster bis Ende des Jahrzehnts laut Wissenschaft, um die Weichen für die nächsten Jahrhunderte zu stellen. Da braucht es die passenden Mittel.
Glauben Sie denn tatsächlich, Sie könnten mit Ihren Aktionen etwas verändern?
Eika Jacob: Die Geschichte hat doch immer wieder bewiesen, dass ziviler Ungehorsam funktioniert.
Blockaden sind für Sie friedlich?
Eika Jacob: Sie sind ein Teil des zivilen Widerstands. Wir sind vollkommen gewaltfrei. Selbst Polizei und auch schon Gerichte attestieren uns Friedlichkeit.
Mutter Eika war dabei, als ihre Tochter mitgenommen wurde
Jetzt war ihr Kind in Gewahrsam. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Eika Jacob: Es hat sich ziemlich mies angefühlt. Ich durfte sie nicht mit nach Oldenburg nehmen. Das hat mich total getroffen. Ich war richtig wütend an dem Tag, weil die beiden Mädchen nur diese fünf Minuten auf eine Straße gelaufen sind.
Sie finden die Aktion der Mädchen also weiter richtig?
Das sind zwei tolle Mädchen! Ich bin sehr stolz auf sie und froh, sie begleitet zu haben.
Sie waren in Celle dabei, als die Polizei Ronja mitgenommen hat?
Ja, ganz bewusst, ich möchte mein Kind ungern alleine in diese Proteste gehen lassen. Ich war im Hintergrund dabei.
Eine Frage an Sie beide: Sie machen der Polizei Vorwürfe? Machen Sie sich selbst auch welche?
Eika Jacob: Ich persönlich nicht, nein. Meine Tochter hat nichts falsch gemacht und ich auch nicht. Noch mal, spontane Versammlungen sind erlaubt. Daran ist nichts falsch.
Ich ärgere mich aber, dass ich mir nicht die Namen der Beamten dort aufgeschrieben habe. Im Beschluss der Richterin steht zum Beispiel, dass keine Erziehungsberechtigten ermittelbar gewesen wären. Ich war doch dort und habe angeboten, beide Mädchen mitzunehmen.
Ronja Jacob: Ich seh das so wie meine Mutter.
Sie sind dann ohne Ronja zurück nach Oldenburg?
Eika Jacob: Ich musste, weil eines meiner anderen Kinder einen Arzttermin hatte. Aber ich und ihr Vater haben die Mädels dann nachts aus Celle abgeholt. Sie sind auf der Rückfahrt direkt eingeschlafen.
Nun hätten Sie beide ja auch einfach ganz zu Hause bleiben können, also nicht protestieren können, dann wäre auch nichts passiert.
Ronja Jacob: Das ist für uns beide keine Option. Wir steuern derzeit laut Weltklimarat in eine Welt mit Hunger, Krieg und Extremwetterereignissen als neue Normalität. Unsere Regierung bricht nachweislich unsere Verfassung, die Grundlage unserer Demokratie.
Eika Jacob arbeitet als Bildungsreferentin und ist Mutter von vier Kindern.
Ronja Jacob ist Schülerin am Gymnasium.
Ronja war zuerst bei der "Letzten Generation", Mutter Eika ist dann mit eingestiegen.
Die Familie lebt in Oldenburg.
Jeder von uns muss jetzt Verantwortung übernehmen. Darum leisten wir weiter Widerstand gegen die Zerstörung und setzen uns für das Leben ein.
Eika Jacob, wo sind denn die Grenzen?
Eika Jacob: Ronja ist 17, sehr reflektiert und vernünftig. Ich kann ihr da nicht viel verbieten. Lieber bleibe ich mit ihr im Gespräch.
Ronja Jacob: Wir haben besprochen, dass ich bei den ganz großen Aktionen nicht mitmache. Dazu gehören die Aktionen auf Sylt, wo der Flieger mit Farbe besprüht wurde. Auch die Jacht in Neustadt mit Farbe anzumalen, ist richtig teuer für die, die das machen.
Eika Jacob: Ja, es gibt für uns als Familie Grenzen, wo wir emotional überfordert wären. Grundsätzlich lege ich bei allen Aktionen mein Veto ein, die gefährlich werden können.
Frau Eika Jacob: Sie sind ja selber bei der "Letzten Generation" aktiv, beteiligen sich an spektakulären Aktionen. In der Kunsthalle Hamburg haben Sie versucht, ein unbezahlbares Bild von Caspar-David Friedrich Bild zu überkleben. Dafür hätten sie sehr teuer bezahlen müssen, Sie waren wegen Körperverletzung und versuchter Sachbeschädigung angeklagt.
Eika Jacob: Wir sind für beides vom Amtsgericht freigesprochen worden. Wir haben eine sehr harmlose Kunstaktion durchgeführt. Das musste letztendlich auch die Staatsanwaltschaft zugeben. Solche Aktionen halte ich für verantwortbar. So etwas in der Art würde ich auch wieder machen.
Ronja, wie es mit Ihnen?
Ronja Jacob: Die Zeit in der Zelle war nicht angenehm, die hat mich natürlich auch beschäftigt. Aber auch ich mache weiter. Es geht um meine Zukunft. Die soll schön werden.
- Telefoninterview mit Eika und Ronja Jacob