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Geldnot: Bremer Kinder- und Jugendfarm vor dem Aus


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"Dann bricht alles zusammen"
Kinder- und Jugendfarm vor dem Aus – Einrichtung startet Petition


23.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Die Einrichtung (Archivbild): Ab nächstem Jahr steht sie vor einem finanziellen Problem.Vergrößern des Bildes
Die Einrichtung (Archivbild): Ab nächstem Jahr steht sie vor einem finanziellen Problem. (Quelle: Kinder- und Jugenfarm Bremen e.V.)

Seit fast 40 Jahren existiert die Kinder- und Jugendfarm in Bremen. Jetzt könnte für die Einrichtung alles vorbei sein: Für 2023 fehlen zehntausende Euro.

Für Susanne Molis ist die Kinder- und Jugendfarm ein absolutes Herzensprojekt. Seit 32 Jahren leitet sie die Einrichtung in Obervieland und hat dort schon einiges erlebt. Immer mal wieder wurden der Farm Mittel gekürzt, mal waren es 10.000, mal 20.000 Euro. Doch für 2023 könnte es nun ganz dicke kommen: Das Amt für Soziale Dienste hat eine Finanzkürzung von 67.000 Euro angekündigt. Das bringt das gesamte Projekt in akute Existenznot, die Farm steht womöglich vor dem Aus.

Wurde die Einrichtung in diesem Jahr noch mit 192.000 Euro gefördert, soll der Betrag für das kommende Jahr auf 125.000 Euro schrumpfen, so Molis zu t-online. "Das ist ein Schlag, den wir nicht einfach so aufholen können", sagt sie. Dabei habe sie das Vorhaben des Amtes unvorbereitet getroffen, der Schock sitze tief. In der Konsequenz seien, so heißt es in einem Schreiben, dass der Verein auf seiner Homepage veröffentlicht hat, drei Szenarien denkbar. Keines davon stimmt die Leiterin positiv.

Szenario eins, heißt es, könne so aussehen: Die Farm öffnet nur noch nachmittags. Das heißt Schulen, Kitas und andere Besucher könnten die Einrichtung als außerschulischen Lernort nicht mehr nutzen. In 2021 waren das trotz Corona mehr als 2.500 junge Menschen aus 19 Schulen und 17 Kitas. Auch Szenario zwei wäre für die Einrichtung fatal, dann nämlich, wenn pädagogische Teilbereiche, wie der Pferdebereich, die Wildnis-Gruppe oder der Outdoorsport "gänzlich eingespart" würden. Wenn nötiges Personal fehle, müssten diese Bereiche auf "Sparflamme" laufen.

"Dann bricht alles zusammen"

Eine dritte Möglichkeit, die Molis und ihr Team ebenfalls befürchten: Die Farm öffnet nur noch drei Tage die Woche, statt an fünf wie bislang. Ferienangebote und Betreuung könnten in der jetzigen Form nicht aufrechterhalten werden.

Molis und ihre Mitarbeiter fordern deshalb eine Basisfinanzierung der Personalkosten für die offene Jugendarbeit, die sie seit Jahrzehnten erfolgreich anbieten würden. Und zwar aus überregionalen Fördermitteln, aus dem Bildungs- und dem Umweltressort. Könne die notwendige Finanzierung für 2023 nicht gewährleistet werden, sieht die Leiterin schwarz für die Zukunft: "Dann bricht alles zusammen".

Nicht nur der alleinige Wegfall nötiger Mittel sei dabei zu beachten, auch der Teufelskreis, der daraus entstehe. Könnten beispielsweise Familiensonntage nicht mehr stattfinden, die regelmäßig kleinere Beträge in die Vereinskasse spülten, würden die finanziellen Mittel nach und nach mehr einbrechen. Die Situation würde sich somit weiter verschärfen.

Fast 6.000 Unterschriften in drei Tagen

Das Angebot der Kinder- und Jugendfarm umfasst neben einem Hort für 26 Kinder vor allem auf die Umweltbild spezialisierte Angebote. So gebe es auf dem Hof einen großen Bereich für Tiere. Die Pflege von Pferden, Schweinen, Meerschweinchen, Ziegen und Bienen bringe den Kindern und Jugendlichen nicht nur den richtigen Umgang mit diesen bei, sondern lehre auch, wie Lebensmittel entstehen und dass man mit diesen sorgsam umzugehen habe. Auch ein Farmgarten gehört zum Areal. "Hier lernen die Kinder eine ganz andere Wertschätzung", sagt Molis.

Um Öffentlichkeit zu schaffen und die politischen Entscheidungsträger zum Umdenken zu bewegen, hat die Einrichtung eine Petition ins Leben gerufen. Innerhalb der ersten drei Tage unterschrieben mehr als 5.500 Menschen das Ersuchen mit dem Titel "Kinder- und Jugendfarm in Existenznot" (Stand 22. Juli).

In den Kommentaren heißt es unter anderem, Einrichtungen wie diese brauche es "dringender denn je", andere sagen, die Farm sei "ihr zweites Zuhause". Eine Kürzung der Mittel sei "katastrophal und unverantwortlich" für "diese Oase mitten in der Stadt", schreiben weitere Personen, die die Petition unterschrieben haben. Zwar könnten auch noch mehr Unterschriften nicht formal dafür sorgen, dass die Kürzungen abgewandt werden, aber so könne man die Bedeutung für ganz Bremen deutlich machen, sagt Molis.

Sozialressort: "System ist dem Verein seit langem bekannt"

Bernd Schneider, Sprecher des Bremer Sozialressorts, erklärt auf Nachfrage von t-online, dass das System, nach dem die Mittel jährlich vergeben werden, dem Verein bekannt sei. Die Struktur gebe es seit 25 Jahren. Demnach entscheide jährlich ein sogenannter Controlling-Ausschuss (CA), wie viele Mittel die jeweiligen Vereine in den einzelnen Stadtteilen erhalten. Und daran halte man sich. Regelmäßig werde demnach geschaut, wie viele Kinder und Jugendliche im jeweiligen Stadtteil betreut und wie viel Geld zur Verfügung stehe.

In anderen angrenzenden Stadtteilen, konkret in Arsten-Nord und Kattenturm, würden sich Einrichtungen zur Zeit um mehr Jugendliche kümmern, dabei aber weniger Geld erhalten. Damit ein Ausgleich stattfinde, würden die Controlling-Ausschüsse jährlich die Mittel neu verteilen. Und darauf ziele der Vorschlag ab, der final erst Ende August bei der nächsten CA-Sitzung beschlossen werden könnte.

Generell, so Schneider, sei die Stadt Bremen in den Bereichen der außerschulischen Betreuung finanziell gut aufgestellt. Die Mittel seien kontinuierlich gewachsen, "da kann man sich nicht beklagen". Er ergänzt mit Bezug zur Farm: "Ich unterstelle mal, dass die Einrichtung eine Lösung finden wird."

"Meinen Ruhestand habe ich mir definitiv anders vorgestellt"

Auch Susanne Molis sei "grundsätzlich lösungsorientiert", sagt sie. "Aber es muss gerecht bleiben – und das, was gerade passiert, ist nicht gerecht." Nach 32 Jahren im Verein will sie in zwei Monaten aufhören und an ihre Kollegen übergeben. In ihre Nachfolger habe sie vollsten Vertrauen, doch: "Meinen Ruhestand habe ich mir definitiv anders vorgestellt."

Sie betont zudem, dass sie keinen Groll auf andere Einrichtungen hege, die nun möglicherweise mehr vom Kuchen abbekommen könnten. "Nur die Begründung stößt uns bitter auf." Man sei als Einrichtung einzigartig in Bremen, "viele würden uns vermissen, gebe es uns bald nicht mehr".

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Farm-Leiterin Susanne Molis
  • Telefonat mit Sozialressort
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