Braunschweig Prozess gegen Ex-VW-Chef könnte abermals verschoben werden
Der Beginn des Diesel-Betrugsprozesses gegen den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn (74) könnte sich weiter verzögern. Bisher ist der Start des Prozesses gegen Winterkorn und vier weitere, teils ehemalige VW-Führungskräfte für den 16. September vor dem Landgericht Braunschweig geplant. Weil Winterkorn sich aber eventuell einer Hüft-OP unterziehen muss, prüft das Gericht derzeit, ob das Verfahren gegen ihn abgetrennt und auf später verschoben wird. Zunächst würde dann am 16. September nur der Prozess gegen die vier anderen Angeklagten beginnen. Das sagte der Sprecher des Landgerichts, Stefan Bauer-Schade, am Mittwoch zu einem Bericht des Wirtschaftsmagazins "Business Insider". Wann genau über eine Verschiebung entschieden wird, sei noch offen.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten gewerbs- und bandenmäßigen Betrug im Zusammenhang mit den Abgas-Manipulationen an Millionen Autos vor, die 2015 die Dieselkrise ausgelöst hatten. Der Start des Prozesses gegen Winterkorn war bereits zwei Mal verschoben worden. Ursprünglich war der Auftakt für Ende Februar vorgesehen gewesen, dann gab es aus Corona-Gründen eine Verschiebung zunächst auf April und danach noch einmal auf September.
"Business Insider" berichtete, der zuständige Richter Christian Schütz habe die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten bereits darüber informiert, dass der erste Diesel-Prozess in Braunschweig im September ohne den Angeklagten Winterkorn beginnen werde. Wie aus einem medizinischen Gutachten hervorgehe, wäre Winterkorn nach einer dritten Hüft-Operation wohl erst Mitte 2022 wieder verhandlungsfähig. Die Abtrennung des Verfahrens sei dann sinnvoll, um der langen Wartezeit für die vier weiteren Angeklagten ein Ende zu setzen.
Selten zuvor richtete ein Wirtschaftsskandal in Deutschland so großen finanziellen Schaden an wie die Abgaskrise. Der Vorwurf in dem Verfahren wiegt schwer: Es geht um gewerbs- und bandenmäßigen Betrug mithilfe manipulierter Software in Millionen von Autos. Diese stießen im realen Fahrbetrieb ein Vielfaches der erlaubten schädlichen Stickoxide (NOx) aus. Eine bessere Reinigung wäre teurer gewesen - daher griff man wohl zur Täuschung.
Im September 2015 hatte Volkswagen nach Prüfungen von Behörden in den USA Manipulationen an Abgaswerten zugegeben. Die Software bestimmter Motoren war so eingestellt, dass auf der Straße deutlich mehr giftige Stickoxide ausgestoßen wurden als in Tests. Die Enthüllungen traten den Abgasskandal los, der den Konzern bis heute weit über 30 Milliarden Euro an juristischen Ausgaben kostete. Darüber hinaus erfasste eine tiefe Vertrauenskrise die gesamte Autobranche.
Winterkorn war schnell zurückgetreten. Er sei sich jedoch "keines Fehlverhaltens bewusst", sagte er damals. Vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestags betonte er ebenfalls, nichts von illegalen Täuschungen gewusst zu haben. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig klagte ihn nach langwierigen Ermittlungen dennoch an. Zwischenzeitlich hatten Gerüchte über eine Einstellung des Verfahrens die Runde gemacht, weil die Ankläger in einigen Punkten nacharbeiten mussten.