Berlin Ruhige 1. Mai-Demonstration in Berlin: Vereinzelt Rangeleien
Bei der abendlichen 1. Mai-Demonstration mit tausenden Menschen in Berlin sind gewaltsame Ausschreitungen weitgehend ausgeblieben. Zum Finale des Aufzuges in Kreuzberg gab es vereinzelt Rangeleien zwischen linksautonomen Demonstranten und Einsatzkräften.
Die Polizei sprach von rund 14.000 Menschen, die sich an der revolutionären 1. Mai-Demonstration linker und linksradikaler Gruppen beteiligten. Die Veranstalter nannten die Zahl von etwa 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Die Polizei zog eine positive Bilanz und sprach am späten Sonntagabend auf Twitter vom Eindruck des friedlichsten ersten Mai seit Jahrzehnten in Berlin. Es habe 37 Festnahmen gegeben. Darunter seien Menschen, die Einsatzkräfte gezielt mit Flaschen beworfen hätten, teilte die Behörde mit. Weitere Angaben zum Einsatz wollte die Polizei am Montag machen.
Jeder Angriff sei einer zu viel, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik nach dem Ende der Demonstration. "Dennoch haben wir an diesem 1. Mai eine noch geringere Gewaltbereitschaft festgestellt als im Vorjahr oder gar vor zehn Jahren."
Ein Großaufgebot der Polizei begleitete die Demonstration von Neukölln nach Kreuzberg. Insgesamt waren den ganzen Tag über fast 6000 Polizisten in Berlin im Einsatz. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte einige Tage vor dem 1. Mai gesagt, dass sie am Abend auch mit Gewaltausbrüchen rechne. 500 Teilnehmer aus der linksextremen Szene würden erwartet.
Am Endpunkt des Aufzuges, dem Oranienplatz, kam es zeitweise zu Auseinandersetzungen zwischen linksautonomen Demonstranten und Polizisten. Es flogen Flaschen und es gab Böllerwürfe auf Polizisten, wie ein dpa-Reporter beobachtete. Einsatzkräfte der Polizei setzten Reizgas ein. Auch bengalische Feuer waren zu sehen.
Die Veranstalter kritisierten das Agieren der Polizei. "Die Polizei hat bewusst am Oranienplatz die Eskalation gesucht, weil sie das starke Zeichen der Solidarität unserer Demonstration nicht einfach so stehen lassen konnte", teilte ein Sprecher mit.
Der Demonstrationszug, bei dem etliche Teilnehmende mit Mundschutz zu sehen waren, war vom Hertzbergplatz über die Sonnenallee in Neukölln gelaufen. Als kritischer Punkt an der Strecke galt das Kottbusser Tor, wo in einem Hochhaus die Einrichtung einer neuen, auch umstrittenen Polizeiwache geplant ist. Linke Gruppen protestierten gegen das Vorhaben an dem Ort mit viel Kriminalität und Partyleben. Dort blieb es jedoch vergleichsweise ruhig.
Später wurde auf der Demonstrationsstrecke ein Bauschutt-Container in Brand gesetzt. Auch ein Auto brannte, wie eine Sprecherin der Polizei sagte. Zuvor war der Aufzug immer wieder gestoppt worden, etwa um gezeigte Fahnen zu überprüfen. "Es kam zu Zwangsmaßnahmen (Schieben & Drücken) sowie Einsatz von Reizgas nach Angriffen durch Pyro, Schläge und Tritte Richtung der Polizeikräfte aus Teilen der Demo", teilte die Polizei am Abend bei Twitter mit.
In der riesigen Menge schwenkten Demonstranten Fahnen, auch Transparente waren zu sehen, mit denen Demonstranten unter anderem ihren Widerstand gegen den Kapitalismus zum Ausdruck brachten. "No war but class war" war auf einem Banner zu lesen. Der Protestzug wurde angeführt von einem Block vor allem türkisch- und arabischstämmiger Migranten als "Migrantifa".
Zudem beteiligten sich zahlreiche palästinensische Gruppen. Die Polizei hatte das erwartet, nachdem sie aus Sorge vor antisemitischen Vorfällen eine für Freitag geplante Demonstration palästinensischer Initiativen sowie Ersatzveranstaltungen verboten hatte - und Gerichte die Entscheidung bestätigt hatten. Viele Menschen schwenkten Palästina-Fahnen, andere skandierten "Free Palestine". In mehreren Reden wurde scharfe Kritik an der Politik Israels geäußert.
Das Jüdische Forum kündigte bei Twitter an, die Demo zu beobachten und antisemitische Vorfälle zu dokumentieren. Einige Transparente und Forderungen könnten als "Aufruf zur gewaltvollen Auslöschung des Staates Israels verstanden werden", hieß es später in einem Tweet des Forums. Die Polizei hatte im Vorfeld angekündigt auch auf Dolmetscher zurückzugreifen, um arabische Parolen übersetzen zu lassen und zu prüfen, ob sie volksverhetzend sind. Der Staatsschutz sei ebenfalls eingeschaltet, sagte ein Polizeisprecher.
Der 1. Mai war zudem geprägt von traditionellen Gewerkschaftskundgebungen. Dabei kam es am Brandenburger Tor zu einem Zwischenfall: Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wurde beschimpft und mit einem Ei beworfen worden. Ein Mitarbeiter wehrte die Wurfattacke jedoch mit einem Schirm ab. Sprecherinnen des Senats und des DGB bestätigten den Vorfall, der auch auf Videos bei Twitter zu sehen war. Giffey hielt dort eine Rede auf der zentralen 1. Mai-Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbunds.