Corona-Impstoff Astrazeneca-Stopp: Kritik an dänischem Vorgehen
Kopenhagen (dpa) - Nach dem vorübergehend gestoppten Einsatz des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca in Dänemark und anderen Staaten mehrt sich die Kritik am Vorgehen der Länder.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verwies auf die Europäische Arzneimittelbehörde EMA, die nach Beratung der Experten erklärt habe, dass es keine auffällige Häufung von Thrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gebe. Das für Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut komme zu derselben Einschätzung.
"Ich bedaure es, dass auf dieser Grundlage - Wissensstand jetzt Freitagvormittag - einige Länder in der Europäischen Union das Impfen mit Astrazeneca ausgesetzt haben", erklärte der CDU-Politiker. "Mit dem, was wir bisher wissen, ist der Nutzen (...) bei weitem höher als das Risiko." Es gebe nach derzeitigem Stand keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankungen. Auch der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, sagte, es gebe derzeit keinen Hinweis auf statistische Auffälligkeiten.
Dänemark hatte am Donnerstag bekanntgegeben, die Impfungen mit dem in der EU zugelassenen Präparat des britisch-schwedischen Unternehmens Astrazeneca für 14 Tage auszusetzen. Als Grund nannte die dänische Gesundheitsverwaltung Berichte über schwere Fälle von Blutgerinnseln, nachdem Menschen mit dem Präparat geimpft worden seien, darunter auch ein Todesfall in Dänemark. Zugleich machten die Dänen klar, dass man noch nicht feststellen könne, ob ein Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und den Blutgerinnseln bestehe.
In der Folge hatten auch andere Staaten wie Norwegen, Island, Thailand und Bulgarien die Impfungen mit dem Astrazeneca-Mittel ausgesetzt. Einige EU-Länder wie Schweden und Polen erklärten dagegen, an dem Impfstoff festzuhalten. Auch Deutschland setzt die Impfungen mit diesem Präparat nicht aus.
Wegen eines Todesfalls und drei Erkrankten hatte zuvor Österreich vorsorglich die Verwendung einer bestimmten Charge des Impfstoffs ausgesetzt. Auch andere damit belieferte Länder wie Estland und Litauen legten die Charge vorsorglich auf Eis. Nach Deutschland war die Charge nicht geliefert worden. Nach Angaben der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau handelt es sich bei dem Todesfall in Dänemark um eine 60-Jährige, auch ihre Impfung stamme aus dieser Charge.
Astrazeneca wies Sorgen vor schweren Nebenwirkungen seines Präparats am Freitag zurück. "Eine Analyse unserer Sicherheitsdaten von mehr als 10 Millionen Datensätzen hat keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Lungenembolien oder tiefe Venenthrombosen gezeigt", teilte ein Konzernsprecher am Freitag mit. Das gelte für alle Altersgruppen, Geschlechter, Länder oder Chargen des Astrazeneca-Impfstoffs. "Tatsächlich kommen diese Ereignisse unter Geimpften sogar seltener vor als in der Allgemeinbevölkerung", hieß es weiter.
Rückendeckung bekam Astrazeneca auch von der EMA. Diese kam zu dem Schluss, dass der Anteil der Thrombosekranken nach einer Impfung mit dem Präparat dem spontanen Auftreten dieser Erkrankung in der Normalbevölkerung entspricht. Bis zum 10. März hat die EMA 30 Fälle von "thromboembolischen Ereignissen" bei fast fünf Millionen mit dem Astrazeneca-Mittel geimpften Menschen registriert.
Wie Spahn verwies auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf die EMA-Beurteilung. Die WHO lässt sich bei Beurteilungen von einem Impfausschuss unabhängiger Experten beraten. Die Experten tagten mindestens alle zwei Wochen und würden sämtliche Präparate und Studien laufend prüfen, sagte eine WHO-Sprecherin. Sie beschäftigten sich zur Zeit auch mit den Berichten über Astrazeneca. Wann der Ausschuss sich dazu äußern wird, konnte die Sprecherin nicht sagen.
Deutsche Experten sehen nach derzeitigem Kenntnisstand ebenfalls keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Blutgerinnseln und der Impfung mit dem Astrazeneca-Präparat - dafür aber mögliche Schäden durch das dänische Vorgehen. "Bereits jetzt ist ein Schaden gesetzt - nicht durch den Impfstoff selbst, sondern durch eine Aussetzung der Impfkampagne in einigen europäischen Ländern wie Dänemark und Norwegen", schrieb der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner in einer Stellungnahme für das Science Media Center.
Nach Ansicht des Direktors des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene der Universität Jena, Mathias Pletz, könnte die dänische Entscheidung mehr schaden als nutzen. Blutgerinnsel, die vereinzelt nach der Corona-Impfung registriert wurden, kämen bei schwerkranken Covid-19-Patienten sehr häufig vor, sagte Pletz. Durch das Aussetzen der Impfungen in Dänemark für zunächst zwei Wochen sei es sehr wahrscheinlich, dass nun mehr Menschen an Covid-19 erkrankten als ohne diese Entscheidung - und etwa fünf Prozent davon sicher auch schwer. So könnten folglich auch mehr Thrombosen entstehen.