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RAF-Mord: Die Killer kamen mit Rosen und Pistolen


Bankier Ponto erschossen
Dieser hinterhältige Mord läutete den Deutschen Terror-Herbst ein

dpa-afx, Marc von Lüpke

30.07.2017Lesedauer: 3 Min.
Am 30. Juli 1977 ermordeten Mitglieder der Terrorgruppe RAF den Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, in seiner Villa. Polizisten sicherten später den Tatort später.Vergrößern des Bildes
Am 30. Juli 1977 ermordeten Mitglieder der Terrorgruppe RAF den Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, in seiner Villa. Polizisten sicherten später den Tatort später. (Quelle: Heinz Wieseler/dpa)
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Mit fünf Schüssen ermordete ein RAF-Kommando vor 40 Jahren Jürgen Ponto. Der Chef der Dresdner Bank hatte den Terrortrupp mit Tee bewirten wollen.

"Da sind die Susanne und noch zwei Herrschaften", kündigte Jürgen Pontos Sekretär am 30. Juli 1977 Besuch an. Die Villa des Vorstandssprechers der Dresdner Bank war gut gesichert, seit Jahren terrorrisierte die "Rote Armee Fraktion" (RAF) Westdeutschland. Bei "Susanne" handelte es sich um Susanne Albrecht, die ältere Schwester von Pontos Patenkind, eine enge Bekannte.

Der Mann und die Frau, die die 26-jährige Susanne Albrecht mit zum Teetrinken in Pontos Villa im hessischen Oberursel brachte, hießen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt. Beide waren Angehörige der RAF. Was Ponto nicht wusste: Auch Susanne Albrecht, die Ponto "Onkel" nannte, war mittlerweile Mitglied der Terrorvereinigung.

Bei sich führte das Trio einen Strauß Rosen - und Pistolen, um Ponto zu entführen. Schließlich ermordeten Klar und Mohnhaupt den Bankchef mit fünf Schüssen entgegen ihren Plänen. Die Täter entkamen.

Mord und Entführung

Pontos Ermordung durch die RAF gilt als Auftakt zur Terror-Offensive im sogenannten "Deutschen Herbst". Dieser Zeitraum gipfelte in der Entführung und späteren Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, der Entführung des Lufthansa-Jets "Landshut" ins somalische Mogadischu und dem kollektiven Selbstmord der verurteilten RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe.

Ponto hatte offenbar gekidnappt werden sollen, um die in Stuttgart-Stammheim einsitzenden RAF-Terroristen der ersten Generation wie Baader freizupressen. Der Plan scheiterte allerdings, warum ist ungewiss: Klar und Mohnhaupt folgten Ponto in die Küche, als er eine Vase für die mitgebrachten Rosen holen wollte. Ob sich der Banker handgreiflich gegen die geplante Entführung gewehrt hat oder die Terroristen ohne Anlass die Nerven verloren und geschossen haben, wie Albrecht später nahe legte?

Untergetaucht in Ost-Berlin

Aufgrund des fast verwandschaftlichen Verhältnisses zwischen Ponto und Susanne Albrecht galt der Mord an dem Bankier als besonders perfide. Daran zerbrach nicht nur die enge Freundschaft der beiden Familien Albrecht und Ponto. Auch innerhalb der Albrechts und Pontos selbst entstanden tiefe Risse - ein Spiegelbild dessen, was viele bürgerliche Familien infolge des "Deutschen Herbstes" erlebten.

Susanne Albrecht, die nie zur RAF-Kommandoebene gezählt hat, tauchte später in der DDR unter. Sie lebte zusammen mit Mann und Kind unter falschem Namen in einem Plattenbau in Berlin-Marzahn als Lehrerin. Die Stasi hatte ihr dies ähnlich wie anderen RAF-Leuten ermöglicht. Nach dem Fall der Mauer stand Albrecht 1991 vor Gericht. Da sie sich als Kronzeugin zur Verfügung stellte und sich grundlegend von ihren Tagen distanzierte, verurteilte sie das Oberlandesgericht Stuttgart lediglich zu zwölf Jahren. Nach sechs Jahren kam sie aus der Haft frei - und unterrichtete anschließend an einer Schule in Bremen.

Versöhnung nach Jahrzehnten

Klar und Mohnhaupt wurden bereits 1985 wegen neunfachen Mordes und elffachen Mordversuchs zu je fünf Mal lebenslanger Haft plus 15 Jahren verurteilt. Die beiden, die als Rädelsführer der zweiten RAF-Generation galten, sind inzwischen frei.

Viele Jahre hat es gedauert, bis sich die Familien Albrecht und Ponto nach dem Mord wieder annäherten. Zu verdanken ist dies einer Initiative von Julia Albrecht, der Patentochter Pontos, die 13 Jahre jünger als ihre Schwester Susanne ist. Für den Versuch der Aufarbeitung des Traumas gewann Julia Albrecht wiederum Pontos Tochter Corinna. "Patentöchter" - der Vater Albrechts war wiederum Pate von Corinna Ponto - nannten sie das daraus im Jahr 2011 entstandene Buch.

Mit Vorwürfen überschüttet

Pontos Witwe Ignes begleitete das Projekt wohlwollend. Sie war 1977 nach der Tat mit ihren beiden damals schon erwachsenen Kindern in die USA geflüchtet. Dort baute sich die Familie ein neues Leben auf. Mutter und Tochter sind aber inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. In Übersee geblieben ist dagegen Sohn Stefan, der sich dann 2014 in einem "Spiegel"-Interview zur Wort meldete und seine Familie kritisierte. Das Buch zur Aufarbeitung des Mordes nannte er "unerträglich".

Auch die Albrechts leiden weiter. Nach der Annäherung an Corinna Ponto hat die Journalistin Julia Albrecht ihre Familiengeschichte für die ARD dokumentiert. In der TV-Dokumentation vom Mai 2015 spricht ihr einziger Bruder Matthias von seiner großen Schwester - der inzwischen 66-jährigen Susanne Albrecht - als der "eigentlichen Zerstörerin unserer Familie". Sich selbst sieht er auch als Opfer, wenn auch ein "Opfer zweiter Klasse". Nach dem Mord zog er sich 1977 - wie die Pontos - ins Ausland zurück.

Schweigen über das Geschehene

Die Hauptfigur hat sich am TV-Projekt nicht beteiligt. Susanne Albrecht, die inzwischen einen anderen Namen trägt, schweigt - genauso wie fast alle anderen RAF-Mitglieder, die inzwischen "resozialisiert" sind. "Susanne spricht nicht über das Geschehene, jedenfalls nicht öffentlich", sagt ihre Schwester Julia. "Und unsere Versuche im Privaten sind irgendwann kläglich gescheitert."

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