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Rheinmetall: Das machte das Rüstungsunternehmen im Zweiten Weltkrieg?


Verstaatlichung und Zwangsarbeit
Die NS-Verstrickungen von Rheinmetall


24.08.2024Lesedauer: 4 Min.
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Rheinmetall: Das deutsche Rüstungsunternehmen stellt seine Geschichte zumindest unvollständig dar. (Quelle: IMAGO/Michael Bihlmayer/imago-images-bilder)

Rheinmetall war während des Zweiten Weltkriegs ein wichtiger Teil des NS-Staatsapparats. Auf der firmeneigenen Website wird dieser Teil der Geschichte allerdings nur sehr verkürzt und teilweise auch gar nicht dargestellt.

Hugo Boss, BMW, Porsche und viele andere: Einige der größten deutschen Unternehmen haben eine dunkle Vergangenheit. Während sich manche Firmen um Aufklärung bemühen, versuchen andere, ihre NS-Verstrickungen zu verschweigen. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall vermittelt gerne das Bild, er gehe mit seiner Geschichte transparent um. Doch das stimmt nur zum Teil.

Auf seiner Website arbeitet das Düsseldorfer Unternehmen vor allem die Zeit während des Zweiten Weltkriegs in einem Text auf. In dieser Zeit hatte Rheinmetall einen besonders hohen Stellenwert für das NS-Regime. Daher wurde es vollständig vom Staatsunternehmen Reichswerke Hermann Göring übernommen. Diese und weitere heikle Informationen finden sich allerdings nicht im Text auf der Firmen-Website.

Bürokratie verhinderte den "Endsieg"?

Viel mehr beschreibt das Unternehmen, mit welchen Herausforderungen es während des Krieges zu kämpfen hatte. Demnach seien zahlreiche Arbeiter zum Fronteinsatz eingezogen worden. An ihrer Stelle hätten Frauen und Zwangsarbeiter die Rüstungsproduktion übernommen. Die Bürokratie sei jedoch nicht von Fronteinsätzen betroffen gewesen, moniert das Unternehmen.

In dem Text, der die Firmengeschichte während des Zweiten Weltkriegs aufarbeiten soll, beklagt das Unternehmen, zu sehr von der Bürokratie aufgehalten worden zu sein. "Selbst die für den immer noch erhofften 'Endsieg' notwendige Waffenfertigung wurde durch sie immer wieder ausgebremst", schreibt der Rüstungskonzern.

Geld für rechtsextreme Organisation

Doch die NS-Verstrickungen reichen noch viel weiter zurück. Als Arbeiter der Fabrik in Berlin 1918 ihre Waffen niederlegten, trugen sie so zum Ende des Ersten Weltkriegs bei. Verschiedene Strömungen versuchten, in der Folge das Machtvakuum zu füllen.

Für die Arbeiterbewegung setzten sich Personen wie Rosa Luxemburg oder Karl Liebknecht ein. Aber auch rechtsextreme Strömungen und Organisationen wie die sogenannte Antibolschewistische Liga entstanden zu dieser Zeit. Diese Antibolschewistische Liga, die später in "Liga zum Schutze der deutschen Kultur" umbenannt wurde, wurde auch mit Geldern aus den Kassen von Rheinmetall finanziert.

Geld für die Ermordung Rosa Luxemburgs

Mit dem Geld deutscher Unternehmen bezahlte die Organisation Militäreinsätze von Freikorps gegen den Berliner Januaraufstand. Auch die Auftragsmorde an den sozialistischen Politikern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden so finanziert. 1935 wurden die Erinnerungen des Gründers der Antibolschewistischen Liga, Eduard Stadtler, veröffentlicht. Dadurch bestätigten sich die Verstrickungen großer deutscher Unternehmen in der Vereinigung.

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Gefechtsstand mit MG in der Frankfurter Allee in Berlin während des Spartakusaufstands im Januar 1919 (Quelle: IMAGO / Arkivi/imago-images-bilder)

Berliner Januaraufstand

Der Berliner Januaraufstand oder auch Spartakusaufstand war ein Generalstreik, der im Januar 1919 auch zu bewaffneten Kämpfen führte. Um den Streik zu zerschlagen, waren bereits Anfang Dezember 1918 Freikorps, also bewaffnete Verbände aus Freiwilligen und ehemaligen Frontsoldaten, gebildet worden.

Als das Unternehmen Rheinmetall 1933 in Konkurs ging, wurde es durch die Nationalsozialisten gerettet. Ab diesem Zeitpunkt stieg der Einfluss des Staates auf das Unternehmen immens. Während des Zweiten Weltkriegs machte sich das auch für Rheinmetall bezahlt. Die Rheinmetall-Borsig AG, wie der Betrieb nach Übernahme des Lokomotivherstellers Borsig ab 1936 hieß, öffnete weitere Produktionsstätten. Auch unzählige Zwangsarbeiter wurden der Waffen- und Munitionsproduktion zugeteilt.

Zwangsarbeiter aus Auschwitz

Allein der niedersächsische Standort Unterlüß in der Lüneburger Heide war von Lagern mit Tausenden Insassen umgeben. Viele von ihnen, darunter vor allem Personen jüdischen Glaubens aus Ungarn, wurden bei Rheinmetall eingesetzt. Auch Zwangsarbeiter vom Außenlager Tannenberg des Konzentrationslagers Bergen-Belsen kamen bei Rheinmetall zum Einsatz. Teilweise wurden diese auch von Auschwitz nach Niedersachsen verlegt.

1944 wurde Rheinmetall in das Staatsunternehmen Reichswerke Hermann Göring eingegliedert. Für dieses allein arbeiteten mehr als 300.000 Zwangsarbeiter. Viele Tausend kamen bei Rheinmetall zum Einsatz.

"Nicht schlecht behandelt worden"

Dass "zahlreiche Zwangsarbeiter" bei Rheinmetall-Borsig "beschäftigt" waren, bestätigt das Unternehmen. Über die Schicksale der Zwangsarbeiter habe man allerdings lange Zeit wenig gewusst, heißt es im Text auf der Firmen-Website. Erst als sich Betroffene direkt bei Rheinmetall meldeten, habe der Konzern mehr über sie erfahren. Um aus dem 1999 eingerichteten Stiftungsfonds der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft Entschädigungsgelder zu erhalten, hätten ehemalige Zwangsarbeiter eine Bestätigung von Rheinmetall über ihre Zwangsarbeit benötigt.

In der Folge erzählt die Firma die Geschichte eines Sascha A., der während des Zweiten Weltkriegs als Zwangsarbeiter im Düsseldorfer Werk arbeiten musste und sich später für den Bescheid bei Rheinmetall meldete. Sascha A. betont, wie "gutherzig und gütig" die deutschen Arbeiter zu den Zwangsarbeitern gewesen seien. Er habe zwar neben einem Faschisten arbeiten müssen, der "alle Kommunisten an der Ostfront erschießen wollte". Im Text wird anschließend aber betont: "Damit sagt A. nicht, dass er von ihnen schlecht behandelt worden sei."

"Besonders anrührend" wirke A.s Geschichte, da er sich mit dem Malen verschiedener Porträts noch Geld dazuverdiente, heißt es weiter. Zwar wird das große Leid, "das Zwangsarbeitern auch bei Rheinmetall in Düsseldorf, Berlin und anderswo widerfahren ist", kurz erwähnt. Detaillierter beschreibt der Text dieses Leid allerdings nicht.

Hitlers "Größenwahn"

Im weiteren Verlauf des Textes wird die Geschichte zweier Landwirte, deren Hof einer Rheinmetall-Produktionsstätte weichen musste, erzählt. Auch die Reichswehr habe auf dem Grundstück der Vertriebenen geübt, heißt es. Der Hof sei mittlerweile wieder in Betrieb, und ein Familienmitglied habe selbst über 37 Jahre bei Rheinmetall gearbeitet, schließt der Text die Geschichte ab.

Abschließend werden im Text noch unterschiedliche Waffen und Geschosse vorgestellt, die Rheinmetall als Ergebnis von Hitlers "Größenwahn" baute. Eine kritische Aufarbeitung der Geschichte, in welchem Ausmaß das Unternehmen von der NS-Zeit profitierte, wie und ob Zwangsarbeiter durch das Unternehmen entschädigt wurden, wird nicht im Text erwähnt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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