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Waldbrände in Deutschland: Katastrophenschutz ist schlecht gewappnet


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"Muss dringend professioneller werden"
Der Katastrophenschutz ist für Waldbrände schlecht gewappnet

Von Horand Knaup

Aktualisiert am 04.07.2019Lesedauer: 5 Min.
Waldbrand in Brandenburg: In Deutschland mangelt es an der nötigen Ausstattung für die Bekämpfung heftiger Feuer.Vergrößern des Bildes
Waldbrand in Brandenburg: In Deutschland mangelt es an der nötigen Ausstattung für die Bekämpfung heftiger Feuer. (Quelle: Julian Stähle/dpa)
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Seit Tagen lodert in Mecklenburg-Vorpommern ein riesiger Waldbrand – und wirft ein Schlaglicht auf den Katastrophenschutz. Ausstattung wie Ausbildung sind den Anforderungen nicht gewachsen.

Am Tag drei wurde es ernst: Die Ministerpräsidentin unterbrach ihren Sommerurlaub in Frankreich, aus Berlin eilte ein Staatssekretär herbei und die Bundeswehr schickte schwere Bergepanzer nach Lübtheen, rund 50 Kilometer südwestlich von Schwerin. Auf 1.200 Hektar hatte sich das Feuer rund um das Örtchen bereits ausgebreitet, und insgesamt 3.000 Feuerkämpfer und Unterstützer am Boden und ein gutes halbes Dutzend Löschhubschrauber bekamen die Flammen nicht in den Griff.

Im Gegenteil: Das Feuer arbeitete sich weiter in Richtung der Flächen vor, auf denen aus Kriegs- und Übungszeiten hunderte von Tonnen Munition liegen. Erst am Mittwoch zeichnete sich Entspannung ab.

Der Klimawandel hat Deutschland eine neue Herausforderung beschert: die Gefahr von großflächigen, verheerenden Waldbränden. Im vergangenen Hitze-Sommer brannte im gesamten Bundesgebiet so viel Fläche wie seit Jahrzehnten nicht: 2.350 Hektar standen insgesamt in Flammen. In den Jahren davor waren es 120 bis 500. Die Zahl dürfte nach den Großfeuern, die es in diesem Jahr schon gab, für 2019 mindestens genauso hoch ausfallen.

Lange waren große Waldbrände ein Problem der Ferne

Jahrzehntelang schienen riesige Waldbrände eher ein Problem der Mittelmeerstaaten. Alle Sommer wieder baten Portugal und Spanien, Frankreich und Griechenland um internationale Unterstützung. Das Problem schien exotisch und fern, es belästigte die Deutschen allenfalls im Urlaub.

Doch inzwischen ist erkennbar: Die Bedrohung ist näher gerückt. Sehr nahe. Wochenlanges Löschen im vergangenen Jahr in Brandenburg südlich von Potsdam, vier Wochen Moorbrandbekämpfung bei Meppen im Emsland und nun der größte Waldbrand in der Geschichte von Mecklenburg-Vorpommern. "Es wird mehr brennen", warnt der promovierte Sachverständige für Katastrophen- und Brandschutz, Horst Schöttler und spricht von einer "signifikanten Veränderung der Waldbrandgefahr."

Ist der deutsche Katastrophenschutz gerüstet?

Für die Feuerwehren des Landes ist alles im Lot. Der "sehr gute Brandschutz in Deutschland mit 1,2 Millionen Feuerwehrkräften an 32.000 Standorten" verfüge über "sehr gute Ortskenntnisse und sehr kurze Eingreifzeiten, gute Infrastruktur in den Wäldern sowie kurze Meldezeiten", erklärte Karl-Heinz Knorr, Vize-Geschäftsführer des Deutschen Feuerwehrverbandes, noch im vergangenen Jahr in der Fachzeitschrift "Feuerwehr-Magazin".

Und der Geschäftsführer des Verbandes der Feuerwehren (VdF) in Nordrhein-Westfalen, Christoph Schönenborn, vermeldete: "Es gibt in Deutschland genug Spezialisten zur Bekämpfung von Waldbränden."

Vielseitige Probleme für zielgerichtete Bekämpfung von Waldbränden

Inzwischen scheinen Zweifel daran angebracht. Gleich aus mehreren Gründen:

  • Problem Föderalismus: Für den Katastrophenschutz sind in Deutschland die Länder zuständig, für die Feuerwehren die Kommunen. Häufig tragen überforderte Landräte als Leiter der Unteren Katastrophenschutzbehörde die Verantwortung für die Koordination der Großlagen. Einen koordinierten länderübergreifenden Katastrophenschutz gibt es im Friedensfall nicht.
  • Problem Löschflugzeuge: Deutschland hat bis heute keine wirklich einsatzfähigen Löschflugzeuge. Ein privater Anbieter in Bayern hält zwei kleine Maschinen vor, die jedoch nicht angefordert werden. Zumeist müssen Helikopter der Bundespolizei oder der Bundeswehr helfen. Die jedoch sind vielfach nur bedingt einsatzbereit und können maximal 5.000 Liter Wasser abwerfen.
  • Problem Ehrenamt: Bei Waldbränden müssen zumeist ehrenamtliche Feuerwehren ans Gerät. Ihr Personal ist zwar hochmotiviert, aber nur bedingt ausgebildet und häufig unzureichend ausgerüstet.
  • Problem Ignoranz: Die größte Hypothek aber ist womöglich die Arroganz. Im Rahmen ihres 500-Millionen-Euro schweren rescEU-Katastrophenschutz-Programms hatte die EU-Kommission ein Programm aufgelegt, wonach jedes Mitgliedsland Löschflugzeuge beschaffen kann, deren Kosten zu 75 Prozent von der EU finanziert werden. Die Bundesregierung und die Länder lehnten ab, obwohl der zuständige EU-Kommissar Christus Stylianides zahlreiche Landeshauptstädte persönlich aufgesucht hatte.

Traumata der Vergangenheit sind verarbeitet – und vergessen?

Vor über 30 Jahren, so scheint es, hat Deutschland die Beschäftigung mit dem Thema Waldbrandbekämpfung weitgehend eingestellt. Das Trauma des verheerenden Brandes in der Lüneburger Heide von 1975 schien verarbeitet, die Gefahr großflächiger Bodenbrände kalkulierbar. So gibt es im Land bisher kaum eine intensivere Befassung mit dem Thema, es gibt keine Flugzeuge, keine Piloten, kaum Feuerwehrleute, die die Luftunterstützung vom Boden aus steuern können, nur eine überschaubare wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Und so soll es offenbar auch bleiben.

Bereits 2014 hat der Düsseldorfer Branddirektor Ulrich Cimolino eine Dissertation vorgelegt, in der er sich mit der nationalen Fähigkeit auseinandersetzte, Vegetationsbrände also Waldbrände erfolgreich zu bekämpfen. Es war eine überaus kritische Bestandsaufnahme. Es gebe kaum Erfahrungsberichte der Wehren, die über die reine Dokumentation hinausgingen, erfahrungsgemäß würden "Ausmaß und Erfolge eher übertrieben und Fehler verharmlost." Für Löschflugzeuge gebe es keine ausgebildeten Piloten, für Führungskräfte kaum spezialisierte Lehrgänge und: "Jedes Bundesland hat andere Strukturen – oder gar keine – für die Einbindung der Unterstützung aus der Luft."

Auch der Brandexperte Schöttler sagt: "Ich wundere mich, dass man auf Flugzeuge verzichtet." Die Länder-Kompetenz sei suboptimal, zugleich sei es "völlig unverständlich, dass die Bundesregierung schläft." Sie komme ihrer Verpflichtung zur länderübergreifenden Koordination nicht nach, sie sei "erster Ansprechpartner der EU-Kommission."

Freiwillige Feuerwehren oft "eher Brandhelfer"

Hinzu kommt: Waldbrände finden naturgemäß zumeist in der Provinz statt. Dort aber ist die Feuerwehr fest in ehrenamtlicher Hand, professionelle Herangehensweisen sind eher unbekannt, und insgeheim gilt auch dort immer noch die Philosophie, die der "Spiegel" nach dem Heide-Brand 1975 zur Schlagzeile machte: "Unser Feuer machen wir selber aus." Brandexperte Schöttler sagt: "Zehn bis 15 Prozent der Freiwilligen Feuerwehren sind gut ausgerüstet und ausgebildet. Alle anderen sind eher Brandhelfer." Schöttler spricht von einem "großen Problem und hohen Risiko."

So kommt auch die Debatte über Löschflugzeuge nicht wirklich voran. Im Mittelmeerraum sind sie das Mittel der Wahl, ohne Flugzeuge wären nach Meinung von Fachleuten die Flammen in den Wäldern Schwedens im vergangenen Sommer nicht zu stoppen gewesen. Auch der Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz der Bundesregierung von 2018 empfahl die Anschaffung von Löschflugzeugen.

Doch die deutschen Feuerwehr-Funktionäre sind dagegen. Und die Feuerwehren will sich kein Politiker zum Feind machen. Der Präsident des Verbandes, Hartmut Ziebs, erklärte unlängst noch einmal, Löschflugzeuge seien "nicht die Strategie und die Taktik der deutschen Feuerwehren." Weil sie teuer seien, sich nur wenige Gewässer zur Wasserentnahme eigneten und überwiegend auch die Topographie ein Problem darstelle. Die Wehrleute setzen auf zusätzliche Lösch-Helikopter.

Mangelndes Problembewusstsein auf Bundes- und Landesebene

Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung derweil mit gepflegtem Desinteresse. Bereits im vergangenen September teilte sie auf eine kleine Anfrage des FDP-Abgeordneten Benjamin Strasser mit, der Aufbau einer EU-eigenen Task Force werde "weiterhin kritisch beurteilt." Ein funktionierender nationaler Katastrophenschutz dürfe "nicht durch die Schaffung EU-eigener Vorhaltungen und Bewältigungskapazitäten eingestellt oder reduziert werden." Davon war allerdings nie die Rede.

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Vor wenigen Wochen erklärte die Regierung auf eine Frage der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic, ihr lägen "keine Informationen vor, ob seitens der Länder Planungen bestehen oder Maßnahmen geplant sind, die Zahl der Löschflugzeuge zu erhöhen oder andere Mittel der Waldbrandbekämpfung aus der Luft zu fördern." Im Juni hieß es auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion: "Der Katastrophenschutz liegt in der Zuständigkeit der Länder, der Brandschutz in der Zuständigkeit der Kommunen."

Kaum anders sieht es in den Bundesländern aus. In Hessen nannte Innenminister Peter Beuth, CDU, die Brüsseler Absicht, den Katastrophenschutz EU-weit zu forcieren, Ende 2017 "eine Katastrophenidee." Beuth: "Wir haben in Deutschland ein effizientes und gut funktionierendes Katastrophenschutzsystem." Im von SPD und Linkspartei regierten Brandenburg legte der Freiburger Waldbrandspezialist Johann Goldammer (Global Fire Monitoring Center) der Regierung bereits 2015 einen umfangreichen Bericht mit Empfehlungen für die Brandbekämpfung vor, insbesondere in munitionsbelastetem Gelände. Die Reaktion der Regierung: "Kein Handlungsbedarf."


So kämpfen die Brandenburger Feuerwehrleute in den Wäldern des Landes weiter mit unzureichender Ausrüstung. Nicht nur FDP-Mann Strasser fordert inzwischen vehement: "Deutschland muss bei der Waldbrandbekämpfung dringend professioneller werden."

Verwendete Quellen
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