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Ausbildung und Corona | "Wir Studierende wurden von der Politik völlig vergessen"


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Ausbildung und Corona
"Wir Studierende wurden von der Politik völlig vergessen"

InterviewVon Charlotte Janus

24.01.2021Lesedauer: 4 Min.
Student Tom ZinramVergrößern des Bildes
Student Tom Zinram: Währende der Corona-Pandemie ist vieles verlorengegangen, das das Studierendenleben zuvor ausgemacht hat. (Quelle: Talent Exchange LTD/imago images/Peter Udo Maurer)

Der Student Tom Zinram vermisst Konzepte für Hochschulen in der Corona-Krise. Er berichtet von den Hürden, die Studierenden während der Pandemie im Wege stehen und hat eine Forderung an die Politik.

Leere Hörsäle, keine gemeinsame Mittagspause in der Mensa, stattdessen permanent in den Laptop gucken. Uni findet online statt. Und das inzwischen seit fast einem Jahr. Viele Studienanfänger haben ihre Kommilitonen nie persönlich kennengelernt. Doch das ist gar nicht mal das größte Problem. Der Journalismus-Student Tom Zinram berichtet von Kommunikationsproblemen in der Lehre auf Distanz, erklärt, warum der Aufschub von Veranstaltungen für ihn keine Lösung ist und formuliert klar, was er jetzt von der Regierung erwartet.

t-online: Wie hat sich Ihr Studium durch die Corona-Krise verändert?

Tom Zinram: Corona kam wie eine Welle über uns. Erst wurde der Semesterstart verschoben und dann kurzfristig komplett auf Onlinelehre umgestellt. Ich hatte noch nie zuvor Unterricht über den Laptop gehabt. Es war zunächst befremdlich und auch ziemlich unstrukturiert. Viele Studierende hatten Probleme. Ich bin als Matrikelsprecher für mein Semester zuständig. In dieser Funktion haben mich dann auch Beschwerden erreicht.

Tom Zinram ist 21 Jahre alt und studiert im dritten Semester Journalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Seit dessen Gründung im Jahr 2018 ist er im Leserbeirat von t-online engagiert. Als Matrikelsprecher seines Semesters haben ihm viele Kommilitonen in den vergangenen Monaten ihr Leid geklagt.

Worum ging es dabei hauptsächlich?

Ein besonders großes Problem war die Kommunikation. Die Dozierenden haben jeweils unterschiedliche Systeme genutzt. Alle Informationen, Termine und Aufgaben sind plötzlich über die verschiedensten Accounts auf uns eingeprasselt. Dadurch ist einem dann schnell auch mal etwas durchgerutscht.

Hat sich die Situation mit der Zeit gebessert oder herrschen inzwischen eher Ermüdungserscheinungen vor?

Sowohl als auch. Die Hochschule hat alles darangesetzt, eine gute Lehre sicherzustellen und auch der Informationsaustausch hat sich mit der Zeit verbessert. Aber ich sehne mich sehr nach dem Tag, an dem man die Hochschule wieder betreten kann. Im letzten November hatten wir eine Veranstaltung vor Ort: Das journalistische Interview. Das kannte ich so gar nicht mehr. Es ist ein großer Wunsch von mir, dass das alles wieder ermöglicht wird.

Haben Sie eine Idee, wie man das Studium in der aktuellen Lage besser organisieren könnte?

Wir hatten den ganzen Sommer Zeit, uns Gedanken zu machen und Hygienekonzepte zu entwickeln. Unsere Hochschule hatte auch gute Pläne für Präsenzlehre. Wenn ich jetzt sehe, dass beispielsweise Profisport mit vielen Kontakten erlaubt ist, fehlt mir das Verständnis dafür, dass ein Uniseminar mit gutem Konzept nicht vor Ort durchgeführt werden kann.

Ich hätte mir mehr Einsatz von der Regierung für Studierende gewünscht. Ständig wurde darüber diskutiert, wie es mit den Schulen weitergeht. Für die Hochschulen haben solche Überlegungen komplett gefehlt. Wir wurden von der Politik völlig vergessen.

Was würden Sie konkret von der Regierung fordern?

Ich wünsche mir deutliche Ansagen und klare Strukturen. Die Regierung muss sich zusammensetzen und Konzepte entwickeln, wie es für uns weitergehen kann. Besonders wichtig ist finanzielle Unterstützung. Aber wir brauchen auch eine Perspektive, wie wir in gewisser Form in den Präsenzunterricht zurückkehren können. Auch wenn die Pandemie noch länger andauern sollte. Es ist eine schwierige Zeit, aber man muss halt auch mit dieser schwierigen Zeit so gut wie möglich umgehen.

Ist denn Präsenz für Sie auch unter den Bedingungen der Pandemie immer die bessere Lösung?

Präsenzlehre ist in jedem Fall besser für die Kommunikation. Ich kann nicht für alle Studiengänge sprechen. Aber Journalismus ist sehr praxisbezogen. Es kommt auf Empathie und Einfühlungsvermögen an und auch auf Schlagfertigkeit. Sowas lernt man nicht vor dem Laptop. Praxisveranstaltungen werden aber gerade immer wieder verschoben. Das kann so nicht weitergehen.

Uni sollte ein Ort der Begegnung sein. Aber die meisten aus dem Studium habe ich seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Man sollte auch mal andere Studiengänge kennenlernen und über den eigenen Tellerrand blicken. Leider ist das aktuell gar nicht möglich.

Warum ist Aufschub für Sie keine Option?

Die Hochschule hat uns zum Glück ermöglicht, Kurse aus höheren Semestern, die online besser umzusetzen waren, vorzuziehen. Trotzdem: Man kann nicht immer alles bis ins Unermessliche vor sich herschieben. Damit kommen wir nicht weiter. Wir wissen ja gar nicht, wie lange der Lockdown gehen wird. Bis Ostern? Bis Mai? Oder noch länger?

Wenn man Kurse und Prüfungen immer weiter schiebt, müssen wir sie am Ende vielleicht trotzdem online machen, weil sich die Situation nicht bessert. Oder das Studium verlängert sich. Es wird oft gesagt, man könne alles irgendwann nachholen. Aber die Zeit schreitet trotz Corona weiter voran. Was wir jetzt nicht lernen, wird uns noch viele Jahre begleiten.

Gibt es denn auch etwas, das Sie im Studium speziell aus der Krisensituation gelernt haben und für die Zukunft mitnehmen?

Ganz klar, sich auf spontane Situationen einzustellen. Außerdem bin ich meinen eigenen Schwächen begegnet. Ich war überhaupt nicht technikaffin. Sobald eine Aufgabe technisch wurde, habe ich sie abgegeben. Plötzlich waren wir durch die neue Situation ganz auf uns allein gestellt und mussten uns auch mit Dingen auseinandersetzen, die wir sonst eher gemieden haben. Insgesamt hat mich die Krise selbstständiger gemacht. Außerdem haben wir, glaube ich, alle gelernt, mit extremen Stresssituationen umzugehen. Ich bin unserer Studiengangsleiterin sehr dankbar, dass sie in der Phase immer für uns ansprechbar war.

Viele Studierende haben zusätzlich auch noch finanziell zu kämpfen.

Absolut. Dadurch, dass die Läden nun geschlossen sind und auch andere Erwerbsmöglichkeiten für Studierende wegfallen, wird es bei vielen finanziell sehr eng. Gerade für diejenigen die kein Bafög bekommen. Für besonders Bedürftige wurden vom Bund Soforthilfen von bis zu 500 Euro pro Monat angeboten, die man nicht zurückzahlen musste. Wer dieses Geld nicht erhielt und als besonders förderungswürdig befunden wurde, konnte 450 Euro für das Semester von der Hochschule erhalten. Das hat kurzfristig geholfen. Aber es bleibt schwierig.

Zwar sind viele zu ihren Eltern in die Heimat zurückgekehrt, doch die laufenden Kosten bleiben bestehen. Man kann Wohnung oder WG-Zimmer nicht einfach kündigen. Wir sitzen permanent auf glühenden Kohlen und wissen nicht, wann es vor Ort weitergeht. Das Semesterticket müssen wir auch zahlen, ganz unabhängig davon, ob wir überhaupt vor Ort sind. Einige überlegen jetzt: Kann ich mir das Studium überhaupt noch leisten?

Und wie ist die Situation bei Ihnen?

Bei mir geht es zum Glück noch gut. Ich bekomme Bafög und arbeite nebenbei für Zeitungen. Das kann ich zum Glück von zu Hause aus machen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit dem Studenten Tom Zinram
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