Verschleppungsvorwürfe SOS-Kinderdorf geht gegen russischen Mitgliedsverein vor
Die Organisation SOS-Kinderdorf geht gegen einen russischen Mitgliedsverein vor. Hintergrund sind Vorwürfe über Kindsverschleppungen.
Die Organisation SOS-Kinderdorf geht wegen Verschleppungsvorwürfen gegen seinen russischen Mitgliedsverein vor und hat alle internationalen Geldflüsse dorthin vorerst gestoppt. Es gebe zwar keine Hinweise darauf, dass der örtliche Ableger SOS-Kinderdorf Russland selbst in die Zwangsumsiedlung von Kindern aus der Ukraine involviert sei, teilte die Organisation am Freitag in Innsbruck mit. "Gleichzeitig müssen wir nach wie vor davon ausgehen, dass 13 Kinder, die in einem russischen SOS-Kinderdorf betreut werden, Opfer von Zwangsumsiedlungen geworden sind."
Es sei ein Prozess zur Suspendierung des russischen Vereins aus der internationalen Föderation von SOS-Kinderdorf eingeleitet worden. Als Gründungsland und weltweiter Markeninhaber habe SOS-Kinderdorf Österreich außerdem ein Markenprüfverfahren angestoßen, hieß es. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt es immer wieder Berichte über die systematische Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland, die Moskau als Falschmeldungen zurückweist.
Russische Behörder organisiert Zwangsadoptionen
Zuvor hatte das ZDF-Magazin "frontal" darüber berichtet, wie SOS-Kinderdörfer in die systematische Verschleppung ukrainischer Kinder durch Russland verstrickt sei. Dem Magazin liegen laut einer Mitteilung vom Dienstag Bilder vor, die zeigen, wie ukrainische Kinder in die Siedlung Tomilino in der Nähe von Moskau gebracht werden. Dort seien sie offenbar russischen Pflegeeltern übergeben worden.
Die Siedlung Tomilino gehört seit 1990 zu den SOS-Kinderdörfern. Die Hilfsorganisation räumte gegenüber dem ZDF ein, dass sie von 13 ukrainischen Kindern in ihren Dörfern in Russland wisse. Weiter teilte sie schriftlich mit: "SOS-Kinderdorf Russland kann keine Auskunft darüber geben, wie die Kinder nach Russland kamen und wie sie die russische Staatsbürgerschaft erlangten."
Nach Recherchen von "frontal" besuchte die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lvova-Belova im Dezember 2022 das SOS-Kinderdorf Tomilino. Ihre Behörde organisiere Zwangsadoptionen ukrainischer Kinder mit dem Ziel der Russifizierung, hieß es in dem Bericht. Während ihres Besuches seien Propagandabilder mit verschleppten ukrainischen Kindern entstanden.
Seit Kriegsbeginn werden Kinder verschleppt
Das ZDF-Magazin wies darauf hin, dass seit Kriegsbeginn am 24. Februar ukrainische Kinder und Jugendliche systematisch nach Russland verschleppt würden. Viele der Kinder würden dort zur Zwangsadoption freigegeben und kämen in russische Pflegefamilien. Ziel sei, dass sie alles Ukrainische vergessen und stattdessen eine pro-russische patriotische Erziehung erhalten sollten.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte im Januar auf die entsprechenden Vorwürfe gegen Russland hingewiesen und in diesem Zusammenhang von dem "gezielten Versuch, ein Volk zu zerstören", gesprochen. Allerdings sagte sie auch, dass gesicherte Fakten dazu fehlten. Russland bestreitet die Vorwürfe.
Das Humanitarian Research Lab der US-Universität Yale ging zuletzt von etwa 6.000 nach Russland verschleppten ukrainischen Kindern aus, die ukrainische Regierung nennt eine Zahl von mindestens 14.000. Entsprechende Berichte von Verschleppungen gab es unter anderem aus besetzten Gebieten in Cherson oder aus Mariupol.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP