"Besser kein Ergebnis als ein schlechtes" Klimakonferenz steht auf der Kippe
Die Teilnehmer der Klimakonferenz ringen um Einigkeit. Ein hoher EU-Vertreter äußerte sich nun pessimistisch.
Die UN-Klimakonferenz im ägyptischen Scharm el Scheich steht auf der Kippe. Was auf dem Tisch liege, reiche mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens nicht aus, sagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans am Samstagvormittag. "Es ist besser kein Ergebnis zu haben als ein schlechtes", sagte er weiter.
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Hintergrund sind inoffiziell kursierende Vorschläge der ägyptischen Präsidentschaft, die hinsichtlich der Senkung der Treibhausgase nach EU-Angaben hinter den Ergebnissen der Vorgängerkonferenz in Glasgow zurückbleiben würden. "Wir sind besorgt über einige der Dinge, die wir in den vergangenen zwölf Stunden gesehen und gehört haben", sagte dazu Timmermans.
Ägyptens Infragestellung der Verpflichtungen zur Senkung der Treibhausgasemissionen sei "inakzeptabel". "Wir wollen vorwärtsgehen und nicht rückwärts", stellte er klar. Mit einer vorzeitigen Abreise drohte der Kommissionsvize aber ausdrücklich nicht. "Wir werden den Dialog fortsetzen", sagte er.
US-Verhandler infiziert sich mit Corona
Zuvor war der US-Klimabeauftragte John Kerry positiv auf Corona getestet worden. Er habe sich isoliert und habe leichte Symptome, teilte seine Sprecherin am Freitagabend mit. Kerry sei vollständig gegen das Coronavirus geimpft und habe auch eine Booster-Impfung erhalten. "Er arbeitet telefonisch mit seinem Team an Verhandlern sowie ausländischen Amtskollegen, um ein erfolgreiches Ergebnis der COP27 sicherzustellen."
Die Corona-Infektion einer der wichtigsten Teilnehmer bedeutet eine zusätzliche Hürde für die Mammutkonferenz, die gestern in Scharm el Scheich bereits in die Verlängerung ging. Am Vorabend hatten Vertreter aus fast 200 Staaten schon bis tief in die Nacht über strittige Fragen gerungen. Auch am späten Freitagabend zeichnete sich keine Einigung ab – unter anderem beim wichtigsten Thema, der Finanzierung klimabedingter Schäden in ärmeren Ländern, etwa Dürren, Überflutungen und steigende Meeresspiegel.
Es hakt an vielen Ecken und Enden
"Es wird morgen eine herausfordernde Phase, das in einen Text zu verwandeln, mit dem alle zufrieden sind", sagte David Waskow von der US-Denkfabrik World Resources Institute. Die Streitfrage der Ausgleichszahlungen für klimabedingte Schäden sei jetzt das "entscheidende Problem", sagte Waskow am Abend. "Wenn das gelöst ist, kann sich in anderen Bereichen viel lösen." Ein solcher Durchbruch gilt Experten zufolge als Hoffnungsschimmer des Treffens, bei dem es sonst an vielen Ecken und Enden hakt. Der ägyptische Gastgeber will die Konferenz heute beenden.
Mit Kerrys Corona-Infektion dürften die Verhandlungen in der Schlussphase nicht leichter werden. Als ranghöchster Vertreter der USA, die mit China und der EU zu den größten Verursachern klimaschädlicher Emissionen zählen, ist der frühere US-Außenminister eine entscheidende Figur mit langjähriger Erfahrung und diplomatischem Geschick. In den letzten Tagen und Stunden der Konferenz verhandeln Teilnehmer oft bis tief in die Nacht, um sich bei strittigen Fragen einig zu werden.
Rolle Chinas umstritten
Ein Knackpunkt in der Diskussion: Sind auch Länder, die besonders viel Treibhausgase ausstoßen, bereit, sich zu diesem Fonds zu bekennen und auf die Dauer auch einzuzahlen? Umstritten ist dabei unter anderem die Rolle Chinas. Das Land will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden, so wie es vor 30 Jahren im Kyoto-Protokoll festgelegt wurde. Westliche Staaten aber wollen China wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von Treibhausgasen nicht länger als Empfängerland für Gelder einstufen.
Dazu liegt ein Vorstoß der EU auf dem Tisch, die unter bestimmten Bedingungen mittlerweile nach langer Zurückhaltung prinzipiell bereit ist, grünes Licht für einen solchen Geldtopf zu geben. Allerdings knüpft die EU ihre Bereitschaft an Bedingungen: Zum einen müssten die Gelder nur den verletzlichsten Staaten zugutekommen, sagte EU-Kommissionsvize Timmermans. Und es müsse sichergestellt werden, dass die Ausgleichszahlungen mit mehr Ehrgeiz bei der Eindämmung der Erderwärmung einhergehen.
Abschied von Öl und Gas nicht aufgegriffen
Auch Außenministerin Annalena Baerbock stellte klar, dass Rückschritte beim Klimaschutz für die EU inakzeptabel wären. "Schlimmer als kein Ergebnis wäre ein Ergebnis, den Konsens von Glasgow und von Paris aufzuweichen, zu verwässern oder gar zurückzudrehen", sagte die Grünen-Politikerin mit Blick auf frühere Klimakonferenzen. Mehr dazu lesen Sie hier.
In einem gestern Morgen veröffentlichten Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels wird zwar ein schrittweiser Kohleausstieg gefordert. Die Forderung etlicher Staaten, darin auch den Abschied von Öl und Gas festzuschreiben, wird aber nicht aufgegriffen – was für Kritik von Klimaschützern sorgt und auch etlichen Staaten nicht gefällt. Auch die Forderung, Klimaschutzpläne nachzuschärfen, bleibt relativ unverbindlich.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP