Setzt die AfD ihren außenpolitischen Sprecher ab? Für ihn wird es jetzt ernst
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Als Bundestagsabgeordneter einen Nebenjob in Moskau? Das geht selbst der AfD zu weit. Sie plant weitere Schritte gegen ihren außenpolitischen Sprecher.
Die AfD wird ihren außenpolitischen Sprecher Matthias Moosdorf vermutlich zeitnah absetzen. Am Montag diskutiert nach Informationen von t-online erst der Fraktionsvorstand über die Causa, am Dienstag dann der Arbeitskreis Außen sowie die gesamte Fraktion.
Als wahrscheinlich gilt, dass Moosdorf als außenpolitischer Sprecher und Leiter des Arbeitskreises ersetzt wird. Vermutlich aber passiert das noch nicht in dieser Woche. Das könnte ganz pragmatische Gründe haben: Mit Stefan Keuter ist ein potenzieller Nachfolger von Moosdorf in dieser Woche auf einer Wahlbeobachterreise in den USA.
Der Grund für den Unmut in der Fraktion: Moosdorf hat im September eine Honorarprofessur an einer Musikhochschule in Moskau angenommen, die dem Kreml politisch nahesteht, wie t-online zuerst berichtete. Moosdorf bestätigte t-online seinen Nebenjob – und dass er dafür künftig neben seinem Gehalt von rund 11.000 Euro als Bundestagsabgeordneter auch Zahlungen von der Moskauer Hochschule erhalten soll. "Die Ausgestaltung des weiteren Vertrages ist noch offen, richtet sich aber nach international völlig üblichen Honoraren", teilte er mit.
In einem Beschlussantrag für die Sitzung des AfD-Fraktionsvorstands am Montag wird auf die Berichterstattung von t-online zu Moosdorfs Gastprofessur in Russland verwiesen. "Aus Sicht der Antragsteller ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt diese Verbindung für das Ansehen von Fraktion und Partei schädlich", heißt es da. Moosdorf werde zu einer Stellungnahme aufgefordert, danach solle über "etwaige weitere Maßnahmen" entschieden werden.
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Fraktion debattiert – Moosdorf beklagt "völlig verzerrte" Berichterstattung
Für die Sitzung der gesamten Fraktion am Dienstag steht die Causa als Punkt sieben auf der Tagesordnung. "Debattenbeitrag: Funktion des außenpolitischen Sprechers der Fraktion (Moosdorf)", heißt es da. Moosdorf selbst hat zu diesem Punkt bereits kurz schriftlich Stellung bezogen, das auf den 1. November datierte Papier liegt t-online vor.
Der Arbeitskreis Außen stehe durch die "jüngsten globalen Entwicklungen" in dieser Legislatur besonders im Fokus, schreibt Moosdorf da. Deutschland habe seine Rolle als Vermittler zwischen Ost und West "aufgrund einer vor allem wertegeleiteten Politik, die realpolitische Erfordernisse häufig außen vor lässt", weitgehend eingebüßt. Deutsche Interessen könnten so kaum noch geltend gemacht werden.
Viele Themen würden deswegen in der Fraktion kontroverser diskutiert als in der Partei. "Ich möchte die durch eine völlig verzerrte mediale Berichterstattung in der Fraktion gegebenenfalls aufgetretenen Fragen, auch zu meiner Person, klären und wenn nötig, Alternativen aufzeigen", so Moosdorf weiter.
In der AfD-Fraktion allerdings haben viele die Nase voll, Moosdorf schlägt selbst der russlandfreundlichen Partei zu häufig über die Stränge. Die Gastprofessur sei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, so formuliert es einer. "Ungünstig" oder schlicht "dumm" nennen andere den Nebenjob in Moskau.
Kuschelkurs mit Russland
Moosdorf war vor seiner Zeit im Bundestag Berufsmusiker und Cellist. Er äußert sich häufig öffentlich pro-russisch. Mehrfach reiste er trotz des laufenden Ukraine-Kriegs nach Russland, unter anderem 2023 zum Wirtschaftsdialog nach St. Petersburg. Dort lobte er öffentlich die Infrastruktur und Sauberkeit der Stadt.
Besonders eine seiner Reisen nach Moskau, die er trotz ausdrücklichen Verbots der Fraktionsspitze durchführte, erntete Verärgerung. Er soll dabei auch Duma-Abgeordnete getroffen haben. Als Strafe verhängte der Fraktionsvorstand ein Bußgeld von 1.000 Euro, das Moosdorf bisher nicht beglichen hat. Moosdorf wurden nach Bekanntwerden seiner Honorarprofessur mit Blick auf das nicht gezahlte Bußgeld bereits zwei Auslandsreisen gestrichen, die ihn nach Japan und Katar führen sollten, wie t-online berichtete.
Moosdorfs enge Kontakte zu Russland sind innerhalb der AfD keineswegs unüblich. Funktionäre reisen immer wieder zu Beobachterreisen, um die undemokratischen Wahlen des Kremls zu legitimieren – zuletzt machten das drei bayerische Landtagsabgeordnete im März, als Wladimir Putin als Präsident wiedergewählt wurde. Sie traten ebenso wie zahlreiche andere AfD-Mandatsträger in russischen Propaganda-TV-Sendern auf. Inhaltlich geriert sich die AfD als "Friedenspartei": Ihre Funktionäre fordern ein Ende der Sanktionen gegen Moskau, Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland und betonen die Mitschuld des Westens am Krieg in der Ukraine.
Fraglich ist außerdem, inwiefern in die AfD Geld aus Russland geflossen ist: Gegen Moosdorfs Vorgänger im Amt des außenpolitischen Sprechers, Petr Bystron, wird wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche ermittelt. Er soll laut Medienberichten Zahlungen aus dem pro-russischen Desinformationsnetzwerk "Voice of Europe" angenommen haben, dem mehrere AfD-Politiker Interviews gaben.
- Eigene Recherchen