Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Esken-Reise in turbulenter Zeit Die SPD hat nur noch einen Vorsitzenden

Die SPD-Chefin weilt auf den Kanaren, während in Berlin verhandelt wird – darf sie das? In der Partei brodelt es offenbar gewaltig.
Mitten in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union – während Projekte und Kompromisse für die Zukunft Deutschlands verhandelt und geschmiedet werden – sorgt ein Alleingang für heftige Debatten. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken ist im Urlaub auf den Kanaren, wie t-online erfuhr. Zuerst berichtete "Bild" darüber.
Urlaub statt Krisensitzung. Entspannung statt Machtpoker.
Was Esken als Kurztrip zu verkaufen versucht, stößt dem "Bild"-Bericht zufolge in der Partei auf massiven Unmut. Demnach äußerte ein SPD-Abgeordneter anonym: "Esken bestätigt mit ihrem Urlaub selbst, dass sie keine wichtige Rolle spielt. Klingbeil ist in Berlin, macht die Arbeit, gibt den Kurs vor. Esken ist Tausende Kilometer in die Sonne geflogen. Das geht gar nicht." Andererseits beschwichtigte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) bereits, Esken nehme auch aus dem Urlaub an langen Videokonferenzen teil: "Egal wo sie ist, sie arbeitet ganz sicher."
Der Zeitpunkt wirkt trotzdem brisant – denn genau jetzt wird über Ministerien, Inhalte und die Richtung der nächsten Jahre entschieden. Esken selbst äußerte sich bislang nicht öffentlich zu der Kritik. Ihre Rolle in der Parteispitze steht damit erneut zur Diskussion – ebenso wie eine grundsätzliche Frage im politischen Betrieb:
Ist es legitim für die Co-Vorsitzende einer möglichen Regierungspartei, während der Koalitionsverhandlungen in den Urlaub zu fahren?

Ja, die Kritik ist nichts als populistisches Kammerflimmern.
Aufregung ist etwas Feines. Uns wird heiß und kalt, das Blut kommt in Wallung und putzt alle Ventile durch, das Herz rast und wir spüren uns mal wieder (oder wenigstens irgendwas). Herrlich.
Aber der Kurzurlaub der SPD-Doppelspitzenhälfte Saskia Esken taugt höchstens für ein populistisches Kammerflimmern. Es ist ja nicht so, dass in ihrer Abwesenheit Friedrich Merz, Markus Söder und Lars Klingbeil, die anderen Parteichefs von Schwarz-Rot, ohne sie zusammensäßen, um Deutschland frisch hinzustellen, während Esken in der Sonne liegt.
Tatsächlich tagen die Vielleicht-bald-Koalitionäre von Union und SPD noch bis Montag auf der Ebene der Arbeitsgruppen. Saskia Esken gehört keiner Arbeitsgruppe an, lässt also keinen Termin aus, an dem sie unbedingt anwesend sein müsste. Solange sie Montag wieder mit am Tisch setzt, wenn das Ringen auf Chef-Level (und um Chefsessel) wieder beginnt, kann man ihr daraus keinen Vorwurf machen. Es sei denn, man regt sich künstlich auf.
Nebenbei, weil es offenbar nicht jeder weiß: Wir schreiben das Jahr 2025, und die Welt ist doch so klein. Von nahezu jedem Punkt der Erde aus kann sich die SPD-Grande in jede Taskforce, jeden Arbeitskreis, jedes Hintergrundgespräch zuschalten. Tut sie auch, was man so hört. Im Zweifel geht das von den Kanaren (wo sie vermutet wird) sogar besser als aus manchen Landstrichen in Deutschland – nur so als Input für die Arbeitsgruppe "Digitalisierung". Und das Telefon gibt's ja auch noch. Lediglich hinter dem Mond soll der Empfang nicht so gut sein, und ganz offensichtlich ist Saskia Esken dort nicht hingereist, wenn sie Montag schon wieder in Berlin ist. Also: abregen.

Nein, das ist ein fatales Zeichen.
Was Saskia Esken macht, ist nicht nur ein PR-Desaster – es ist das Eigentor des Jahres. Mit Anlauf. Von der Mittellinie.
Inmitten einer entscheidenden Phase, in der die SPD mit der Union über die Zukunft des Landes verhandelt, verabschiedet sich ihre Co-Vorsitzende in den Urlaub. Ernsthaft? Die Chefin macht sich dünne, während die Mitarbeiter für sie in die Bresche springen?
Die Begründung, sie sei nicht direkt Teil des Verhandlungsteams, ist nicht nur vorgeschoben – sie ist entlarvend. Was sagt das über Eskens eigene Rolle und Relevanz aus? Es ist ein Signal der Abwesenheit – inhaltlich wie symbolisch.
Wer jetzt fehlt, demonstriert Desinteresse oder Überforderung. Beides ist fatal. Erst recht bei einer Parteivorsitzenden, die so umstritten ist wie Esken.
Das Absurdeste: Esken schielt selbst auf ein Ministeramt im Kabinett Merz. Doch in der Phase, in der es um Programme und Machtverteilung geht, in der die Entscheidung näher rückt, ob ihr Wunsch in Erfüllung geht oder ihre Karriere endet, fehlt sie.
So muss es sich anfühlen, bei seiner eigenen Hochzeit nur über Video zugeschaltet zu sein. Oder als Feuerwehrmann einen Brand zu melden, um dann zügig Feierabend zu machen.
Dass Lars Klingbeil vor Ort ist, macht es nicht besser. Im Gegenteil: Es entsteht das Bild, dass der eine arbeitet – und die andere in der Sonne liegt. Ein gefundenes Fressen für Opposition, Öffentlichkeit und auch für Teile der eigenen Partei, die längst hinter vorgehaltener Hand tuscheln.
Die Botschaft ist klar: Die SPD hat derzeit nur einen echten Vorsitzenden – und der heißt nicht Esken.
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