"Dr. Google" Frühere Kollegen und Patienten zweifeln an Expertise von Taleb A.
Die Ermittlungen zu Taleb Al-Abdulmohsen werfen ernste Fragen nach seiner fachlichen Qualifikation auf. Ehemalige Mitarbeiter und Patienten beschreiben eine besorgniserregende Praxis im Umgang mit Diagnosen und Medikamenten.
Nach dem Anschlag in Magdeburg und der Festnahme von Taleb Al-Abdulmohsen werden Zweifel an der medizinischen Eignung von Taleb Al-Abdulmohsen laut: Die "Mitteldeutsche Zeitung" sprach mit ehemaligen Mitarbeitern des Täters, die angaben, dass er oft Diagnosen im Internet nachgeschlagen habe. Ein Mitarbeiter wird mit den Worten zitiert: "Er heißt bei uns Dr. Google."
- Anschlag in Magdeburg: Alle Entwicklungen im Newsblog
Auch ein t-online-Reporter konnte bereits am Samstag mit einem ehemaligen Patienten von Al-Abdulmohsen sprechen. "Er war mein therapierender Arzt. Ich habe ihn als sehr ruhigen, in sich gekehrten Menschen wahrgenommen", sagte der frühere Patient t-online. "Als Arzt kam er mir komisch vor, ich wollte zu einem anderen wechseln. Bevor er mir Medikamente verschrieben hat, hat er diese regelmäßig gegoogelt – das kam mir unseriös vor."
Der Mann berichtete weiter, dass er nicht damit gerechnet habe, dass sich Taleb Al-Abdulmohsen in einen Täter verwandeln würde. Aber er habe ihm angemerkt, dass er etwas wirr im Kopf gewesen sei.
Taleb Al-Abdulmohsen kam nach Behördenangaben bereits 2006 nach Deutschland. Von 2011 bis Anfang 2016 habe er zunächst in Mecklenburg-Vorpommern gelebt und in Stralsund einen Teil seiner Facharzt-Ausbildung zum Psychiater absolviert, erklärte der Innenminister des Bundeslandes, Christian Pegel (SPD). Al-Abdulmohsen ließ sich in Bernburg, Sachsen-Anhalt, nieder. Lesen Sie hier eine Chronik der Auffälligkeiten.
Transparenzhinweis
Bislang hat t-online den vollen Namen des Täters von Magdeburg nicht genannt. Wir haben uns aber entschlossen, den Namen nun auszuschreiben. Statt "Taleb A." schreiben wir fortan "Taleb Al-Abdulmohsen". Die Identität des Attentäters ist zweifelsfrei geklärt und die Außergewöhnlichkeit des Verbrechens rechtfertigt in Einklang mit unseren Redaktionsrichtlinien die vollständige Namensnennung.
Täter soll sich respektlos gegenüber weiblichem Personal verhalten haben
Eine Ex-Krankenschwester berichtete der "Mitteldeutschen Zeitung" indes von ständigen Beschwerden anderer Ärzte und Vorgesetzter über Taleb Al-Abdulmohsen. Konsequenzen habe es jedoch nie gegeben. Sie beschreibt auch absurde Behandlungsempfehlungen für Suchtkranke wie "Alkohol gut, Honig schlecht". Außerdem soll Taleb Al-Abdulmohsen sich respektlos gegenüber weiblichem Personal verhalten und aggressiv reagiert haben, wenn ihm Fragen gestellt wurden.
In einer anderen Klinik sei es zu lebensgefährlichen Zwischenfällen gekommen, da er falsche Medikamente verschrieben habe. Laut Aussagen einer weiteren ehemaligen Kollegin wies die Klinikleitung Hinweise auf seine mangelhaften Fähigkeiten immer wieder ab. Schließlich sei Taleb Al-Abdulmohsen für mehrere Wochen verschwunden. Offenbar ließ er sich Ende Oktober krankschreiben und nahm Urlaub – bis zur Todesfahrt am 20. Dezember war er dem Bericht zufolge nicht mehr in der Klinik aufgetaucht.
Bei dem Anschlag am Freitagabend war Taleb Al-Abdulmohsen mit seinem Auto in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gerast. Fünf Menschen starben, 200 wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die Ermittlungen dazu laufen.
- Eigene Recherche
- Mitteldeutsche Zeitung:
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP