t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

Strompreisrekorde: Die Dunkelflaute legt ein riesiges Problem offen


Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Gefährliche Dunkelflaute
Es kann wirklich böse enden


Aktualisiert am 14.12.2024Lesedauer: 5 Min.
imago images 0302843717Vergrößern des Bildes
Windkraftanlagen: Die Dunkelflauten sind ein Problem – aber so leicht, wie mancher suggeriert, lässt es sich nicht lösen. (Quelle: IMAGO/imago)
News folgen

Die aktuellen Dunkelflauten legen ein reales Problem offen. Deutschland muss schnell raus aus der energiepolitischen Zwischenwelt. Doch die kaputte Debatte erschwert das.

Eine schwedische Energieministerin, die wütend auf Deutschland ist. Ein Stahlwerk, das die Produktion stoppt und Verluste in sechsstelliger Höhe beklagt. Und eine Opposition, die ihre Freude angesichts der Aufregung um die Dunkelflaute und kurzfristige Strompreisrekorde kaum noch verhehlen kann, es ist schließlich Wahlkampf.

In der Debatte um die deutsche Energieversorgung braut sich gerade ein perfekter Sturm zusammen. Er hat das Potenzial, ernsthaften Schaden anzurichten. Denn es gibt tatsächlich ein großes Problem: Das deutsche Stromsystem hängt in einer Zwischenwelt fest.

Das ist gefährlich. Wenn nicht schnell etwas passiert, kann es tatsächlich böse enden. Da haben die lauten Kritiker der Regierungspolitik recht. Allerdings tun dieselben Kritiker gerade wenig dafür, dass es besser wird. Weil sie öffentlich Scheinlösungen propagieren, von denen sie offensichtlich selbst nicht überzeugt sind – und das völlig zu Recht.

Dunkelflauten sind ein Problem

Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, sind Windräder und Solarpanels nutzlos. Diese sogenannten Dunkelflauten lassen die Strompreise an der Börse kurzzeitig steigen. Nicht immer fallen Rekorde wie in den vergangenen Wochen, aber schön ist das auch sonst nicht. Zwar merken Privatleute mit langfristigen Verträgen davon erst einmal nichts. Aber für Unternehmen, die zum Teil kurzfristig einkaufen müssen und darauf eingestellt sind, immer produzieren zu können, eben schon.

Es gibt also objektiv ein Problem mit Dunkelflauten in einem Stromsystem, das immer mehr auf Strom aus Wind und Sonne setzt. Jedenfalls in einem System, das mitten in der Transformation steckt. Und da beginnt das eigentliche Problem.

Daran ändert auch der Verdacht nicht grundsätzlich etwas, dass Energiekonzerne in den vergangenen Wochen die Lage ausgenutzt haben könnten. Auch die Stromproduktion aus Kohle und Gas, die solche Dunkelflauten kompensieren soll, fiel auffallend gering aus. Das hat die Preise weiter getrieben. Die Bundesnetzagentur prüft Vorwürfe, dass die Marktmechanismen missbraucht worden sind.

Die Produktion drosseln, um von den so mit erzeugten Preisspitzen zu profitieren – schon dass das möglich erscheint, zeigt, dass die Regulierung des Strommarktes noch nicht da ist, wo sie sein müsste.

Grüne Ideologie? Unionswahlprogramm!

Doch das Problem ist eben auch ganz handfest. Die Stromnetze müssen ausgebaut werden, um bereit zu sein für die flexiblere, breit verteilte Stromproduktion aus Wind und Sonne. Die Verbraucher müssen durch Digitalisierung und Smart Meter von günstigen Stromphasen profitieren können. Für Dunkelflauten braucht es große Stromspeicher. Die Steuern und Netzentgelte müssen runter. Und deutlich mehr Erneuerbare müssen natürlich auch gebaut werden.

Klingt wie grüne Ideologie, direkt aus dem Programm von Robert Habeck? Nun: Das alles steht genauso im Wahlprogramm der Union. Es ist also überhaupt nicht mehr umstritten. Zumindest nicht unter Parteien, die es grundsätzlich für nötig halten, unsere Energieproduktion klimaneutral zu machen. Und das sind alle demokratischen Parteien.

Es ist deshalb einigermaßen verwunderlich, dass man bei öffentlichen Wortmeldungen besonders der Union gerade den Eindruck bekommen kann, die Energiewende an sich sei das ganze Übel. Das liegt auch an taktischen Halbwahrheiten, die im politischen Wettbewerb nicht ungewöhnlich sind, aber in der aufgewühlten Energiedebatte umso toxischer wirken.

Robert Habeck schaltet ohne Sinn und Verstand fossile Kraftwerke ab? Eher das Gegenteil ist richtig. Was ihm immer wieder Kritik von Teilen seiner Partei und von Umweltorganisationen einbringt. Er lässt teures Flüssiggas aus Übersee anschiffen. Er hat mehr Kohlekraftwerke als Notfallreserve am Netz gehalten. Selbst die Atomkraftwerke hat die Bundesregierung mit dem Vizekanzler Robert Habeck auf dem Höhepunkt der Energiekrise ein paar Monate länger laufen lassen als eigentlich geplant.

Markus Söder fabuliert

Das alles hat die aktuelle Krise nicht verhindert, das ist wahr und Grund zur Kritik. Es wäre besser, wenn der Umbau schneller gehen würde. Nur führt das gerade leider nicht dazu, dass wir darüber reden, was jetzt helfen könnte. Stattdessen fabuliert Markus Söder über eine "Kernenergie-Allianz", die er mit Tschechien schließen will, zumindest sagt er das. Wie das konkret funktionieren soll? Und warum Stromplanwirtschaft auf einmal besser und günstiger sein soll als der Energiemarkt, der längst europäisch ist? Das weiß wohl nur er selbst.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Man kann es ja bedauern, dass Deutschland keine Atomkraft mehr hat. Nur jetzt wiedereinzusteigen? Selbst Kraftwerksbetreiber sagen, dass es dafür inzwischen zu spät ist. Weil die komplizierten Ausstiegsplanungen seit Jahren laufen. Weil Personal fehlt. Weil der Abriss schlicht zu weit fortgeschritten ist.

Auch die Union weiß das natürlich, trotz aller Atomkraft-Rhetorik. Anders ist nicht zu erklären, was sie jetzt nach Jahren der Debatte inklusive eines Untersuchungsausschusses im Bundestag in ihr Wahlprogramm geschrieben hat. Anders als beim Energiewende-Teil formuliert sie zur Atomkraft nämlich maximal zurückhaltend.

Selbst die Union will Atomkraft nur "prüfen"

"Wir halten an der Option Kernenergie fest", schreibt die Union in ihrem Programmentwurf nämlich nur. Dabei will sie "auf die Forschung zu Kernenergie der vierten und fünften Generation, Small Modular Reactors und Fusionskraftwerke" setzen. Das jedoch könnte höchstens sehr langfristig helfen. Vielleicht.

Und sonst? "Die Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke prüfen wir." Prüfen. Und zwar mit der Frage, "ob angesichts des jeweiligen Rückbau-Stadiums eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist".

Eine Wiederaufnahme also. Vielleicht. Wenn es sich rechnet. Und zwar nur für die zuletzt abgeschalteten Kraftwerke. Das waren drei Stück, die nur sechs Prozent der gesamten deutschen Stromproduktion ausgemacht haben. Also sehr überschaubar. Von möglichen neuen Atomkraftwerken schreibt die Union: nichts. Weil sie offensichtlich weiß, dass das viel zu teuer und langwierig wäre.

Loading...
Loading...
  • Podcastfolge mit Klimajournalistin Sara Schurmann zu der Klimapolitik, die Deutschland jetzt braucht:
Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Prüfen, was möglich ist – aber auch tun, was nötig ist

Prüfen zu lassen, ob Dinge möglich sind, ist nicht falsch. Sofern es nicht dazu führt, dass Dinge verhindert werden, die nötig sind. Das aber passiert in der kaputten deutschen Stromdebatte leider gerade. Denn während Robert Habeck dafür kritisiert wird, angeblich zu schnell fossile Kraftwerke abzuschalten, verhindern Union und FDP, dass neue Kraftwerke gebaut werden. Und zwar ironischerweise: fossile Kraftwerke.

Die Kraftwerkstrategie von Robert Habeck sah vor, neue Gaskraftwerke zu bauen, die später klimaneutral mit Wasserstoff betrieben werden können. Sie können anders als Kohlekraftwerke und vor allem Atomkraftwerke schnell an- und ausgeschaltet werden und können so Dunkelflauten überbrücken. Doch genau in dem Moment, als die Strompreisspitzen Schlagzeilen machten, musste Habeck sich von seinem Gesetzespaket verabschieden. Weil Union und FDP nicht mitmachen und ihm so nach dem Ampel-Aus die Mehrheit dafür fehlt.

Ja, es ist Wahlkampf und eine Opposition muss einer Restregierung nicht zu Erfolgen verhelfen. Sie darf das aber, besonders in schwieriger Lage. Vielleicht honorieren Wähler das ja sogar. Und ja, diese Gaskraftwerke haben den Nachteil, dass sie sich als Notfallreserve für die Energiekonzerne wohl nicht rechnen. Deshalb müssten sie zumindest für eine Übergangszeit vom Staat subventioniert werden. Besonders die FDP findet das schwierig, was eine legitime Position ist, auch wenn es mit der Kohlereserve nicht anders ist.

Doch noch viel schwieriger und sogar gefährlich ist: gar nichts zu tun und auf die Kernfusion zu hoffen. Deutschland muss endlich raus aus der Zwischenwelt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Überlegungen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website