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Joachim Gauck: "Nicht alle AfD-Wähler sind Faschisten"


Ehemaliger Bundespräsident Gauck
"Nicht alle AfD-Wähler sind Faschisten"

Von t-online, tos

Aktualisiert am 27.04.2023Lesedauer: 2 Min.
Joachim Gauck: Der ehemalige Bundespräsident hat sich mit dem Coronavirus infiziert. (Archivfoto)Vergrößern des BildesJoachim Gauck: Parteien sollten die Sorgen und Unsicherheiten der Bürger ernster nehmen, erklärt der ehemalige Bundespräsident. (Quelle: Stefan Sauer/dpa)

Wie soll die Politik mit der Spaltung der Gesellschaft umgehen? Der Alt-Bundespräsident Joachim Gauck fordert, mehr auf die Bürger zu hören.

Klimaschutz, Migration, Wohnen – die deutsche Bevölkerung ist in vielen Punkten gespalten. Der Alt-Bundespräsident Joachim Gauck findet, die Politik müsse bei diesen und vielen weiteren Themen mehr auf die Ängste und Wünsche der Deutschen hören, wie er in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" erklärte.

Die große außenpolitische Bedrohung durch Russland treffe die Gesellschaft "in einem Zustand erheblicher Verunsicherung und Selbstbefragung", sagt er im "SZ"-Interview. Er warnt vor einer zunehmenden Kluft zwischen progressiven Kräften, die mit ihren Fortschrittsmodellen ins Absolute abzudriften drohten, und Gruppen, die sich von den Veränderungen der Moderne überfordert fühlen: "Unter dem Eindruck gleich mehrerer Krisen fremdeln Bevölkerungsgruppen, die traditionell und sicherheitsorientiert sind, mit der immer größeren Vielfalt in unserer offenen Gesellschaft und verlangen ein effektiveres Handeln und eine robustere Führung", sagt Gauck.

Auf der anderen Seite wollten Teile einer progressiven, universitären Elite Ungerechtigkeiten beseitigen, woran es wenig zu kritisieren gäbe. "Aber in ihrer Absolutheit driften sie ins Illiberale ab, verlieren die Bodenhaftung und beschädigen die Rolle der Menschenrechte", so Gauck. Die größere Bedrohung für die liberale Demokratie erwachse seiner Meinung nach jedoch aus der autoritären Prägung jener, die durch ein starkes Sicherheitsbedürfnis gekennzeichnet sind.

Gauck: Müssen AfD-Wähler zurückholen

Am Beispiel der Schweiz und Schwedens erklärt Gauck, die Zuwanderung dort sei schuld am Erstarken national-populistischer Bewegungen: "Es wuchsen die Angst vor dem Fremden und die Sorge um den Verlust von Beheimatung", sagte Gauck.

Ihm gehe es dabei nicht darum, populistische Ansichten zu übernehmen. Viel mehr müssten Parteien die Sorgen der Menschen wieder ernst nehmen und Themen ansprechen, die die Bevölkerung verunsicherten. Nur so könnten Wähler der AfD zurückgewonnen werden. "Denn längst nicht alle, die AfD wählen, sind Faschisten", erklärte der frühere Bundespräsident.

"Was wir lieben und achten müssen wir verteidigen"

Gauck spricht sich im Interview auch dafür aus, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken. "Wir sind auf eine erschreckende Weise auf die Hilfe der USA angewiesen, wenn es um Verteidigung geht." Dass es in Deutschland Mehrheiten für die Unterstützung der Ukraine mit Waffen und die Stärkung der Bundeswehr gibt, nennt er "eine erfreuliche Entwicklung".

"Diese Einstellung könnte aber verblassen", so Gauck. "Deshalb erwarte ich, dass wir noch stärker die Gründe für unsere Unterstützung der Ukraine kommunizieren. Wir müssen unsere Freiheit verteidigen. Wir wollen nicht in den Krieg ziehen, aber wir wollen auch nicht mit Krieg überzogen werden." Die Demokratie müsse wehrhaft sein, wenn sie überleben will. "Was wir lieben und achten, müssen wir auch verteidigen."

Verwendete Quellen
  • sueddeutsche.de: "Was wir lieben und achten, müssen wir auch verteidigen" kostenpflichtig
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