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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Manuela Schwesig bei "Markus Lanz" "Schaulaufen der Kanzlerkandidaten hat der MPK geschadet"
Bei "Markus Lanz" kritisiert die SPD-Ministerpräsidentin Armin Laschet und Markus Söder gleichermaßen. Und ein heftig attackierter, eher unbekannter CDU-Vertreter hält sich wacker.
An den Tagen nach der vorherigen "Lanz"-Show waren die aussichtsreichste Kanzlerkandidatin und der aussichtsreichste Kanzlerkandidat endlich gekürt worden. Klar, dass Markus Lanz am Dienstagabend sowohl über den Laschet-Söder-Streit der Unionsparteien als auch über Annalena Baerbock diskutieren wollte. Als weiteres Thema kam die Corona-Pandemie ins Spiel, als der höchstrangige Gast, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, zugeschaltet wurde. Und obwohl Lanz' Streitlust weitgehend ins Leere lief, entwickelte sich eine aufschlussreiche Talksendung.
Die Gäste:
- Kai Wegner, Landesvorsitzender der Berliner CDU
- Kristina Dunz, Journalistin ("Redaktionsnetzwerk Deutschland")
- Wolfram Weimer, Journalist ("The European", "Cicero"-Gründer)
- Cem Özdemir, Die Grünen (Ex-Parteivorsitzender)
- Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern (SPD)
Als ersten Gast nahm Lanz sich ausgiebig Kai Wegner vor – den überregional (und in Berlin auch) eher unbekannten Chef der Berliner CDU, der zur Abgeordnetenhauswahl im Herbst auch als Spitzenkandidat antreten wird. In der stundenlangen Sitzung des CDU-Vorstands am Montag, an deren Ende Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten bestimmt wurde, hatte Wegner für CSU-Chef Markus Söder gestimmt. Nun zeigte er sich vom Ausgang "nicht begeistert" und "ein Stück weit enttäuscht", weil Söder "von der Basis geliebt" werde. Der streitlustige Moderator provozierte immer wieder ("Sie fallen Ihrem eigenen Parteichef in den Rücken!"), und auf Wegners hoher Stirn zeigten sich Schweißperlen. Doch der CDU-Mann ließ sich nicht in die Enge drängen.
Dieses auf die Dauer etwas zähe Talkshow-Schauspiel brachte dann der konservative Journalist Weimer auf einen Punkt. Es sei "Wesen der Demokratie, dass Parteien über offene Personal- und Sachfragen streiten", sagte er und verglich den Laschet-/Söder-Streit mit dem heftigen Streit zwischen Anhängern Bernie Sanders' und Joe Bidens bei den US-amerikanischen Demokraten. Vielleicht, weil Weimer dann selbst einfiel, dass die Demokraten die Wahl zwar gewannen, doch aus der Opposition heraus, was für Laschet ja nicht gelten kann, zog er dessen Lanz-Auftritt drei Wochen zuvor als Beispiel heran. Danach hätten "Zweifel an der Durchsetzungsstärke" Laschets bestanden, nun nicht mehr. Solche Prüfungen müssten Politiker bestehen, um erfolgreich zu sein.
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Die übrigen Gäste trugen zu dieser Diskussion wenig bei. Journalistin Kristina Dunz stellte in einer etwas atemlosen, dafür langen Analyse fest, dass Laschet und Söder auch beim Auftritt am Dienstag "keine Gemeinsamkeit" demonstriert hätten. Die Grünen seien den Unionsparteien in der Außendarstellung weit voraus. Cem Özdemir, der Grüne aus dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg, zeigte Sympathien eher für Laschet, der "ein gewisses Kerngerüst an Grundüberzeugungen" besäße.
Schwesig macht die Überleitung zum Thema Corona
Tonfall und Thema der Show änderten sich, als nach über einer halben Stunde Manuela Schwesig zugeschaltet wurde. Die Ministerpräsidentin aus Schwerin sicherte sich resolut Redeanteile und verknüpfte die Kanzlerkandidaten-Themen sogleich mit dem weiter drängenden Thema Corona. Was die Öffentlichkeit nun bei der Union erlebte, "das haben wir schon seit einem Jahr in der MPK erlebt", sagte sie, also zu den Ministerpräsidenten-Konferenzen mit der Bundeskanzlerin. Unter dem "Schaulaufen zwischen Laschet und Söder" habe die Pandemiebekämpfung gelitten, argumentierte die SPD-Politikerin und nannte Beispiele: "Alle waren sich einig, nur Herr Laschet macht mal schnell die Möbelhäuser auf." Ähnlich habe es sich verhalten, als im November Bayerns Ministerpräsident Söder Baumärkte öffnete.
Schwesig ließ sich kaum unterbrechen und schilderte ausführlich sowohl die ihrer Ansicht nach natürlich vorbildliche Pandemiepolitik in ihrem Bundesland als auch die Vorzüge des Kanzlerkandidaten ihrer Partei. Weil die SPD sich schon lange auf Olaf Scholz festgelegt hatte, hätten sozialdemokratische Ministerpräsidenten sich nicht mitten in der Krise profilieren müssen, argumentierte sie. Über unterschiedliche regionale Erfahrungen zu diskutieren, wünsche sie sich allerdings weiterhin, da es ja nicht den einen Weg zur erfolgreichen Pandemiebekämpfung gibt. Das Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung kritisierte sie also auch. "Sie machen heute wenig Gefangene!", lobte Lanz, bevor er Schwesig dann wieder verabschiedete.
Damit hatte die Runde im Studio mehr als genug Gesprächsstoff. Weimer interpretierte aus Schwesigs Einlassungen, dass die SPD bereits damit beginne, das Wahlkampf-Argument mangelnder Erfahrung gegen Baerbock (und damit für Scholz) zu verwenden. Özdemir sieht das Infektionsschutzgesetz ebenfalls kritisch (Es "wird uns geradewegs nach Karlsruhe führen", also vors Bundesverfassungsgericht). Von ihm wollte Lanz überflüssigerweise wissen, ob er Baerbock oder Robert Habeck für besser halte, und begann dann, ihn daran zu erinnern, dass er selbst in seiner Partei keine große Rolle mehr spiele (womit er sichtlich einen Punkt traf). Einen Lacher gab es aber auch noch. "Wären Sie ein besserer Verkehrsminister?", fragte der Moderator den Grünen mit Blick auf den aktuellen Amtsträger Andreas Scheuer und Özdemirs Zukunftsperspektive. "Das wären sogar Sie", entgegnete Özdemir trocken.
Fazit: Die Themen gingen durcheinander und Lanz' Streitlust, die sich zuletzt oft als produktiv erwiesen hatte, wirkte statt zielgerichtet eher quengelig. Einen munteren Vorgeschmack auf die nun anlaufenden Wahlkämpfe lieferte die Talksendung dennoch.
- "Markus Lanz" vom 20. April 2021