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Ramadan in Corona-Zeiten: Wie die Krankheit zur Herausforderung wird


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Fasten während der Krise
Wie das Coronavirus den Ramadan verändert

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 23.04.2020Lesedauer: 5 Min.
Muslime beim Gebet: Der Ramadan wird in der Corona-Zeit zu einer besonderen Herausforderung.Vergrößern des Bildes
Muslime beim Gebet: Der Ramadan wird in der Corona-Zeit zu einer besonderen Herausforderung. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die wichtigste Zeit für Muslime wird in diesem Jahr zu einer speziellen Herausforderung. Denn viele Bräuche im Fastenmonat Ramadan sind in der Corona-Krise nicht möglich. Deshalb muss ein Umdenken her.

Am morgigen Freitag beginnt die Fastenzeit der Muslime und aufmerksame Beobachter stellen fest: Der Ramadan gehört inzwischen zu Deutschland beziehungsweise Europa. Die Supermarktkette Morrisons hat eine Ramadan Food Box neu aufgelegt. Für 35 Pfund gibt es von der Dattel bis zum Mangosaft die Komplettversorgung für die Familie zum abendlichen Fastenbrechen – dem Iftar. Eine clevere Idee, um den Lebensmitteleinkauf zu verkürzen. Auf Amazon gibt es analog zum Adventskalender eine bunte Auswahl an verschiedenen Ramadankalendern mit 30 Türchen für die Kinder. Lampenhändler bieten Ramadan-Lichterketten an. Bei Real gibt es Ramadan-Servietten, Ramadan-Ballons, Ramadan-Dekorationen wie Holzmonde, Holzsterne oder Lampions. Staatsvertreter, Politikerinnen, Kirchenleute und Angehörige anderer Religionsgruppen übermitteln ihre Grüße. Die Medien sind voll mit Berichten über diese für viele Muslime aufregendste Zeit des Jahres. Da werden die Rituale und Abläufe vorgestellt, Begriffe erklärt und auch etwaige Probleme thematisiert.

Wie sollen nun Bedürftige unterstützt werden?

In diesem Jahr ist der Ramadan im Schatten der Corona-Krise für die meisten Menschen muslimischen Glaubens eine Premiere. Niemand weiß so genau, wie es werden wird. Ramadan ist normalerweise die Zeit der Begegnung. Eltern und Großeltern, Freunde und Bekannte zu besuchen, entspricht den guten Sitten. Doch das gesellige Beisammensein, das dazugehört wie das Festmahl zu Weihnachten, ist zum Schutz vor Covid-19 nicht möglich. Die Menschen werden sich auf die Kernfamilie beschränken müssen. Das "Festi Ramazan" in Dortmund, Europas größtes Event zum Fastenmonat, wurde bereits Anfang April abgesagt. Ramadanzelte vor Moscheen, Straßenfeste, Iftar-Einladungen von Kirchen, Sportvereinen, Parteien – all das wird es nicht geben. Gastronomen blicken mit großen Sorgenfalten auf die nächsten vier Wochen: Gehört es für viele doch dazu, nicht jeden Tag in der Küche zu stehen und zu kochen, sondern sich zum Iftar mit den Liebsten in Restaurants zu treffen. Auch das wird dieses Jahr nicht möglich sein, selbst wenn die Gastronomie in den nächsten Tagen auch wieder schrittweise wiedereröffnen dürfte.

Schwer wird es vor allem für bedürftige Menschen. Im Ramadan ist es üblich, dass man jene, die wenig haben, unterstützt. Doch schon dem Nachbarn Essen vorbeizubringen ist aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht so einfach. Die "Armenspeisungen", die es auch hierzulande gibt, sind ebenso wenig gesichert. So gewinnt Kreativität stark an Bedeutung. Von einer Bekannten, die gerade in Kurzarbeit ist, habe ich erfahren, dass sie Baklava zum Ramadan backen will. Da sie eh nur zu Hause herumsitze, könne sie auch aufwändige Süßigkeiten machen und für einen kleinen Obolus abgeben, sagt sie. Andere Menschen füllen und drehen Weinblätter oder falten Manti (türkische Nudeltäschchen).

Der Ramadan soll Ruhe bringen – doch davon gibt es in Corona-Zeiten genug

Im Ramadan geht es, selbst wenn sich von außen betrachtet vieles darum dreht, weniger um Speis und Trank. Im Zentrum steht die innere Verfassung des Menschen. Man soll ruhig werden und in sich kehren. Ruhe und Einkehr aber herrschen dank Corona-Pause bereits seit Wochen. Der Bedarf vieler Menschen daran ist komplett gesättigt. Hierin liegt eine besondere Herausforderung und eine gewisse Gefahr. Dieser Ramadan wird einem mehr Disziplin abverlangen als frühere. Neben den Fastenregeln gilt es die Corona-Regeln zu beachten. Für manche wird das purer Stress werden. Damit steigt das Risiko, bei den Abstandsregeln und Kontaktverboten nachlässiger zu werden. Es wird die Aufgabe von Imamen und Imaminnen sein, Menschen dabei zu helfen, ihre Eigenverantwortung ernst zu nehmen und die Regeln einzuhalten. Vielleicht kann man es so sehen: Jeder Tag, den wir zu Hause bleiben, ist ein Tag zur Eindämmung der Pandemie. Und damit ein Schritt hin zu baldiger Normalisierung.

Manchmal wird so getan, als würden sich Fastengebote und Corona-Gesetze widersprechen. Aber das ist nicht der Fall. Dem Verzicht auf Nahrung vom ersten Morgenlicht bis zum Sonnenuntergang steht keine Regelung entgegen. Den Gang in die Moschee zum abendlichen Gebet (Tarawih) auszulassen, ist zwar nicht schön, aber keine Sünde. Ein derzeit vielzitierter Ausspruch des Religionsstifters Mohammed steht hier beispielhaft für den Pragmatismus des Islams: "Wenn ihr hört, dass die Pest in einem Lande ausgebrochen ist, so geht nicht dorthin; bricht sie in einem Lande aus, wo ihr euch aufhaltet, so verlasst es nicht auf der Flucht vor ihr." Ähnlich geläufig im Kontext von Hygiene sind gerade diese Hadithe: "Die Reinheit ist die Hälfte des Glaubens." Oder: "Wer Zwiebel, Knoblauch oder Porree gegessen hat, der soll unsere Moschee nicht betreten."

Das Coronavirus kann jeden treffen – auch Gläubige

Zwar muss, wer krank ist, nicht fasten, dennoch versuchen es viele Musliminnen und Muslime, um sich selbst, anderen oder Gott ihren Eifer zu beweisen. Covid-19 erinnert daran, dass man sich das sehr genau überlegen sollte. "Gott will es euch leicht machen, nicht schwer", heißt es im Koran. Fastentage kann man im Laufe des Jahres auch nachholen. Im Zweifelsfall ist es somit wichtiger und geboten, vernünftig zu sein und die eigene Gesundheit zu schützen.

Apropos Vernunft. Es wird gleichsam darauf ankommen, den Scharlatanen und Verschwörungstheoretikern im Netz und im Alltag keine Chance zu geben: Islamisten etwa, die behaupten, das Coronavirus würde keine "wahren Gläubigen" infizieren und sei die Rache Gottes. Oder Vorbetern, die meinen, sie glaubten nicht, dass Abstandsregeln in der Moschee nötig seien. SARS-Cov-2 werde Menschen in einer Moschee nicht befallen, da dies die Heimatstätte Gottes sei.

Muss der Gang zur Moschee jetzt unbedingt sein?

Umgekehrt muss man davor warnen, etwaige Verfehlungen einzelner Musliminnen und Muslime auf die ganze Glaubensgemeinschaft zu übertragen, was angesichts der vielen kursierenden Vorurteile gegen den Islam leicht geschehen kann. In jeder Gruppe von Menschen gibt es schwarze Schafe. Und in einer Religion ohne formale Hierarchie teilen nun erst recht nicht alle die gleichen Ansichten. In Bangladesch oder Pakistan bleiben viele Moscheen für Gemeinschaftsgebete geöffnet. Diese Woche kamen Zehntausende zur Beisetzung eines Predigers nahe Dhaka zusammen. Die örtlichen Behörden haben große Mühe mit diesem unverantwortlichen Verhalten. Und selbst wenn die Restriktionen für Gottesdienste in Deutschland in den kommenden Tagen gelockert werden sollten, täten die Muslime und Musliminnen gut daran, einen Gang zur Moschee sehr genau abzuwägen.

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Es gibt ja durchaus Alternativen. Predigten und Koranlesungen lassen sich per Livestream oder auf Video anschauen. Mit Zoom oder Skype kann man virtuell einen gemeinsamen Iftar abhalten. Der Muslimische Rat Großbritanniens hat dazu aufgerufen, andere Organisationen planen virtuelle Veranstaltungen mit Gastrednern und Diskussionen.

In diesem Sinne sollte man sich nicht unterkriegen lassen. Eine gesegnete Ramadanzeit!

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin, Publizistin und Gründerin des Liberal Islamischen Bunds e.V. (LIB). Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr aktuelles Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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