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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Friedrich Ebert Wie es ein Gastwirt zum Reichspräsidenten brachte
Er war ein Organisator und Erneuerer, ein Reformer. Kein Revolutionär. Friedrich Ebert brachte die deutsche Demokratie auf den Weg. Heute vor 100 Jahren wurde er zum ersten deutschen Reichspräsidenten gewählt.
Friedrich Ebert spricht am 11. Februar 1919 vor der Nationalversammlung. Diese hat ihn gerade zum ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt. Es ist der Aufbruch in die erste deutsche Demokratie, zum ersten Mal haben die Deutschen ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt. Ebert bedankt sich und verspricht, sein Amt unparteiisch ausüben zu wollen. An seinen politischen Wurzeln hält er trotzdem fest. "Ich bekenne aber auch, dass ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin, aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus, und dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleugnen gesonnen bin." Friedrich Ebert ist und bleibt Sozialdemokrat.
Der geborene Sozialdemokrat
Geboren im Jahr der Reichsgründung 1871, wächst Friedrich Ebert im Heidelberger Arbeitermilieu auf. An höhere Bildung ist nicht zu denken. Sie ist zu dieser Zeit noch immer ein Privileg der Eliten. Eine politische Karriere: Für jemanden von Eberts Herkunft eigentlich unmöglich. Die Familie lebt eingeengt auf nur 47 Quadratmetern. Er ist eines von neun Kindern. Mit vierzehn Jahren verlässt Friedrich Ebert die Schule und beginnt eine Sattlerlehre. Anschließend geht er auf Gesellenwanderschaft, während der er sich 1889 der noch von Bismarck verfolgten Sozialdemokratie anschließt. Seine Wanderung führt ihn letztlich nach Bremen. Dort betreibt er mit seiner Frau Louise eine Gastwirtschaft. Ihr Name "Zur guten Hilfe" ist mit Bedacht gewählt, das Lokal ist ein Treffpunkt für Sozialdemokraten und Gewerkschafter.
Friedrich Ebert erweist sich als ein großer Organisator und Taktiker. Fähigkeiten, die ihm für seine steile politische Karriere in der SPD nicht nur in Bremen von Nutzen sind. Genau diese Eigenschaften sind es, die ihn 1905 nach Berlin bringen, wo er zunächst SPD-Vorstandssekretär wird und sich dann an die Spitze der Partei emporarbeitet. Sein Mitvorsitzender Hugo Haase wechselt im Krieg zur sich von der SPD abspaltenden Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Ebert steht nun allein an der Spitze der Mehrheitssozialdemokraten.
Trotz seines festen Platzes in der deutschen Geschichte ist Friedrich Ebert nicht als schillernde Persönlichkeit in Erinnerung. Als Person bleibt er für die Nachwelt unnahbar. Er ist kein Charismatiker. Ein persönlicher Nachlass fehlt. Verloren gegangen ist dieser in den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs. Außerdem unterliegt jede Betrachtung der Weimarer Republik, wie Historiker Martin Sabrow schreibt, immer dem Eindruck ihres letztendlichen Scheiterns. Entsprechend werden Politiker dieser Zeit nicht gerade für ihre Leistungen gefeiert.
Konterrevolutionär und Vorreiter der Demokratie
Zu Beginn des Krieges 1914 stimmt Ebert mit allen SPD-Abgeordneten im Parlament für die Kriegskredite. Die Entscheidung ermöglicht die Mobilmachung, bringt die deutsche Kriegsmaschinerie ins Rollen. Später verweigert der prominente Parteigenosse Karl Liebknecht seine Zustimmung zu weiteren Kriegskrediten, bekommt immer mehr Zuspruch der Kriegsgegner innerhalb der Partei. Ebert kämpft dafür, die auseinanderdriftenden Flügel der SPD zusammenzuhalten. Die Linken spalten sich aber in der zweiten Hälfte des Krieges von der SPD ab, gründen die USPD, der sich auch die radikale Spartakusgruppe um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht anschließt. Ebert nimmt durch seine Befürwortung der Kriegskredite eine Mittlerrolle zwischen den anderen Parteien ein. Er wird auch von den konservativen Fraktionen im Parlament zunehmend akzeptiert.
Im November 1918 bricht schließlich die Revolution aus, das Deutsche Reich verliert den Ersten Weltkrieg. Über die politische Zukunft des Reiches herrschen unterschiedliche Vorstellungen. Die Sozialisten um Liebknecht und Luxemburg streben ein Rätesystem nach bolschewistischem Vorbild an. Friedrich Ebert will aber mit seinen Mehrheitssozialdemokraten hingegen demokratische Reformen.
Kaiser Wilhelm II. flieht ins Exil nach Holland. Der bisherige Kanzler Prinz Max von Baden überträgt die Zukunft des Reiches an Ebert. Mahnend sagt er zu: "Herr Ebert, ich lege Ihnen das Deutsche Reich ans Herz". An seiner Hingabe für das Reich lässt Ebert keinen Zweifel aufkommen. Knapp erwidert er: "Ich habe zwei Söhne für dieses Reich verloren". Der Tod seiner Söhne Heinrich und Georg an der Front ist für ihn ein persönlicher Ansporn, das Reich zu retten und ein funktionsfähiges politisches System zu etablieren.
Die Monarchie will Ebert im Herbst 1918 noch nicht zwingend komplett abschaffen. Doch dann ruft sein Parteikollege Philipp Scheidemann am 9. November vom Balkon des Reichstagsgebäudes: "Es lebe die deutsche Republik". Die Ausrufung der Republik ist spontan und, wie Ebert meint, voreilig. Er ist empört, obwohl Scheidemann nur dem Sozialisten Liebknecht mit dessen Ausrufung einer sozialistischen Republik hatte zuvorkommen wollen. Eberts eigentlicher Wunsch war ein anderer: "Was aus Deutschland wird, ob Republik oder was sonst, das entscheidet eine Konstituante!" Doch Ebert findet sich mit Scheidemanns Vorpreschen ab. Der Kurs der SPD ist nun antimonarchistisch.
Vom Kanzler zum Präsidenten
Reichskanzler ist Ebert nur für einen Tag. Das Amt ist ihm nicht verfassungsgemäß übertragen worden. Er selbst will aber, dass alles in geregelten Bahnen verläuft. Am 10. November 1918 setzt er eine Übergangsregierung aus SPD und USPD ein, den Rat der Volksbeauftragten. Sie müssen das Nachkriegsdeutschland neu ordnen. Ihr Ziel: Schnellstmöglich Wahlen für eine verfassungsgebende Nationalversammlung organisieren.
Januar 1919: Sozialisten und Kommunisten wollen die anstehende Wahl zur Nationalversammlung verhindern. Sie starten einen bewaffneten Aufstand. Rechte Freikorpsverbände führen im Auftrag der provisorischen Regierung einen blutigen Kampf gegen die linksradikalen Aufständischen und ermorden deren Anführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Ob das auch unter dem Wissen und mit der Duldung Eberts geschieht, ist bis heute umstritten.
Am 11. Februar 1919 wird Ebert von der ersten Nationalversammlung zum Präsidenten gewählt. Das Amt wird er bis zu seinem Tod innehaben. Es beginnt eine erste stabile Phase der Weimarer Republik. Präsident aller Deutschen will Ebert sein. Es gelingt ihm nicht vollständig. Er muss Kritik, Schmähungen und Verleumdungen ertragen.
Der verspottete Präsident
Ein Bild macht Furore. Es wird im Sommer 1919 publiziert. Am Tag von Eberts Vereidigung als Reichspräsident. Auf dem Foto sind Ebert selbst und Reichswehrminister Gustav Noske am Ostseestrand zu sehen. Sie tragen kurze Badehosen. Ein Skandal. So etwas ziemt sich nicht im prüden Weimar. Rechte Kreise machen sich das Bild zunutze, spotten und verhöhnen den Präsidenten. Es bleibt nicht die einzige diffamierende Darstellung. Auch mit vielen anderen Anfeindungen hat Friedrich Ebert bis zu seinem Tod zu tun. Der zukünftige Bundespräsident Theodor Heuss sagt dazu viele Jahre später: "Lincoln wurde von Kugeln gemordet, Ebert mit Worten gemordet. Ich weiß nicht, was das schlimmere Schicksal war".
Ein Prozessurteil trifft Ebert im Jahr 1924 hart. Im Januar 1918 hatte er sich beim Streik von Rüstungsarbeitern an der Streikleitung beteiligt. Eigentlich wollte er nur beschwichtigen und den linksradikal motivierten Streik schnell beilegen. Sechs Jahre später kommt das Gericht allerdings zu dem Urteil, dass sich Ebert damals im strafrechtlichen Sinne des "Landesverrats" schuldig gemacht habe. Eine Demütigung für den Mann, der sich seit Jahrzehnten nach eigener Überzeugung unermüdlich für das Wohl Deutschlands eingesetzt hatte und dabei die eigene Gesundheit vernachlässigt hat.
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Am 28. Februar 1925 stirbt Friedrich Ebert an einer wegen des Gerichtsverfahrens verschleppten Blinddarmentzündung. Wenige Tage zuvor wurde er noch operiert. Zu spät. Er wird nur 54 Jahre alt.
Friedrich Ebert nahm eine eher unauffällige Rolle in der Umbruchzeit nach dem Ersten Weltkrieg ein. Doch er war derjenige, der die Demokratie in Deutschland etablierte. Auch wenn dieser erste Versuch letztlich scheitern sollte.
- Sehepunkte: Rezension von Wolfgang Elz zu Walter Mühlhausen: Friedrich Ebert 1871-1925. Reichspräsident der Weimarer Republik, 2006.
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