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Lamya Kaddor über Gebetsräume: Man geht nicht in die Uni, um zu beten


Studieren, nicht beten
Unis brauchen keine Moscheeräume

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

19.10.2018Lesedauer: 3 Min.
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Studierende der Universität Bonn feiern 2015 ihren Abschluss: An Hochschulen soll man lernen, lehren, diskutieren. Beten kann man auch anderswo.Vergrößern des Bildes
Studierende der Universität Bonn feiern 2015 ihren Abschluss: An Hochschulen soll man lernen, lehren, diskutieren. Beten kann man auch anderswo. (Quelle: Andreas Rentz/Getty Images)

Regelmäßig treten Streitigkeiten über Gebetsräume an deutschen Unis auf. Oft sind Muslime beteiligt. Was soll das Theater? An die Uni geht man zum Studieren, nicht zum Beten.

Viele Universitäten in Deutschland haben sich schon damit auseinandersetzt, ob sie einen Gebetsraum für ihre Studierenden einrichten sollen. An einigen Hochschulen gibt es sie und alles funktioniert geräuschlos. Aber immer wieder entwickeln sich um diese Räume aufsehenerregende Kontroversen. Häufig sind muslimische Studierende beteiligt.

Vor einigen Jahren wurde der Raum an der Uni Bochum ohne Rücksprache zur Moschee umfunktioniert. Gläubige zogen einen Vorhang in der Mitte ein, um Männer und Frauen beim Gebet zu trennen. Ähnliches geschah an der TU Dortmund und an der Uni Hamburg.

Wozu bitte braucht eine Universität eigentlich überhaupt einen Gebetsraum? Die Uni ist ein Ort, der Wissen schafft und Bildung vermittelt, ein Ort des fachlichen Disputs und des kritischen Denkens. Sie ist kein Ort der inneren Einkehr und religiösen Hingabe.

Wer beten möchte, geht in eine Moschee, eine Kirche, Synagoge oder in einen Tempel.

Auch Muslime können entscheiden, wo sie beten

Auch Muslime müssen nicht auf Ausnahmeregelungen drängen, weil sie als Einzige fünfmal am Tag zu bestimmten Zeiten zum Gebet aufgefordert sind. Wer die Gebetszeiten strikt einhalten will und keine Moschee in der Nähe hat, soll zu Hause, bei Kommilitonen, Freunden oder Angehörigen beten.

In Gemeinschaft zu beten, ist theologisch sowieso nur empfohlen, nicht verpflichtend. Lediglich das Freitagsgebet ist Pflicht, aber auch nur für Männer, und es sollte sowieso in der zentralen Moschee verrichtet werden. Zudem kennen selbst strengste Gläubige die Möglichkeit, Gebete nachzuholen, wenn man sie versäumt hat.

Gebetsräume sind also Angebote von Universitäten, nichts, worauf jemand ein Anrecht hätte. Man nimmt sie dankbar an oder lässt es, aber man kapert sie nicht. In einen allgemeinen Gebetsraum eine Trennung für Männer und Frauen einzuziehen, um damit eine konservative Auslegung des Islams zu erzwingen, führt zu weit.

Fragwürdige Wortführer

Studierende, die die Schließung muslimischer Gebetsräume traurig finden, sollten sich fragen, warum sie oft fragwürdige Wortführer gewähren lassen.

Wer sich für ein Studium entscheidet, sollte den Fokus auf seine Ausbildung legen. Hierzu passt in einer vielfältigen, multireligiösen und säkularen Umgebung nur dann eine spezifische Religion, wenn das niemand anderen stört. Aber genau das scheint eben nicht gegeben zu sein.

Keine Uni, keine sonstige öffentliche Einrichtung, kein Arbeitgeber in Deutschland hat eine moralische oder gar gesellschaftliche Pflicht, Gebetsmöglichkeiten zu schaffen. An einer Universität muss Religion als Forschungsgegenstand Platz haben. Mehr nicht.

Orte der Ruhe für alle statt Orte des Gebets

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Räume der Besinnung können trotzdem sinnvoll sein. Demnächst soll an der Uni Duisburg-Essen ein Raum der Stille eröffnet werden, in dem die Nutzungsordnung religiöser Rituale untersagt ist – auf Nachfrage der "WAZ" konkretisierte die Hochschulleitung, damit seien Gemeinschaftsgebete oder das Ausrollen eines Gebetsteppichs gemeint.

Das ist der richtige Weg. Einen Ort zur Verfügung zu stellen, wo wirklich jeder zur Ruhe kommen kann, um den Stress und Leistungsdruck des Studiums abzubauen, ist ein sinnvoller Gedanke.

Ich selbst habe als Studentin der Islamwissenschaft und als Uni-Dozentin im Bereich Islamische Theologie und Religionspädagogik nie Forderungen nach Einrichtung von Gebetsräumen erlebt. Wozu also das Theater?

Angesichts der aufgeheizten Debatten heute scheint es mir bei einigen Gläubigen weniger um echte Spiritualität zu gehen, sondern mehr um den Wunsch nach Provokation. Womöglich werden Forderungen nach Moscheeräumen auch deshalb gestellt, um die eigene Position in der Mehrheitsgesellschaft zu eruieren, um herauszufinden, wie weit man gehen kann.

Die treibenden Kräfte sind manchmal nicht nur Studierende auf der Suche nach seelischem Frieden. Im Umfeld von Hochschulen finden sich seit Jahren religiöse Aktivisten, manche aus fundamentalistischen und islamistischen Kreisen, für die solche Gebetsräume interessant sind.

In einer Zeit, in der Muslime zwischen Islamisten und Islamfeinde geraten, sind Instrumentalisierungen von Gebetsräumen gefährlich. Deshalb ist es besser, wenn Unis darauf verzichten oder sie als Räume der Stille umwidmen.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin und leitet derzeit ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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