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Männer dominieren Islamverbände: Muslime, macht Platz für die Frauen!


Meinung
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Männer-Verbände
Muslime, macht Platz für die Frauen!

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

04.05.2018Lesedauer: 3 Min.
Der Bundespräsident mit muslimischen Männern im April: Frank-Walter Steinmeier (Zweiter von rechts) empfängt Vertreter der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS). Unsere Kolumnistin Lamya Kaddor fragt: Wo bleiben da die Frauen?Vergrößern des Bildes
Der Bundespräsident mit muslimischen Männern im April: Frank-Walter Steinmeier (Zweiter von rechts) empfängt Vertreter der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS). Unsere Kolumnistin Lamya Kaddor fragt: Wo bleiben da die Frauen? (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Fotos, die eine bittere Wahrheit zeigen: Die großen deutschen Islamverbände werden von Männern geführt. Der Alltag der Muslime sieht zwar anders aus. Ein Problem ist es trotzdem.

Sie haben es schon wieder getan. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Vertreter islamischer Verbände in Deutschland haben sich in trauter männlicher Verbundenheit im Schloss Bellevue getroffen. Im Januar waren die großen sunnitisch geprägten Verbände geladen, Anfang der Woche eine Vertretung der Schiiten. Dabei entstanden zwei aussagekräftige Fotos: Männer unter sich. Einmal wird Steinmeier von neun muslimischen Funktionären umrahmt, einmal von dreien.

Gut, es gibt gewiss Gravierenderes bei diesen Verbänden zu beanstanden. Die Nähe zum Iran, zur Türkei oder zu Saudi-Arabien beispielsweise sorgt seit Langem für Diskussionen. Emanzipation ist da vielleicht nicht der vorrangigste Kritikpunkt. Doch der Umgang mit Frauen ist bezeichnend für die Schwierigkeiten großer Teile des organisierten Islams in Deutschland.

Eine komplette Hälfte der Bevölkerung außen vor

Die Runden beim Bundespräsidenten wollten sich über Religion und Integration austauschen, und ausgerechnet bei solchen Themen klammert "Mann" eine komplette Hälfte der Bevölkerung aus? Offenkundig herrscht noch die Vorstellung: Frauen haben dazu eh nichts zu sagen, ihr Platz ist am Herd. Wer sich über solche Schlussfolgerungen ärgert, sollte in Ruhe über die Aussagekraft besagter Fotos im heutigen Deutschland nachdenken.

Doch entstehen solche Fotos nun aus Unvermögen oder sind sie schlicht ein Abbild der Realität? Nach meinem Kenntnisstand gibt es derzeit in den vier großen Islamverbänden Ditib, Islamrat, VIKZ und Zentralrat der Muslime sowie der IGS, dem Dachverband schiitischer Gemeinden in Deutschland, 38 Vorstandsmitglieder. Davon sind 3, in Worten drei, Frauen. Das entspricht acht Prozent.

Da stehen selbst die DAX-Vorstände mit etwa 13 Prozent noch besser da. Selbstredend ist niemand von den drei Frauen in den Islamverbänden die Chefin. Auf Nachfrage bei einem IGS-Vorstandsmitglied erhielt ich die Antwort, dass eigentlich eine Frau beim Treffen mit Steinmeier hätte dabei sein sollen. Doch sie habe kurzfristig absagen müssen.

Männerbünde sind Zeichen für traditionalistische Vorstellungswelt

Diese Männerbünde sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass die großen deutschen Islamverbände nach wie vor in der traditionalistischen Vorstellungswelt der ersten Einwanderergenerationen, die aus überwiegend patriarchalen Gesellschaftsteilen kamen, verhaftet sind. Gut 40 Jahre nach den ersten Vereinsgründungen in einem modernen Rechtsstaat sollte langsam die Zeit kommen, daran etwas zu ändern. Theologisch lägen dafür keinerlei Steine im Weg.

Beim 2010 gegründeten Liberal-islamischen Bund (LIB) zum Beispiel haben Frauen seit jeher eine tragende Rolle gespielt. Vorsitzende war immer eine Frau. Es könnte mir also egal sein, was andere Vereine machen. Doch die Steinmeier-Bilder haben eine verheerende Wirkung für alle, denn sie scheinen eine zentrale Kritik an Muslimen zu bestätigen: die Unterdrückung der Frau.

Islamhasser lieben solche Motive, sie können sie prima für ihre ideologischen Zwecke verwenden. Die Kritik an der männlichen Überrepräsentanz des organisierten Islam in Deutschland ist jedoch nicht islamfeindlich, sondern trifft den Nagel auf den Kopf.

Der Alltag entspricht nicht den Fotos

Im Alltag freilich sind viele Musliminnen alles andere als unterdrückt. Die meisten davon haben allerdings schlicht keine Lust auf irgendwelche islamische Funktionärsarbeit. Ich selbst wurde und werde von muslimischen Männern auch deshalb angefeindet, weil ich mich als Frau äußere, sodass ich es durchaus nachvollziehen kann, wenn sich meine Geschlechtsgenossinnen diesen "Kampf" nicht antun wollen. Richtig finde ich das dennoch nicht.

Vielleicht wollten Frauen selbst nicht dabei sein, argumentieren einige Glaubensbrüder. Das ist natürlich eine bequeme Haltung aus Sicht eines Mannes, um anschließend die Hände in den Schoß zu legen. Vielleicht liegt es ja an eben dieser Männerdominanz, dass viele Frauen nicht dabei sein wollen?

Andere argumentieren, es gingen nun einmal primär Männer in die Moscheen, da Frauen nicht verpflichtet seien, an Gemeinschaftsgebeten teilzunehmen. Auch das ist für Männer eine recht bequeme Haltung. Abgesehen davon gibt es durchaus viele muslimische Frauen, die sich ehrenamtlich im Kontext von Moscheearbeit engagieren und die etwa bei Festivitäten stets parat stehen. Aber wollen die Verbände nun den Islam vertreten oder die Moscheebesucher?

Der organisierte Islam steht hier mies da

Man kann es drehen und wenden wie man will: Zum Islam gehören ganz wesentlich die Frauen. Die Hälfte einer Gesellschaft auszuschließen, kann nicht zum Ziel führen, erst recht nicht in einem modernen, demokratischen Land wie Deutschland. Der organisierte Islam steht hier ganz mies da.

Dies gerade rücken zu wollen, hat nichts mit dem oft männlichen Missverständnis von Feminismus zu tun, wonach Frauen die gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse angeblich einfach nur umdrehen wollten, um die Männer zu verdrängen. Es geht schlicht um die gleichberechtigte Teilhabe. Und das heißt: Männer, tretet zur Seite! Macht Platz für die Frauen! Sonst werden wir alle verlieren.

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