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Kopftuchverbot für Kinder: Wir brauchen eine Islam-Pause!


Meinung
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Debatte um Kopftuchverbot
Wir brauchen eine Islam-Pause!

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

13.04.2018Lesedauer: 4 Min.
Ein Mädchen mit Kopftuch in einer Schule: Politiker wollen das verbieten.Vergrößern des Bildes
Ein Mädchen mit Kopftuch in einer Schule: Politiker wollen das verbieten. (Quelle: Wolfram Kastl/dpa)
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Ist der moderne Konservatismus in Deutschland tot? Wenn man die ewigen Debatten um den Islam und die aktuelle Idee eines Kopftuchverbots für Kinder betrachtet, kann man zu diesem Schluss kommen.

Es tut mir in der Seele weh, wenn Eltern ihre kleinen Mädchen de facto sexualisieren, indem sie sie unter ein islamisches Kopftuch zwingen, um ihre vermeintliche Scham zu schützen. Das entbehrt jeglicher religiöser Grundlage. Wer so handelt, ist Fundamentalist oder religiös verblendet.

Kinder können sich auch nicht freiwillig für ein Kopftuch entscheiden, und Überlegungen, sie fürs spätere Leben daran zu gewöhnen, sind rücksichtslos. Der Grundgedanke eines Kopftuchverbots für Unter-14-Jährige ist also absolut nachvollziehbar, der Sinn einer solchen pauschalen Regelung indes zweifelhaft. Und die Motivation manch treibender Kraft wirft Fragen auf.

Verbände sehen keinen Bedarf für Kopftuchverbot

In Nordrhein-Westfalen sieht der Grundschulverband (das sind übrigens die, die sich mit dem Thema auskennen!) keinen Handlungsbedarf. Die Landesvorsitzende Christiane Mika, selbst Leiterin einer Grundschule im Dortmunder Norden mit 280 Muslimen unter 345 Schülern, sagte der “Rheinischen Post“, die Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt erscheine wenig sensibel und hilfreich. Ihr Pendant an den Gesamtschulen, Mario Vallana, sieht in Kopftüchern bei Kindern „derzeit kein relevantes Phänomen“.

Ich selbst habe an einer Grundschule in Dinslaken-Lohberg mit überwiegend muslimischen Kindern unterrichtet, mir ist kein einziges Mädchen mit Kopftuch begegnet. Außerdem: Was ist mit Beschneidung? Taufen? Ohrlöchern? Auch alles für Kinder untersagen? Willkommen in der Verbots-Republik!

Kurz: Wir brauchen gegenwärtig kein gesetzliches Verbot, das am Ende weitere familien- und religionsrechtliche Probleme erzeugt. Wir brauchen personell gut aufgestellte Schulen, die gegebenenfalls kompetent das Gespräche mit Eltern suchen, um deren wirre Islamvorstellung für ihre Töchter aus der Welt zu schaffen; gerne mit Hilfe von Islamlehrern und örtlichen Imamen.

Den Politikern geht es nicht um das Wohl der Mädchen

Aber mal ehrlich, um all das geht es doch gar nicht. Genau so wie es bei den unsäglichen Debatten über Burka-Verbote nie um die Sache geht. Es sind Phantomdiskussionen. Glaubt wirklich jemand, den Politikern, insbesondere aus dem konservativen Spektrum, ginge es ums Wohlergehen zugewanderter muslimischer Mädchen? Ich kann das nicht glauben. Einzelne mögen hehre Absichten verfolgen, aber letztlich zielt das Ganze doch auf billige parteipolitische Manöver und persönliche Profilschärfung ab.

Das gilt übrigens auch für manche Funktionäre und Experten. Während die einen dankbar für den Vorstoß sind, weil sie endlich eine Verbotsidee zum Islam sympathisch finden dürfen und sich so als kritische Geister darstellen können, schielen die anderen auf potenzielle Wähler. Und am Ende des Tages werden wir Bürger in dieser Debatte wieder mal von der Öffentlichkeit für dumm verkauft.

In fast allen Auseinandersetzungen mit dem Thema Islam mag man den Seehofers, Dobrindts, Gaulands, Weidels, Spahns dieses Landes zurufen: Seid ihr noch zu retten? Was ist das für eine politische Bankrotterklärung der Erben des einst großen Konservatismus adenauerscher Prägung, wenn das einzige, was euch im 21. Jahrhundert noch einfällt, die Abgrenzung von Muslimen ist?

Krankhafte Fixierung auf den Islam

Seit Jahr und Tag arbeitet ihr euch an dieser mickrigen Minderheit von fünf Prozent der Gesellschaft ab. Islam. Islam. Islam. Keine öffentliche Rede, kein Interview von euch kommt mehr ohne Islam, Islam, Islam aus. Diese Fixierung trägt krankhafte Züge. Sollte es wirklich keine anderen Ansätzen mehr geben, dann ist der Konservatismus in Deutschland tot. Dann gibt es nur noch linkes, liberales und faschistoides Denken.

Das darf nicht sein! Ein moderner, positiver Konservatismus, der die eigenen Werte hochhebt, statt die anderer zu verteufeln, ist essenziell fürs Wesen einer demokratischen Gesellschaft. Der Historiker Paul Nolte konstatierte bereits im Juli 2001 in einem Essay für "Die Zeit", die zeitgemäße Weiterentwicklung des Profils eines aufgeklärten Konservatismus sei seit Mitte der achtziger Jahre versäumt worden.

Den Satz unterschreibe ich noch heute gern. Das einzige Novum, das seitdem Fahrt aufnahm, ist das holzschnittartige Brandmarken von Muslimen. Das ist doch kein Angebot für Wähler! Nur weil ein paar Hetzer ohne Freude im Leben ununterbrochen an Muslime denken und das Megaphon "Internet" ihre Haltung übersteuert echoisiert, glauben Parteistrategen, deutsche Konservative dächten ebenfalls pausenlos an Islam, Islam, Islam und kennten nichts anderes im Leben. Das ist so abstrus wie weltfremd und stumpfsinnig.

Konservatismus in der Krise

Keine Frage, der Konservatismus steckt in einer Krise und nichts Zukunftsweisendes vermag sich am Horizont aufzutun. Im Gegenteil. Man ist gefangen in alten, naiven Reflexen. Die Gewalttat in meinem Studienort Münster hat es erneut gezeigt. Minuten nach der ersten Eilmeldung, es ist noch nichts klar, legt Beatrix von Storch die Lunte: der Täter muss Flüchtling, (Achtung: rassistischer Sprachgebrauch) Passdeutscher, Muslim sein. Ebenso rasch kommt bar jeder Kenntnis aus dem rechten, konservativen Lager Zustimmung von den üblichen Verdächtigen. Später wird dann relativiert, wortgeklaubert, selbst-verteidigt und das angeblich links-grün-versiffte Land beschimpft. So geht es nach jedem Bekanntwerden einer Gewalttat. Immer und immer wieder.

Schlimmer noch ist aber, die Krise des Konservatismus wirkt sich längst auf andere aus. Von Storchs Einlassung war so dämlich wie erwartbar. Jeder weiß, wie die AfD funktioniert. Trotzdem läuft die Empörungsmaschinerie automatisiert an: Politiker echauffieren sich darüber, Medien greifen es begierig auf und Frau von Storch erhält noch mehr Öffentlichkeit, worüber sie sich diebisch freut. Denn ihren Anhängern ist es schließlich – wie bei Trump – egal, ob sie Unsinn redet.

Der Ausweg aus der Misere: Wir brauchen eine Islam-Pause. Dringend. Die positiven Effekte der massiven Islamdebatten in den vergangenen Jahren sind gering, die negativen dagegen gewaltig. Alle bisherigen Verbotsvorstöße in diesem Kontext gehen substanziell ins Leere, weil sie die echten Probleme allenfalls tangieren. Was wir davon ernten, ist vor allem zunehmende gesellschaftliche Spaltung. Sie wird möglicherweise irgendwann unkontrollierbar. Und am Ende will es dann wieder keiner gewesen sein.

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