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Lamya Kaddor: Islamverbänden fehlt Gespür für Deutschland


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Türkischer Nationalismus
Ditib betet für türkischen Sieg in Syrien

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

26.01.2018Lesedauer: 5 Min.
Deutsche und türkische Fahne vor einer DITIB-Moschee in Hamburg: Man dürfe Religion und Politik nicht miteinander vermischen, schreibt t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor.Vergrößern des Bildes
Deutsche und türkische Fahne vor einer DITIB-Moschee in Hamburg: Man dürfe Religion und Politik nicht miteinander vermischen, schreibt t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor. (Quelle: Christian Charisius/dpa)

Der größte deutsche Islamverband Ditib steht mal wieder in der Kritik. Diesmal, weil in seinen Reihen für den Sieg der türkischen Armee gegen kurdische Milizen in Syrien gebetet wurde. Die Türkei ist für den Verband auch nach 40 Jahren immer noch wichtiger als Deutschland. Das ist ein Problem.

Fast könnte einem der größte Islamverband in Deutschland leidtun. Schon wieder steht die Ditib recht unbeholfen am Pranger und fühlt sich zu Unrecht gescholten. Aber selbst wenn sich Islamhasser begierig auf die Sache stürzen, es stimmt nicht, dass die Vorwürfe immer anti-muslimisch oder anti-türkisch motiviert sind. Die Ditib steht nicht zu Unrecht in der Kritik.

Zentrale hätte die Gebete unterbinden können

Der Verband mit Hauptsitz in Köln soll seine Moscheen zu Freitagsgebeten für die Afrin-Offensive der türkischen Armee gegen kurdische Milizen in Nordsyrien angehalten haben. Die Verantwortlichen weisen das zurück. Jede Ditib-Gemeinde bestimme selbst, welche Gebete sie spreche, heißt es in einer Pressemitteilung. Einen Aufruf habe es nicht gegeben. Diese Aussage mag zutreffen, dennoch wird die Öffentlichkeit damit an der Nase herumgeführt.

Fakt ist: Es gab in Ditib-Gemeinden Bezüge zur Militäraktion. Es wäre für die Kölner Zentrale ein Leichtes gewesen, die Vorgabe zu machen, das Thema von offizieller Seite aus, also von Vorständen und Imamen, nicht zu thematisieren. Kaum ein deutscher Islamverband ist derart straff durchorganisiert wie die Ditib. An der Basis passiert nichts, was die Zentrale missbilligt. Das weiß jeder, der schon einmal versucht hat, etwa für Forschungen oder journalistische Berichterstattungen Kontakt zu Gemeinden aufzunehmen. Auch Gemeindemitglieder, die schon einmal eigene Wege gehen wollten, wissen das. Ohne Plazet aus Köln geht nichts.

Ditib streut Öffentlichkeit Sand in die Augen

Mit ihrer Begründung unter Hinweis auf die Religionsfreiheit, man könne keine Vorgaben zur Auswahl von Gebeten machen, "eine Beeinflussung wäre rechtswidrig", streuen die Ditib-Verantwortlichen der Öffentlichkeit zusätzlich Sand in die Augen. Zum einen gibt eine Predigtkommission wöchentlich Texte für die Freitagsgebete vor, zum anderen hat der Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara, Ali Erbaş, als deren verlängerter Arm die Ditib gilt, explizit zu Gebeten für den Sieg der türkischen Armee aufgerufen. Die Gefallenen ehrt er als islamische Märtyrer.

Der türkische AKP-Politiker und frühere Generalsekretär der Millî Görüş in Deutschland, Mustafa Yeneroglu, sagte im "Deutschlandfunk" über die Gebete bei der Ditib, für ihn seien die Inhalte kein Grund zur Aufregung. Es werde nicht für den Krieg gebetet, sondern für das Überleben von türkischen Soldaten, deren Verbündete und die Sicherheit der Türkei.

Man hätte ganz allgemein für den Frieden aller beten können

Wenn hierzulande dafür gebetet wird, ist das nichts anderes als Nationalismus – und zwar türkischer Nationalismus in Deutschland. Und das kann ein Problem für unser Zusammenleben darstellen.

Zudem widerspricht es dem völker- und nationenübergreifenden Geist des Islam. Auch kurdische Kämpfer sind Muslime. Wenn es hier wirklich um Religion ginge, wie kann man dann nur für eine Seite beten? Statt Gott für das Heil der türkischen Soldaten allein zu bitten, hätte man ganz allgemein für den Frieden aller beten können.

Mir geht es nicht darum, dass in der Türkei für gefallene türkische Soldaten gebetet wird. Mir geht es ebenso wenig um die sicherheitspolitische Bewertung der Afrin-Offensive. Ich kann und will an dieser Stelle nicht einschätzen, ob die Türkei damit legitime Sicherheitsinteressen vertritt oder nicht. Mir geht es um Deutschland. Der größte deutsche Islamverband, der hier seit Jahrzehnten als Religionsgemeinschaft anerkannt werden will, hat sich aus solchen politischen Gegebenheiten im Ausland herauszuhalten – zumindest in der Religionspflege.

Türkei für Ditib immer noch wichtiger

Seit der Gründung vor fast 40 Jahren aber gelingt es der Ditib-Spitze nicht, sich von der türkischen Innenpolitik zu emanzipieren. Die Türkei ist für die Ditib immer noch wichtiger als Deutschland. Herz und Verstand gehören dem Land der Väter und Großväter. Genau das ist das Hauptproblem mit diesem Islamverband, der so gerne Religionsgemeinschaft sein will. Und auch deshalb gerät er so oft in Konflikt mit der deutschen Gesellschaft und Politik.

Immerhin, so könnte man meinen, habe sich die Ditib zeitnah zu der Kritik geäußert. Ein Fortschritt im Vergleich zu früher. Nur wurde dabei nicht die kritisierte Haltung zur Afrin-Offensive ins Zentrum gestellt. Herausgehoben wurden stattdessen die Übergriffe auf (zu dem Zeitpunkt noch) zwei Ditib-Moscheen in Minden und Leipzig. Darüber freuen sich all jene vorurteilsbehafteten Vereinfacher, die Muslimen eine permanente Opferhaltung vorhalten und die Fähigkeit zur selbstkritischen Auseinandersetzung absprechen. Man möchte dem Verband endlich mal eine professionelle Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit wünschen, die den Herzschlag unserer Gesellschaft spürt.

Kritik an der Ditib ist geboten

Kritik an der Ditib ist somit nicht nur angebracht, sondern geboten. Aber wie so oft, wenn es heutzutage um Islam und Türkei geht, nutzen viele diesen Anlass zur Hetze. Damit wir uns nicht missverstehen, die Angriffe auf die Moscheen in Minden, Leipzig und in anderen Städten sind hinterhältige und feige Taten von Menschen voller Hass und Ignoranz. Sie sind scharf zu verurteilen. Und von offizieller Seite kommt dazu erschreckend wenig.

Dabei wäre das enorm wichtig, um Vertrauen zu schaffen, Vertrauen nicht bei den Funktionären der Ditib, sondern den vielen türkischstämmigen und muslimischen Menschen in Deutschland, die sich bei solchen Anschlägen zu Recht fragen: Und warum nimmt der deutsche Staat uns hier nicht eindeutig in Schutz?

Kritik muss fair bleiben. Und zur Fairness gehört übrigens auch diese Klarstellung: Die YPG, die manche im Westen leichtfertig zu Helden stilisieren, weil sie gegen den IS kämpfen und keine religiösen Fanatiker sind, ist nicht so unbefleckt: Sie stehen der PKK nahe, und die trägt primär den Terror in türkische Städte. Die YPG paktierte (stillschweigend) immer wieder mit Syriens Diktatur. PKK und YPG arbeiten mit Repressionen, um sich die Unterstützung der Bevölkerung zu sichern; unter Kurden offene Kritik an ihnen zu üben, ist heikel. Ferner gehen die jüngsten Moscheeanschläge womöglich auf Anhänger oder Sympathisanten dieser Gruppen zurück. So einfach, wie es sich einige mit den kurdischen Milizen machen, ist es jedenfalls nicht.

Man darf Religion und Politik nicht vermischen

Fazit: Wäre es gewollt, würde es bei der Ditib keine religiösen Bekundungen zur "Operation Olivenzweig" geben, wie die Offensive in der Türkei genannt wird. Die Gemeinden in Deutschland könnten auch eigenständig die Sensibilität aufbringen, entgegen der Empfehlung des Diyanet-Präsidenten nicht Sure 48 mit Namen "Der Sieg" (arabisch: al-Fath, türkisch: Fetih) zu lesen, die von vielen im Sinne eines militärischen Erfolgs über einen Feind interpretiert wird.

Man darf Religion und Politik nicht miteinander vermischen. Das muss immer kritisiert werden, sonst kann heutzutage kein Frieden entstehen. Das gilt umso mehr in einem postfaktischen Zeitalter, wo Aussagen dauernd überzeichnet werden. Der aktuelle Vorfall mit der Ditib bestätigt zum wiederholten Mal das mangelnde Gespür so mancher Islamverbände in Deutschland für die hiesigen Herausforderungen des Zusammenlebens.

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