Weitere Spitzen gegen Laschet Söders Verhalten überschattet den Unions-Wahlauftakt
Die Sticheleien von Markus Söder gegen Kanzlerkandidat Armin Laschet lassen nicht nach. Auch bei der gemeinsamen Auftaktveranstaltung der Union zum Wahlkampf provozierte der CSU-Chef.
Als Markus Söder im Berliner Tempodrom breitbeinig am Pult steht und die vorgesehene Zeit für seine Rede um eine Minute nach der anderen überzieht, wächst bei den Organisatoren des Unions-Wahlkampfauftaktes hinter der Bühne die Verärgerung. Eingeplant waren 15 Minuten, weil eindeutig Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Zentrum der Veranstaltung stehen soll. Der gemeinsame Auftritt mit Kanzlerin Angela Merkel, Söder und Laschet am Samstagabend soll schließlich die aus Sicht der Union nötige Wende im Wahlkampf bringen.
Aber als Söder gegen Ende seiner 30-minütigen Rede dann auch noch auf die Mütterrente, einen der Streitpunkte zwischen CDU und CSU zu sprechen kommt, blicken sich Merkel und Laschet in der ersten Reihe wortlos an. Dann fordert er, anders als der Kanzlerkandidat, auch noch Steuersenkungen für den Mittelstand.
Streit der Schwesterparteien
Der erwünschte Effekt eines nahtlos harmonischen Auftritts der Schwesterparteien ist damit zumindest geschmälert, auch wenn Söder in seiner Rede den von der CDU gewünschten Kernsatz liefert: "Ich will, dass Armin Laschet Kanzler wird und nicht Olaf Scholz oder Annalena Baerbock."
Schon in den vergangenen Tagen hatten CDU-Politiker dem Bayern vorgeworfen, er könne seine Niederlage im Ringen um die Kanzlerkandidatur einfach nicht verwinden und den Platz als "Nummer 2" akzeptieren. Tatsächlich kreist der im Tempodrom vorgestellte CSU-Wahlspot einzig und allein um die Person Söder. "Das ständige Sticheln des CSU-Chefs dürfte uns bereits ein bis zwei Prozent an Stimmen kosten", hatte ein CDU-Präsidiumsmitglied vor Tagen kritisiert.
- Tagesanbruch: Es sieht zappenduster aus
Zwar geben sich die beiden Generalsekretäre sowie CDU/CSU-Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bei gemeinsamen Auftritten sowohl kämpferisch als auch einig. Aber danach stört Söder die Harmonie. "Lasst uns endlich einen vernünftigen Wahlkampf machen", fordert er – und erinnert an die bisherigen "Nebensächlichkeiten" der Debatte – vom Lebenslauf der Grünen-Kandidatin Baerbock bis zu Laschets Lacher-Lapsus.
Seit Wochen mosert die CSU offen und im Hintergrund, dass ihr der vom Adenauer-Haus geprägte Wahlkampf zu wenig kämpferisch und polarisierend sei, dass Laschet Fehler mache und Söder eigentlich der bessere Kandidat sei. Und Söder schiebt in seiner Rede erneut für den Fall einer Niederlage die Verantwortung weit von sich: "Am Ende kommt es wie immer auf den Kanzlerkandidaten an."
Kein Interesse an Laschet
Ob bewusst oder unbewusst – gerade das überschwängliche Lob des CSU-Chefs an die Kanzlerin für 16 Jahre Amtszeit verzwergt den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten noch. Daran ändert wenig, dass Merkel in ihrer eigenen, wenig kämpferischen Rede betont, sie sei "zutiefst überzeugt" davon, dass Laschet nächster Kanzler werde.
Als der CDU-Chef selbst redet, wirkt Söder wenig interessiert. Zwar klatscht er an einigen Stellen, widmet sich aber ansonsten seinem Handy. Dabei stellt Laschet wie von Söder gefordert systematischer als sonst die Differenzen zu der politischen Konkurrenz heraus – von der Sicherheits- bis zur Steuerpolitik.
Gemeinsame Angriffslust
Nur an einem Punkt greift die gemeinsame Dramaturgie: Fast alle Redner greifen SPD und Grüne an – und erinnern vor allem daran, wen man mit Scholz mitwähle: Laschet vergleicht SPD-Vize Kevin Kühnert mit der Figur des Troubadix aus den Asterix-Comics – jenen Barden, der am Ende jeder Geschichte geknebelt an einem Baum sitzt, weil ihn niemand hören will und soll. Die Anspielung: Angesichts der hohen Zustimmungswerte für Scholz solle niemand vergessen, dass die SPD mit ihren Parteichefs und Kühnert für einen viel linkeren Kurs stehe. Kategorisch fordert Laschet von Scholz deshalb den Ausschluss einer Koalition mit den Linken.
Das Kalkül der Union lautet: Schließt Scholz Rotrotgrün aus, zerbricht die derzeitige Ruhe in der SPD. Tut er dies nicht, können CDU und CSU damit die eigenen Wähler gegen einen "Linksruck" mobilisieren.
Als Laschet am Ende sichtlich zufrieden mit seiner Rede und gemeinsam mit Merkel und Söder auf die Bühne im Tempodrom steigt, skandieren die Junge-Union-Anhänger "Armin, Armin". Und Söder klatscht dem Unions-Kanzlerkandidaten demonstrativ und lange zu. Aber es wirkt wie ein Menetekel, dass CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak die Veranstaltung mit einem Satz beendet, der weniger wie eine Feststellung, sondern eher wie eine letzte Mahnung klingt: "Geschlossen werden wir als CDU/CSU diese Bundestagswahl gewinnen."
- Nachrichtenagentur Reuters