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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bidens schwacher Auftritt "Dass Trump lügt, ist ihnen egal"
Zwei alte Männer im Kampf um das mächtigste Amt der Welt: Wie konnte es dazu kommen? Das Altersproblem ist ein Stück weit im politischen System angelegt, erklärt ein USA-Experte.
Joe Biden gegen Donald Trump: Der Kampf ums Weiße Haus ist aktuell auch ein Duell der Senioren: Biden ist 81 Jahre alt, Trump feierte Mitte Juni seinen 78. Geburtstag. Besonders Bidens Partei diskutiert seit dem TV-Duell über Bidens Eignung als Präsident.
Bidens Alter ist dabei ein wichtiger Faktor. Der Präsident wirkte in der Debatte schwach, verhaspelte sich oft, hatte Schwierigkeiten, sich verständlich mitzuteilen. Warum das Alter für Biden ein größeres Problem ist als für Trump und warum in der US-Politik vor allem alte Menschen Spitzenpositionen bekleiden, erklärt der Politikwissenschaftler David Sirakov.
Zur Person
David Sirakov ist Politikwissenschaftler und Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, einer Bildungseinrichtung mit Fokus auf die transatlantischen Beziehungen. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der US-Innenpolitik, mit besonderem Schwerpunkt auf die politische und gesellschaftliche Polarisierung und den Aufstieg des Populismus in Europa und den USA sowie die Außenpolitik der USA.
t-online: Herr Sirakov, Donald Trump und Joe Biden sind in einem ähnlichen Alter. Die Debatte um die Altersfrage wird trotzdem nur bei einem von beiden nachhaltig geführt. Warum?
David Sirakov: Die Altersdebatte um Joe Biden ist intensiver, weil er in der Öffentlichkeit häufig als gebrechlicher wahrgenommen wird als Donald Trump. Bidens gelegentliche Verhaspelungen und sein langsameres, mitunter staksiges Auftreten befeuern diese Wahrnehmung. Die Debatte hat dieses Empfinden noch weiter verstärkt. Trump im Gegensatz wird trotz seines Alters von seinen Anhängern als deutlich energiegeladener und vitaler gesehen.
Biden wirkte im TV-Duell schwach, doch Trump log nachweislich am laufenden Band. Die Demokraten gerieten daraufhin in Panik, die Republikaner nicht. Was sagt das darüber aus, wie die Parteien ihre jeweiligen Kandidaten sehen?
Die Reaktion der Parteien reflektiert die unterschiedlichen Prioritäten und Erwartungen. Im Kern geht es aber um dasselbe: Welchen Eindruck hinterlässt der jeweilige Kandidat? Die Diskussion um Bidens Alter dauert ja nun schon lange an, und sein Auftritt ist Wasser auf die Mühlen seiner Gegner und Skeptiker. Da ist es nur allzu verständlich, dass die Demokraten sich um das Image und die wahrgenommene Stärke ihres Kandidaten sorgen. Die Anhänger Trumps hingegen haben ihren gewohnten Trump erlebt. Dass er bei seinen Auftritten ununterbrochen lügt, ist ihnen entweder egal oder wird wiederum als Lüge der Mainstream-Medien abgetan. Diese identitäre Hingabe zu Trump wiegt deutlich schwerer als Fakten.
Warum halten die Demokraten aktuell trotz der Sorge um seine Kandidatur weiterhin an Biden fest?
Er ist der amtierende Präsident und verfügt über eine etablierte Führungsrolle. Seine politische Bilanz kann sich sehr wohl sehen lassen und er wird zudem von einem Großteil der Partei weiterhin als stabilisierende Figur gesehen, die als einzige Trump bereits einmal geschlagen hat. Ein Wechsel zu einer neuen Kandidatin oder einem Kandidaten wäre ohne Bidens Zustimmung aufgrund der Regeln in der Partei nahezu ausgeschlossen.
Wie würde es im Falle eines Verzichts weitergehen?
Sollte Biden auf die Kandidatur verzichten, würde es zu einer offenen Abstimmung auf dem virtuellen Parteitag Ende Juli sowie Anfang August kommen. Eine natürliche Wahl wäre dann wohl Kamala Harris. Sollte es dann aber noch zur Konkurrenz kommen, besteht die Gefahr, dass die Suche nach einem neuen Kandidaten unter solchem Zeitdruck die Partei spalten könnte. Den Wahlkampf der Demokraten würde das auf jeden Fall deutlich verkomplizieren.
Biden und Trump sind in ihrer Altersgruppe nicht allein: Die mächtigen Politiker Nancy Pelosi und Mitch McConnell sind beispielsweise über 80 Jahre alt, Diane Feinstein starb mit 90 Jahren als Mitglied wichtiger Ausschüsse. Warum ist US-Politik so alt?
Das ist ein dem politischen System der USA ein Stück weit inneliegendes Problem. Politische Macht beruht oft auf Erfahrung und Netzwerken, die über Jahre hinweg aufgebaut werden. Dazu zählen dann auch und gerade die finanziellen Ressourcen, die für Wahlkämpfe notwendig sind. Je länger man Zeit hat, die dafür notwendigen Verbindungen zu knüpfen, desto größer sind die Chancen, Unterstützer um sich zu scharen. Zudem ist der Wiedererkennungsfaktor in der Politik sehr bedeutsam. Hier gilt auch: Je länger sie im Geschäft sind, desto eher erkennen sie die Menschen auch inhaltlich wieder. Darüber hinaus wird diese Überalterung auch nicht durch rechtliche Vorgaben begrenzt, wie eine Altersgrenze für viele politische Ämter.
Ist diese Überalterung bei der Werbung um Jungwähler ein Problem?
Sie kann zu einem Problem werden. Ich würde da schon die Programmatik als wichtigeren Faktor betrachten. Wir haben in Vorwahlkämpfen erlebt, dass Kandidaten wie Bernie Sanders (geboren 1941) oder auch Robert F. Kennedy Jr. (geboren 1954) durchaus Anhänger in der jungen Wählerschaft haben. Hier zeigt sich vielmehr eine Anti-Establishment-Haltung, die den Bruch mit den herkömmlichen politischen Eliten verdeutlicht. Das Alter kann aber eben auch ein negativer Verstärker, gerade bei den etablierten Parteien sein. Von ihnen fühlen sich junge Menschen weit weniger repräsentiert, sehen ihre Probleme und Sorgen mitunter weniger adressiert.
Kamala Harris, Gavin Newsom, Pete Buttigieg: Sie alle werden aktuell als jüngere Alternativen zu Biden genannt. Hätten sie eine Chance? Wäre ihre relative Jugend ein Vorteil oder ein Problem für eine Kandidatur gegen Trump?
Es hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich der Fähigkeit, die Partei zu vereinen und die Wählerbasis zu mobilisieren. Die "Jugendlichkeit" der Kandidaten könnte sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil sein. Einerseits wäre es das Signal eines neuen, unverbrauchten Ansatzes an die jüngeren Wähler. Andererseits könnten sie als unerfahrener angesehen werden und Schwierigkeiten haben, die ältere, traditionellere Wählerbasis zu überzeugen.
Was müssten und könnten die Parteien tun, um sich zu verjüngen?
Es braucht eine bessere Förderung von Nachwuchspolitikern. Die private Finanzierung müsste zugunsten der staatlichen eingeschränkt werden, sodass die Kandidaten ähnliche Ausgangslagen hätten. Das könnte das Durchschnittsalter senken. Allerdings ist das angesichts der Finanzierungspraxis von Wahlkämpfen in den USA kaum umsetzbar. Es klingt wahrscheinlich auch viel zu europäisch und damit für viele private Interessen in den USA nach "Sozialismus". Es bräuchte außerdem eine Altersgrenze, wie wir sie von anderen Berufen auf der Bundesebene in den USA kennen. So gibt es ein Höchstalter von 57 Jahren für Bundespolizisten oder auch Ranger in den Nationalparks. Und auch hier wäre es wohl zunächst eine Selbstverpflichtung der Parteien, die dem vorausgehen müsste. Die sehe ich allerdings ebenso wenig.
Herr Sirakov, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
- Interview mit David Sirakov