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US-Politik-Experte zweifelt an Joe Biden: "Sollte nicht antreten"


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US-Politik-Experte
"Darauf müssen wir vorbereitet sein"

  • Bastian Brauns
InterviewVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 10.11.2023Lesedauer: 5 Min.
Wahlkampf in den USA - BidenVergrößern des Bildes
Abwärtsspirale bei den Umfragen: Die Amerikaner sind von Joe Biden nicht mehr überzeugt. (Quelle: Paul Beaty/AP/dpa/dpa)
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Der bekannte konservative US-Kommentator Bill Kristol hat sich einst gegen Donald Trump und für Joe Biden ausgesprochen. Jetzt sagt er, der demokratische Präsident sollte seine Kandidatur zurückziehen. Was ist geschehen?

William "Bill" Kristol kennt die Politik seines Landes seit Jahrzehnten aus nächster Nähe. Ab Ende der Achtzigerjahre war er der Stabschef des damaligen amerikanischen Vizepräsidenten Dan Quayle, unter dem US-Präsidenten George H. W. Bush. Heute ist der neokonservative Republikaner ein gefragter Autor und Kommentator bei zahlreichen Fernsehsendern, darunter CNN. Zudem gründete er das politische Magazin "The Weekly Standard". Zurzeit ist Bill Kristol Chefredakteur des rechtskonservativen, aber gegen den Trumpismus eingestellten Magazins "The Bulwark".

Kristol hatte Donald Trump schon während dessen Amtszeit immer wieder scharf kritisiert und schließlich dazu aufgerufen, ihn nicht wiederzuwählen. Seither gilt er als Teil des Parteiflügels der "Never Trumper", also jenen, die Trump um jeden Preis verhindern wollen. Doch ein Jahr vor den kommenden Präsidentschaftswahlen will Bill Kristol, dass Joe Biden seine wahrscheinliche Kandidatur gegen Donald Trump zurückzieht. Warum, darüber hat t-online exklusiv mit dem US-Politik-Experten gesprochen.

t-online: Mister Kristol, als Republikaner haben Sie im Jahr 2020 dazu aufgerufen, nicht Donald Trump, sondern den Kandidaten der Demokraten, Joe Biden, zu wählen. 2023 hat sich Ihre Meinung geändert. Sie wollen, dass Joe Biden nicht mehr antritt. Warum?

Bill Kristol: Lassen Sie mich eines klarstellen: Sollte Joe Biden wirklich der demokratische Kandidat sein und es zu einer Wiederauflage gegen Donald Trump kommen, dann würde ich mich nach wie vor für Joe Biden einsetzen. Aber meine politische Einschätzung: Joe Biden ist nicht der stärkste Kandidat der Demokraten.

Woran machen Sie das fest?

Wir können das aktuell an ziemlich vielen Umfragedaten ablesen. Die zeigen, dass die Amerikaner in Bezug auf Biden sehr zurückhaltend sind. Das mag eine falsche Einschätzung seiner Politik sein. Aber die Wähler haben ihre Meinung. Und es ist nicht so einfach, die zu ändern, wenn sie einmal den Eindruck bekommen haben, dass die Dinge nicht so laufen, wie sie es erwartet haben. Sie sind einfach nicht überzeugt davon, dass Biden gute Arbeit gemacht hat. Die Wirtschaft und die Inflation sind große Themen, die die Menschen beschäftigen.

Joe Biden ist nur drei Jahre älter als Donald Trump, aber bei ihm wird das Alter dauernd thematisiert.

Einige meiner demokratischen Freunde halten sich an Wunschdenken fest. Aber ja, Joe Biden ist alt. Und die allermeisten Menschen finden, er sollte nicht noch eine vierjährige Amtszeit bekommen, wenn er 82 Jahre alt ist. Ich denke, es wäre besser gewesen, wenn Biden vor einem Jahr gesagt hätte: Ich werde ein Präsident für eine Amtszeit sein. Er hätte sagen können: Ich werde mein Bestes tun für die Ukraine, die Außenpolitik und die Wirtschaft. Dann aber hätte er an die nächste Generation übergeben sollen. Er hat sich aber dafür entschieden, das nicht zu tun.

Ist es jetzt zu spät?

Es wird immer schwerer, je später es wird. Er will nicht zurücktreten, also wird die Situation immer schwieriger. Ich respektiere das. Aber für jemanden in seinem Alter wäre es gut, ein wenig vorsichtiger zu sein, gerade wenn man in seiner ersten vierjährigen Amtszeit und auch schon als Vizepräsident nicht besonders beliebt war. Die Demokraten haben viele gute Gouverneure, gute Senatoren und Abgeordnete im Kongress. Sie haben gute Leute auf der Bank, wie wir in Amerika sagen.

Bill Kristol (Archivbild).
Bill Kristol (Archivbild). (Quelle: Michael Brochstein)

Bill Kristol, 71, ist ein bekannter amerikanischer konservativer Kommentator und Mitglied der Republikanischen Partei. Er hält Vorträge, tritt in Diskussionssendungen auf und ist der Chefredakteur des Magazins "The Bulwark". Er ist außerdem der Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation "Defending Democracy Together". Unter George H. W. Busch arbeitete er einst als Stabschef des Vizepräsidenten. Bill Kristol gilt als erbitterter Gegner von Donald Trump und dessen "Make America Great Again"-Bewegung.

Würden Sie sagen, mit Joe Biden ist das Risiko am größten, gegen Donald Trump zu verlieren?

Das ist natürlich eine Frage der Bewertung. Aber das Risiko ist vorhanden. Wer weiß, vielleicht denken die Wähler letztlich, es ist sicherer, jemanden zu haben, den sie bereits kennen. Aber sie kennen eben auch Donald Trump. Ich habe einfach dieses Gefühl. Die Stimmung da draußen lautet nicht: Lasst uns dem Kerl eine Chance geben, er hat einen guten Job gemacht. Lasst uns ihm weitere vier Jahre geben. Die Leute da draußen denken nicht so. Das Land steht nicht besonders gut da. Wir brauchen eine frische Führung.

In Wahrheit wollen die Leute weder Biden noch Trump.

Ja, ist das nicht verrückt? Es ist 2024, und wir haben nur die Wahl zwischen dem Kerl, der von 2016 bis 2020 Präsident war, und dem Kerl, der jetzt Präsident ist. Und beide sind über 75 Jahre alt. In welchem anderen Bereich des Lebens machen wir so was? Die Leute sind nicht so verrückt zu glauben, es geben niemand Besseren als Biden oder Trump. Doch die Republikaner gehen offensichtlich leider den Weg von Trump. Aber wenigstens die Demokraten könnten dem Wunsch der Bevölkerung nach Veränderung entsprechen und davon am Ende profitieren.

Aber welchen Vorteil hätte jemand wie der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom? Oder die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer? Auch sie müssen mit der Realität des Gaza-Kriegs, des Ukraine-Kriegs und mit der Inflation umgehen.

Das Problem in diesen Zeiten liegt bei den Amtsinhabern. Es ist unfair, aber sie werden für die schlechte Lage verantwortlich gemacht. Wir sehen das fast überall, ob in Brasilien, in Polen, in der Slowakei oder bei den Umfragen für die Regierungsparteien in Deutschland. Die Wähler sind unruhig und wollen Veränderung. Würden die Demokraten das verstehen, hätten sie einen Trumpf gegen Trump. Ein frisches Gesicht, vielleicht ein 50-Jähriger, vielleicht eine Frau. Das wäre eine aufregende Geschichte.

Bei verschiedenen Regionalwahlen in dieser Woche haben die Demokraten aber doch ziemlich gut abgeschnitten.

Man darf diese Wahlen nicht überbewerten. Sicher, Trump ist auf jeden Fall zu schlagen. Aber ob Biden dafür am Ende der Richtige ist, daran habe ich Zweifel.

Haben Sie die Republikaner-Debatte der Trump-Herausforderer gesehen?

Nein, ich habe stattdessen Freunde getroffen. Donald Trump hat diese Show jetzt zum dritten Mal ausgelassen. Das zeigt, wie dominierend seine Position ist. Er hat es nicht einmal nötig, obwohl er der Gott auf der Bühne wäre. Dieser Wahlkampf ist kein Wettbewerb.

Die Ironie ist doch, dass Trump gerade wegen seiner zahlreichen Gerichtsprozesse eine tägliche Bühne hat, die ihm die gewünschte Aufmerksamkeit bringt.

Ja, da stimme ich zu. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass Trump der Kandidat der Republikaner sein wird. Ich würde nicht sagen, zu 100 Prozent. Vielleicht verliert er Unterstützung, wenn er wirklich wegen etwas verurteilt wird. Dann könnten sich die Leute zurückziehen. Vielleicht kann Nikki Haley noch ein wenig aufholen. Aber wir müssen darauf vorbereitet sein, dass es Trump wird.

Wie hoch sehen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass Joe Biden noch zurückziehen wird?

Er sollte intensiv darüber nachdenken. Zum Wohl unseres Landes wäre es das Beste, Biden würde nicht antreten. Aber ehrlicherweise: Das ist sehr unwahrscheinlich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Bill Kristol
  • Eigene Recherchen
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