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US-Vorwahlen: Für Joe Biden ist South Carolina die letzte Chance


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Post aus Washington
Letzte Chance für Biden

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 29.02.2020Lesedauer: 5 Min.
Joe Biden mit einer Anhängerinnen in Charleston, South Carolina: Der Kandidat hat eine besondere Beziehung zu schwarzen Wählern.Vergrößern des Bildes
Joe Biden mit einer Anhängerinnen in Charleston, South Carolina: Der Kandidat hat eine besondere Beziehung zu schwarzen Wählern. (Quelle: Matt Rourke/ap)
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Die wohl entscheidenden Tage der US-Vorwahlen haben begonnen: Joe Biden setzt darauf, dass ihn die schwarzen Wähler in South Carolina nach vorn katapultieren. Es wird jetzt atemlos.

Guten Tag aus Charleston,

wo der große Vorwahlzirkus in diesen Tagen halt macht: Hier in South Carolina, auf halbem Wege zwischen Washington und Miami, fand am Dienstag die letzte TV-Debatte vor dem "Super Tuesday" statt. Am Samstag steht die letzte Vorwahl vor dem Superwahltag am Dienstag an. Und zwischendurch kommt auch noch Donald Trump vorbei, um das Rennen der Demokraten zu stören.

Die Medienkarawane zieht immer weiter. Ich sehe dieselben Gesichter, dieselben Kameramänner, Reporterinnen, Korrespondenten aus dem Ausland: erst im komplett eingeschneiten Iowa, dann im klirrend kalten New Hampshire und jetzt eben im feuchten, palmengesäumten South Carolina.

South Carolina ist eine besondere Etappe, bevor es zum möglicherweise entscheidenden "Super Tuesday" geht. Hier stimmt ein anderes Amerika ab als in den weißen Bundesstaaten Iowa und New Hampshire, aber auch als zuletzt im immer stärker hispanisch geprägten Nevada. South Carolina ist konservativ, gottesfürchtig und die demokratische Wählerschaft zu 60 Prozent schwarz. "First in the South", nennen sie die Wahl hier: Der erste Südstaat, der abstimmt.

In South Carolina ging es immer schon etwas stimmungsvoller und lauter zu als anderswo. Und weil nach dem "Super Tuesday" sich das Feld der Bewerber ausdünnen wird, geriet die TV-Debatte so giftig wie noch nie. Vor dem Eingang war die Stimmung aber noch hervorragend:

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South Carolina ist das vorgezogene Endspiel für Joe Biden. Der frühere Vizepräsident, der einst als Favorit ins Turnier ging, muss nach zwei Auftaktpleiten und einem Unentschieden dringend gewinnen. Ursprünglich wollte er in diesem Bundesstaat nicht nur einen Sieg, sondern einen regelrechten Triumph feiern und sich damit die Nominierung sichern. Doch es kam anders. Zuletzt schmolz dann sogar sein anfangs riesiger Vorsprung in South Carolina dahin. Bernie Sanders war ihm plötzlich auf den Fersen.

Nach drei Tagen vor Ort kann ich Ihnen berichten: Er hat sich gefangen. Zwar umwerben hier alle Kandidaten die Afroamerikaner, mancher verspricht gar Reparationszahlungen für die Sklaverei, andere die Streichung von Strafregistern für Drogendelikte, doch Biden hat einen unbezahlbaren Vorteil.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus, die Präsidentschaftswahlen und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Das Schöne an diesem Vorwahlzirkus ist, dass er einen an Orte führt, die man sonst nie besuchen würde. Für mich war es am Donnerstag McClellanville, eine Siedlung eine Stunde nördlich von Charleston, im Marschgebiet der Atlantikküste. Klingt idyllisch, doch mein erster Gesprächspartner klärte mich darüber auf, dass die Menschen hier in einer "Essenswüste und Gesundheitswüste" lebten, der nächste Supermarkt, die nächste Apotheke seien 30 Meilen entfernt. Biden machte Halt in einem "Community health center", einem bescheidenden Ersatz für das fehlende Krankenhaus, das auch Patienten ohne Krankenversicherung behandelt.

Man traf sich auf einem Parkplatz: 20 Zuhörer, 40 Journalisten, ein Mann, der Präsident werden will.

Auf einem Klappstuhl in Reihe eins sitzt Pastor Louis Jefferson, den ich fragte, warum er Biden unterstützt. "Weil er mich unterstützt: meine Kultur, meine Community, meine Rasse." Biden sei "niemand, der gerade erst zu uns gekommen ist." Damit meinte er natürlich, ohne es auszusprechen, die Konkurrenten, die zum Wahlkampf angereist sind. "Er fühlt, wie wir Schwarze uns fühlen", sagt die Sitznachbarin Tomi Greene. Wir kennen Joe und Joe kennt uns, das war das häufigste Argument.

Dann spreche ich einen jungen Mann, der mit einem Buch namens "Barack and Joe" in der Hand gekommen ist, das die Beziehung Obamas zu seinem Vize Biden nachzeichnet. Er hofft auf ein Autogramm. Er sagt, es sei bedeutsam, dass Biden der Vize des ersten schwarzen Präsidenten gewesen sei. Das war das zweithäufigste Argument. Er hoffe, dass "die Stabilität und der Anstand jener acht Jahre zurückkehren" würden. Später zeigt er mir stolz seine Widmung.

Biden in South Carolina – das ist ein Mann, der die Schwarzen längst für sich eingenommen hat, der die Älteren an die Obama-Zeit erinnert, der rührend und aufrichtig von Verlust in seinem Leben und von Glauben redet. Nicht der Kandidat, der sich in den Fernsehauftritten verhaspelt und öfter einmal den Faden verliert.

"Er ist nicht gut in den TV-Debatten", sagt mir Joanne Thompson, 64, auf dem Parkplatz, aber es gebe Wichtigeres. "Er ist anständig." Biden werde das "fortführen, was Obama gestartet habe, zum Beispiel bei der Krankenversicherung." Das Allerwichtigste, sagte Thompson noch, sei, "diesen unmoralischen, gesetzlosen und gottlosen Mann im Weißen Haus loszuwerden."

Ein Sieg in South Carolina wäre Bidens allererster bei einer Vorwahl überhaupt. Der Mann, der schon 1988 und 2008 Präsident werden wollte, ist noch nie in einem Bundesstaat auf Platz eins gelandet.

Nach dem Wahlabend dürfte es viele Geschichten geben über die Wiederauferstehung des Joe Biden. Doch mit der könnte es am dritten Tage schon wieder vorbei sein: Denn schon am "Super Tuesday" sieht es für Biden nicht besonders gut aus.

Am 3. März folgt ein Superwahltag, an dem gleich 14 Bundesstaaten abstimmen und ein Drittel der Delegiertenstimmen vergeben werden, nach denen der Präsidentschaftskandidat letztlich auf dem Parteitag im Juli gekürt wird. Am meisten gibt es in Kalifornien und Texas zu gewinnen.

Und Biden, der zuletzt in South Carolina festhing, war kaum vor Ort. Er hat weniger Mitarbeiter und kaum Werbung geschaltet – was daran liegt, dass er viel weniger Geld eingesammelt hat.

So habe ich Biden in diesem Wahlkampf erlebt: anständig, mit einer einzigartigen Gabe, eine emotionale Verbindung zu älteren Wählern herzustellen – aber mit einer Wahlkampforganisation, die der Konkurrenz hinterherhinkt.

Nur Bernie Sanders, Mike Bloomberg und der zweite Milliardär im Rennen, Tom Steyer, haben die Mittel, flächendeckend Werbung zu machen in den "Super Tuesday"-Staaten. Biden hat nicht einmal 500.000 Dollar in den betreffenden Staaten ausgegeben. Das sind in der US-Politik Peanuts. Sanders hingegen 15 Millionen Dollar, Steyer 42 Millionen und Bloomberg 161 Millionen Dollar. Das ist die Realität für Joe Biden, auch wenn man sie in den herzerwärmenden Tagen in South Carolina schon mal vergessen kann.

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Nun beginnt eine atemlose Reisetätigkeit: Die Kandidaten werden die kommenden Tage hektisch durchs weite Land jetten, von Virginia nach Minnesota, von der Golf- bis an die Pazifikküste. Auch Sozialist Bernie Sanders reist übrigens im Privatjet.

Gut möglich, dass er am "Super Tuesday" schon den Durchbruch schafft. Es ist wahrscheinlich, dass viele Kandidaten danach aufgeben werden. Wer wird der Kandidat für all jene, für die Sanders zu weit links steht? Biden? Der halb so alte Pete Buttigieg, der bei den Afroamerikanern so gar nicht punkten kann? Oder wird es, mit der Macht des Geldes, Mike Bloomberg? Es wird ein sehr spannender Wahldienstag.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen und Gespräche vor Ort
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