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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wie Donald Trump die USA kontrolliert Alles läuft nach Plan
Selbst seine Festnahme im Gefängnis inszeniert Donald Trump als Primetime-Show. Mit Fingerabdrücken und einem Polizeifoto beginnt sein Wahlkampf – und mit einer Überraschung.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Der 45. Präsident landet zur Primetime. Es ist kein Zufall. Zur besten Sendezeit der großen amerikanischen Fernsehkanäle, um 19 Uhr Ortszeit, trifft Donald Trump am Flughafen in Atlanta ein. Als er die Gangway seiner Boeing 767-200, der "Trump Force One", hinuntersteigt, ballt er seine rechte Hand zur Faust und zeigt mit dem Daumen nach oben.
Alles läuft für Trump nach Plan. Der ehemalige US-Präsident will zeigen, dass er noch immer die Kontrolle über Amerika besitzt. Zumindest über die öffentliche Meinung. Trump bleibt Commander-in-Chief, ein Oberbefehlshaber der globalen Aufmerksamkeitsökonomie. Selbst dann noch, als es für ihn am Donnerstagabend in Atlanta heißt: Begebe dich ins Gefängnis! Triumphierend kündigt Trump seine Festnahme im Fulton-County-Gefängnis schon vorab in seinem sozialen Netzwerk Truth mit den Worten an: "ARREST TIME 7.30 p.m." (Haftzeit 19.30 Uhr). Es bleibt seine Primetime-Show.
Auf dem Rollfeld des Hartsfield-Jackson International Airport steigt Trump in einen gepanzerten schwarzen SUV. Die Hunderte Meter lange Kolonne aus dunklen Wagen und mit Polizisten besetzten Motorrädern setzt sich in Bewegung, bewacht vom Secret Service. Bezahlt von amerikanischen Bürgern. Nach seinen Stationen in den Gerichten von New York, Miami und Washington wandert der Trump-Zirkus in Atlanta dieses Jahr zum vierten Mal umher. Begleitet von einem Heer aus Journalisten, nationalen und internationalen.
Die letzte Anklage ist sein Auftakt
Heute aber ist die Trump-Vorstellung der absolute Höhepunkt. Könnte er Eintritt dafür verlangen, wäre sie ausverkauft. Nicht in einem Gericht muss er dieses Mal seine Fingerabdrücke abgeben, sondern in einem Gefängnis. Das Fulton County Jail gilt als eines der gefährlichsten im ganzen Land. Das hatte der Sheriff schon vor Tagen noch einmal betont. Auch ein Polizeifoto, der in den USA übliche sogenannte Mugshot, wird dieses Mal angefertigt.
Bei den bisherigen Anklagen wurde auf ein solches Fahndungsfoto verzichtet. Das Argument war stets: Trump kennt jeder. Verstecken könne er sich ohnehin nicht. Und eine Steilvorlage, sich als Opfer oder gar als politischer Gefangener zu inszenieren, wollte man ihm obendrein nicht bieten.
In Fulton County aber machen sie Dienst nach Vorschrift und kurzen Prozess. Nach nur dreißig Minuten ist alles vorbei. Trump wird auf freien Fuß gesetzt, gegen 200.000 Dollar Kaution. Erfüllt er die Auflagen nicht und schüchtert etwa Zeugen ein, auch über seine sozialen Kanäle, landet er umgehend im Gefängnis.
Zurück am Flughafen gibt Donald Trump noch ein Statement und sagt in die Kameras: "Das ist ein sehr trauriger Tag für Amerika. Das hätte nie passieren dürfen." Er bleibt bei seiner Version, wegen der er eben hier in Atlanta angeklagt wird. Die Wahl 2020 sei ihm von den Demokraten, von Joe Biden und linksradikalen Kräften gestohlen worden. Ausdrücklich dankt Trump der anwesenden Presse auf dem Rollfeld: "Danke, dass Sie gekommen sind!" Dann steigt der Milliardär in seine Maschine.
Die letzte Anklage ist sein Auftakt zum Wahlkampf
Es ist kein trauriger Tag für Donald Trump. Es ist ein aussichtsreicher. Denn mit der vorerst letzten Anklage von Atlanta beginnt für ihn der erste Tag des Wahlkampfs seiner angestrebten Wiederwahl. Seine innerparteiliche Konkurrenz hat er bereits kassiert. Während der erste Schlagabtausch der republikanischen Kandidaten nur von Fox News übertragen wurde, liefern heute fast alle großen Medien live. (Mehr zur Debatte der Republikaner lesen Sie hier.)
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Kaum sitzt er in seinem Flugzeug zurück nach Newark, folgt der nächste Streich. Donald, der Dompteur in der Medien-Manege, versendet sein Polizeifoto auf seinem alternativen sozialen Netzwerk Truth Social. Wie lange er für den grimmigen Blick auf dem Foto vor dem Spiegel geübt haben mag, bleibt Trumps Geheimnis. Dass sein Gefängnis-Konterfei in wenigen Stunden auf Tassen, T-Shirts und Trinkbechern auftauchen wird, ist hingegen keines. Schon vorher verkaufte Trump solche Merchandise-Artikel vollkommen überteuert über seine Wahlkampf-Webseiten. Ein Kaffeebecher mit Trump in Haft kostet 24 Dollar.
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Rückkehr auf Twitter
Um 21.38 Uhr Ortszeit zaubert Trump dann eine echte Überraschung aus dem Hut. Ausgerechnet als sein Flugzeug über seine alte Wirkungsstätte Washington hinwegfliegt: Gut zweieinhalb Jahre nachdem Trump wegen seiner Äußerungen am 6. Januar 2021 auf seinem Lieblingsinstrument, dem sozialen Netzwerk Twitter gesperrt wurde, postet der Ex-Präsident zum ersten Mal wieder.
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Auch das ist kein Zufall. Der richtige Moment dafür scheint gekommen zu sein. Und Twitter heißt jetzt X, gekauft von Elon Musk, einem anderen einflussreichen, einem gewogenen Milliardär. Bei X postet Trump jetzt ebenfalls seinen Mugshot, versehen mit dem Aufruf "Niemals aufgeben!" und natürlich einem Link zu einer Spenden-Webseite. Es sind die kleinen Leute mit den kleinen Beträgen, die Trump weitertingeln lassen, ob beim Golfen oder im Gefängnis. Die Botschaft dieses Posts soll sein: Ich komme zurück.
Trumps Programm auf allen Kanälen
Als Donald Trump vor Mitternacht längst wieder auf dem Flughafen in Newark bei New York gelandet und auf dem Weg in seinen Golfklub in New Jersey ist, läuft sein Programm in der Endlosschleife weiter. Bis spät in die Nacht bei CNN, MSNBC, ABC und Fox News. Auch nach all diesen Jahren gibt es wieder etwas zu berichten. Solange er das liefern kann, so lange ist die Vorstellung von Donald, dem Dompteur nicht zu Ende.
Bevor Trump sich ins Bett in Bedminster legt, beruhigt er schnell noch seine treuesten Anhänger. Dass er jetzt zurück auf Twitter, also X, sei, liege natürlich nicht an mangelnder Treue. Seine Fans, die nach seiner Sperrung auf der Plattform mit ihm zu Truth Social umgezogen sind, blieben etwas ganz Besonderes. Trump setzt noch eine Zeile ab: "Ich liebe Truth Social. Das ist mein Zuhause!"