Prozesse, Ermittlungen, Klagen Das steht für Trump auf dem Spiel
Kein früherer US-Präsident hatte so viele juristische Probleme wie Donald Trump. Ein Überblick.
Der US-Wahlkampf geht in die heiße Phase. Vorläufiger Höhepunkt dürfte das für Mittwochmorgen um 2.45 Uhr deutscher Zeit angesetzte TV-Duell der beiden Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Kamala Harris sein. Trumps Konkurrentin dürfte versuchen, Trumps lange Liste an rechtlichen Problemen zum Thema zu machen.
Denn aktuell laufen mehrere Prozesse gegen den Ex-Präsidenten. Im Verfahren um Schweigegeldzahlungen an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels wurde Trump bereits verurteilt. Ein Urteil mit besonderer historischer Tragweite: Es war der erste strafrechtliche Prozess gegen einen früheren Präsidenten der USA.
Doch die Liste der Prozesse gegen Trump ist noch länger. Ein Blick auf die wichtigsten Ermittlungen rund um den führenden Präsidentschaftskandidaten der Republikaner:
Trumps Erfolg: Supreme Court gewährt Trump Immunität
Neben allen Problemen konnte Trump auch einen großen Erfolg verbuchen: In einem historischen Urteil entschied der Supreme Court der USA Anfang Juli 2024, dass Präsidenten eine "absolute Immunität" für Tätigkeiten haben, die sie im Rahmen ihrer von der Verfassung festgesetzten "Kernbefugnisse" ausüben. Für alle anderen Amtshandlungen gelte zumindest eine "mutmaßliche Immunität", so der Gerichtsvorsitzende John Roberts.
Das Gericht betonte, dass sich diese Immunität nicht auf Handlungen bezieht, die der Präsident als Privatmann vollzieht. Zu dem Prozess kam es, weil Trumps Team Berufung gegen die Anklage der versuchten Wahlmanipulation eingelegt hatte. Es argumentierte, dass Trump in seiner Rolle als Präsident Immunität gegen Strafverfolgung genieße.
Nachdem Trump in den vorhergehenden Instanzen gescheitert war, landete der Fall schließlich vor dem Supreme Court. Dort gab die konservative Mehrheit der Richter Trump in Teilen recht.
Versuch, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 anzufechten
Die schwerwiegendste Anklage gegen Donald Trump: Er habe die rechtmäßige Wahl Joe Bidens zum Präsidenten der USA verhindern wollen. Konkret wird ihm vorgeworfen, Beamte unter Druck gesetzt zu haben, wissentlich Lügen über angeblichen Wahlbetrug verbreitet zu haben sowie versucht zu haben, das Chaos nach dem Sturm auf das Kapitol auszunutzen, um die Bestätigung Bidens als Präsident hinauszuzögern. Anhänger des damaligen Noch-Präsidenten hatten am 6. Januar 2021 das Gebäude gestürmt.
Eine frühere Anklage des vom Justizministerium eingesetzten Sonderermittlers Jack Smith war deutlich umfangreicher. In seiner überarbeiteten Version strich Smith aber alle Punkte, die sich auf die Interaktion zwischen Trump und dem Justizministerium beziehen. Ursprünglich war Trump vorgeworfen worden, er habe das Justizministerium dazu bringen wollen, offiziell zu verkünden, dass die Wahl manipuliert war. Doch der Supreme Court urteilte am 1. Juli 2024, dass ein Präsident bei offiziellen Amtshandlungen Immunität genießt – das gilt demnach auch für die Interaktionen mit dem Justizministerium.
Überdies hat Smith darauf verzichtet, Trump aufgrund des Sturms auf das Kapitol wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Aufruhr anzuklagen. In den anderen Anklagepunkten hat Trump aber nach Ansicht von Smith nicht als Präsident gehandelt, sondern als Privatmann.
Die zuständige Richterin hat es beiden Parteien ermöglicht, bis zum 26. September Argumente und Beweise, die für oder gegen die Immunität Trumps sprechen, einzubringen. Trumps Anwälte hatten gehofft, dass die Richterin den Termin für die Beweisaufnahme erst auf die Zeit nach der Wahl ansetzen würde, da sie befürchten, dass mögliche Beweise die Wählermeinung zu Trump verändern könnten.
Mögliche Wahlmanipulation in Georgia
Auch im Bundesstaat Georgia hat die Staatsanwaltschaft Trump wegen möglicher Wahlmanipulation bei der Präsidentenwahl 2020 angeklagt. Georgia gehörte zu jenen Bundesstaaten, die für den Wahlausgang eine Schlüsselrolle spielten. Biden gewann dort nur ganz knapp mit etwa 12.000 Stimmen Vorsprung.
Trump bemühte sich, seine dortige Wahlniederlage, wie auch in anderen Bundesstaaten, nachträglich ändern zu lassen. Unter anderem forderte er damals den obersten Wahlaufseher in Georgia in einem Telefonat unverblümt auf, genügend Stimmen für ihn "zu finden", um das Ergebnis "nachzuberechnen".
Die Anklage gegen den Ex-Präsidenten und republikanischen Präsidentschaftsbewerber umfasst 13 Punkte und fußt unter anderem auf einem Gesetz gegen Organisierte Kriminalität. Angeklagt sind auch 18 frühere Verbündete Trumps, unter ihnen Rudy Giuliani, der ehemalige Anwalt des einstigen Präsidenten. Hier lesen Sie mehr dazu.
Trumps Anwälte hatten versucht, die zuständige Staatsanwältin von dem Fall abziehen zu lassen, da sie und der von ihr eingesetzte Sonderermittler eine gemeinsame Beziehung geführt haben. Der zuständige Richter hat dies abgelehnt, solange sich der Sonderermittler von dem Fall zurückzieht. Trumps Anwälte beabsichtigen, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. Am 24. August 2023 musste Trump wegen der Anklage persönlich vorstellig werden. Dabei wurde auch ein Polizeifoto geschossen – das erste eines früheren US-Präsidenten jemals.
Streit um Regierungsdokumente
Schlagzeilen machte im August 2022 die Durchsuchung von Trumps Privaträumen in seinem Golfklub Mar-a-Lago, bei der die Bundespolizei FBI unter anderem Dokumente mit den Vermerken "Geheim" und "Streng geheim" aus seiner Amtszeit beschlagnahmte. Bis dahin hatte sich das Nationalarchiv – das für die Aufbewahrung von Präsidenten-Unterlagen zuständig ist – monatelang um die Dokumente von Trump bemüht.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nun die gesetzeswidrige Aufbewahrung höchst sensibler Informationen aus seiner Zeit als US-Präsident vor. Laut Anklageschrift handelt es sich unter anderem um Dokumente mit Informationen zu nuklearen Fähigkeiten der USA und militärischen Notfallplänen der Vereinigten Staaten.
Auch hier plädierte Trump bei der Vorstellung der Anklage in Miami im Juni auf "nicht schuldig". Es ist die erste Anklage auf Bundesebene für Trump. Der Prozess sollte eigentlich am 20. Mai 2024 starten. Doch die für den Fall zuständige Richterin, welche noch von Trump während seiner Amtszeit eingesetzt wurde, wies eine Anklage zurück, da die Ernennung des Sondermittlers Jack Smith ihrer Meinung nach gegen die Verfassung verstoßen habe. Smith hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt, die Frist dafür läuft im Januar 2025 ab.
Schweigegeld an Ex-Pornostar – verurteilt
In diesem Fall ist Trump bereits strafrechtlich verurteilt worden – als erster Präsident in der Geschichte der USA. Ende Mai 2024 sprachen ihn die Geschworenen in allen 34 Punkten für schuldig.
Es gilt somit als erwiesen, dass Trumps damaliger Privatanwalt Michael Cohen 2016, kurz vor der Präsidentschaftswahl, 130.000 Dollar an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels gezahlt hat. Daniels, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heißt, gibt an, Jahre vor der Wahl eine Affäre mit Trump gehabt zu haben, was dieser bestreitet.
Mit der Zahlung sollte offenbar verhindert werden, dass Clifford an die Öffentlichkeit geht, was Trump im Wahlkampf hätte schaden können. Das ist so weit legal. Die Geldflüsse allerdings verstießen gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung. Mehr zum Prozess, wie Daniels und Trump sich kennengelernt haben und wie ihre gemeinsame Nacht verlaufen sein soll, lesen Sie hier.
Betrugsklage in New York
New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James hatte Ende September 2022 nach jahrelangen Ermittlungen Vorwürfe gegen Trump persönlich sowie gegen drei seiner Kinder vorgelegt. Kern der zivilrechtlichen Klage: Die Trumps hätten Vermögenswerte je nach Bedarf größer oder kleiner dargestellt, um beispielsweise einfacher an Kredite zu kommen oder weniger Steuern zu zahlen, was gegen New Yorker Recht verstößt.
Ein Jahr später, am 26. September 2023, bestätigte Richter Arthur Engoron dies vorläufig: Trump, seine Söhne und leitende Mitarbeiter sollen den Firmenwert der Trump Organization jahrelang manipuliert haben. Mehr dazu lesen Sie hier.
Mitte Februar wurde dann das Strafmaß bekannt: Trump muss innerhalb von 30 Tagen 355 Millionen Dollar aufbringen. Das Urteil verlangt zudem, dass der 77-jährige Immobilienunternehmer drei Jahre lang keine Firma im Bundesstaat New York führen darf. Seine Söhne Eric und Donald Jr. müssen demnach jeweils rund vier Millionen Dollar Strafe zahlen und dürfen zwei Jahre lang kein Unternehmen im Bundesstaat New York leiten.
Trumps Anwälte kündigten an, in Revision gehen zu wollen. Trotzdem musste der Ex-Präsident entweder das Geld oder ein Pfand durch eine dritte Firma hinterlegen. Zuzüglich Zinsen betrug die Gesamtsumme zunächst etwa 450 Millionen Dollar, Ende März senkte ein Berufungsgericht die Summe deutlich auf 175 Millionen Dollar, die Trump und sein Team Anfang April hinterlegten.
Sie legten gegen die Entscheidung Berufung ein. Die Anordnung sei eine "komplette und totale Heuchelei" und der ganze Prozess sei Teil einer von seinem Nachfolger Joe Biden angeordneten "Hexenjagd" gegen ihn, schimpfte Trump. Das Berufungsverfahren soll frühestens im September dieses Jahres fortgesetzt werden – und läge damit mitten im Wahlkampfendspurt.
Streit um Steuerunterlagen
Über Jahre versuchte Trump mit allen juristischen Mitteln zu verhindern, dass die Öffentlichkeit Einblick in seine Steuererklärungen erhält. Im Dezember 2022 veröffentlichte ein US-Kongressausschuss schließlich Trumps Unterlagen aus den Jahren 2015 bis 2020. Aus ihnen geht hervor, dass Trump in mehreren Jahren kaum oder gar keine Einkommensteuer auf Bundesebene zahlte, obwohl er sich stets mit seinem Reichtum und unternehmerischen Erfolgen brüstete. Mehr dazu lesen Sie hier.
Demnach zahlte Trump 2016, im Jahr seiner Wahl, und 2017, im ersten Jahr im Weißen Haus, lediglich je 750 Dollar Einkommensteuer auf Bundesebene und machte hohe Verluste geltend. 2018 dann gab er Millionengewinne an und zahlte knapp eine Million Dollar an Einkommensteuer, 2019 betrug seine Abgabe rund 133.000 Dollar. Im letzten Amtsjahr 2020 zahlte Trump dagegen gar keine Einkommensteuer.
Der Finanzausschuss beklagte: "In zahlreichen Berichten wurde aufgedeckt, dass der ehemalige Präsident durch die komplexen Regelungen seiner persönlichen und geschäftlichen Finanzen aggressive Steuerstrategien und jahrzehntelange Steuervermeidungsstrategien verfolgt hat."
Trump hatte während seiner Präsidentschaft stets betont, es laufe eine Prüfung seiner Steuerunterlagen – deshalb könne er diese nicht veröffentlichen. Er versuchte, sich juristisch gegen die Veröffentlichung zu wehren, bemühte verschiedene Instanzen, bis ihm nur noch der Gang vor den Supreme Court blieb. Dort scheiterte er letztlich im November 2022.
- edition.cnn.com: "Evidence in January 6 case against Trump could be released before election under new schedule" (englisch)
- theatlantic.com: "An Astonishing Ruling in Trump’s Classified-Documents Case" (englisch)
- theatlantic.com: "Jack Smith Isn’t Backing Down" (englisch)
- bbc.com: "A guide to Donald Trump's four criminal cases" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche