Krieg in Nahost Hoffen auf Verlängerung der Gaza-Feuerpause
In Gaza sind noch immer Dutzende Geiseln in der Hamas-Gewalt. Die USA gehen davon aus, dass auch andere Gruppen Geiseln festhalten. Für eine Verlängerung der Feuerpause wird weiter verhandelt. Der Überblick.
Im Gaza-Krieg deutet sich nach der Freilassung Dutzender Geiseln aus der Gewalt der Terrororganisation Hamas eine Verlängerung der bis Dienstagmorgen befristeten Feuerpause an.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu signalisierte grundsätzlich Bereitschaft dazu. Und auch die Hamas strebt nach eigener Darstellung eine Verlängerung an, um im Austausch gegen Geiseln mehr palästinensische Häftlinge aus Israel zu bekommen.
Israel erhält Liste: Weitere Geiseln sollen freikommen
Israel hat eine Liste mit den Namen weiterer Geiseln erhalten, die demnach heute freigelassen werden sollen. Das teilte das Büro von Netanjahu mit. Wie viele Geiseln am vorerst letzten Tag der vereinbarten viertägigen Feuerpause im Gazastreifen freikommen könnten, wurde nicht mitgeteilt. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll es sich um elf Menschen handeln. Auch die islamistische Hamas in Gaza bestätigte, dass sie Vertretern Katars und Ägyptens eine Liste der freizulassenden Geiseln übergeben habe.
Israel und die Hamas im Gazastreifen sind laut Medienberichten unzufrieden mit den Namenslisten für den Austausch von israelischen Geiseln und palästinensischen Häftlingen. "Verhandlungen über die Liste derjenigen, die freigelassen werden sollen (...), gehen weiter", teilte das Büro von Netanjahu mit. Ein Vertreter der Hamas im libanesischen Beirut teilte mit, dass Anmerkungen an die katarischen und ägyptischen Vermittler weitergeleitet worden seien.
Es wäre die vierte Gruppe an Geiseln, die seit Beginn der Feuerpause am Freitag im Gegenzug für die Freilassung palästinensischer Gefangener aus israelischen Gefängnissen freikommen würde. Bisher kamen 58 Geiseln frei, unter ihnen acht deutsche Doppelstaatsbürger. Im Gegenzug für die freigelassenen Geiseln wurden 117 Palästinenser aus der Haft entlassen.
Der Sprecher der israelischen Regierung, Eilon Levi, sagte, es würden noch 184 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Davon seien 14 Ausländer sowie 80 Israelis mit einem Zweitpass.
USA: Wohl nicht alle Geiseln in Gaza in Händen der Hamas
Die US-Regierung geht davon aus, dass nicht alle der in den Gazastreifen verschleppten Geiseln von Hamas festgehalten werden. "Wir glauben, dass nicht alle Geiseln in den Händen der Hamas sind", so der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, im US-Fernsehen. Es sei davon auszugehen, dass es andere Gruppen gebe, die einige der Geiseln festhalten.
Kirby nannte keine Zahl von Geiseln, die möglicherweise in der Hand anderer Gruppen sind. Der Sender CNN berichtete unter Bezug auf nicht namentlich genannte diplomatische Quellen von schätzungsweise 40 Geiseln. Diese könnten demnach in den Händen der Terrororganisation Islamischer Dschihad oder von Einzelpersonen sein.
Steinmeier in Israel
Unterdessen setzt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen Besuch in Israel fort. Nach einem Besuch in einem Kibbuz und einem Gespräch mit Netanjahu will er eine Klinik in Ost-Jerusalem aufsuchen, wo palästinensische Patienten behandelt werden, die jetzt nicht zu ihren Angehörigen zurück können.
Elon Musk in Israel
Am selben Tag trifft Tech-Milliardär Elon Musk in Jerusalem Israels Präsidenten Izchak Herzog. Bei dem Termin seien auch Vertreter der Familien der Geiseln dabei, teilte das Büro Herzogs mit. Zudem wolle Herzog die Notwendigkeit betonen, "gegen zunehmenden Antisemitismus im Internet vorzugehen". Unklar ist, ob Musk bei seinem Besuch in Israel auch Regierungschef Netanjahu treffen wird.
Hoffnung auf Verlängerung der Feuerpause
US-Präsident Joe Biden hofft derweil, dass die zunächst für vier Tage vereinbarte Feuerpause verlängert wird, "damit wir weiterhin mehr Geiseln befreien und mehr humanitäre Hilfe für die Bedürftigen in Gaza leisten können". Dafür werde er weiter mit Katar, Ägypten und Israel zusammenarbeiten, sagte Biden. Ähnlich äußerte sich Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna. Es wäre "gut, hilfreich und notwendig", die Waffenruhe zu verlängern, bis alle Geiseln frei seien, sagte Colonna dem Sender "BFM TV", wie andere französische Medien berichteten.
Geisel schwebt in Lebensgefahr
Eine am Sonntag von der Hamas freigelassene Geisel schwebt Medien zufolge in Lebensgefahr. Die 84-jährige Frau sei in einem lebensbedrohlichen Zustand in eine Klinik gebracht worden, meldeten israelische Medien unter Berufung auf die Klinik in Beerscheba.
Kleines Mädchen überlebte unter Leiche des Vaters
Zum ersten Mal war am Sonntag mit einem vierjährigen Mädchen auch eine Geisel freigelassen worden, die die US-Staatsangehörigkeit besitzt. Das Schicksal der Kleinen bewegt seither viele Menschen. Am 7. Oktober, als Hamas-Terroristen ein beispielloses Massaker an israelischen Zivilisten anrichteten, musste das Mädchen mit ansehen, wie ihre Mutter erschossen wurde, wie US-Medien berichteten. Als ihr Vater sich schützend über seine Tochter legte, sei auch er erschossen worden. Die 10 und 6 Jahre alten Geschwister des Mädchens überlebten, weil sie sich im Schrank versteckten, bevor sie gerettet wurden.
Ihre kleine Schwester, die zunächst für tot gehalten worden sei, sei unter der Leiche ihres Vaters hervorgekrochen und zum Haus eines Nachbarn gerannt, zitierte die "Washington Post" eine Verwandte des Mädchens weiter. Die Terroristen griffen sich dort das Mädchen zusammen mit der fünfköpfigen Nachbarsfamilie und verschleppten sie mit vielen anderen in den Gazastreifen. Am vergangenen Freitag wurde das Mädchen in der Gefangenschaft vier Jahre alt. Nun kam sie frei.
HRW: Fehlgezündete Rakete wohl Grund für Explosion an Gaza-Klinik
Die Explosion am Al-Ahli-Krankenhaus im Gazastreifen geht nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wahrscheinlich auf eine fehlgezündete Rakete zurück. "Die Explosion, die am 17. Oktober 2023 im arabischen Krankenhaus von Al-Ahli in Gaza zahlreiche Zivilisten tötete und verletzte, wurde offenbar durch eine raketengetriebene Munition ausgelöst, wie sie häufig von bewaffneten palästinensischen Gruppen eingesetzt wird", teilte HRW am Sonntag mit. Es seien weitere Untersuchungen erforderlich um festzustellen, wer die mutmaßliche Rakete abgefeuert habe und ob Kriegsgesetze verletzt worden sind.
- Nachrichtenagentur dpa