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Machtpoker beim Brexit: Gnadenlose Pressestimmen zum Brexit und Theresa May


Pressestimmen zu Mays Rücktrittsangebot
"Sie war unbeweglich, geheimniskrämerisch, unfähig"

Von afp, dpa, t-online, jmt

Aktualisiert am 28.03.2019Lesedauer: 3 Min.
Die britische Premierminister Theresa May: "Überraschungen sind fast nie wirklich überraschend", schreibt die spanische Zeitung "La Vanguardia".Vergrößern des Bildes
Die britische Premierminister Theresa May: "Überraschungen sind fast nie wirklich überraschend", schreibt die spanische Zeitung "La Vanguardia". (Quelle: Dylan Martinez/reuters)

Die britische Premierministerin will das Brexit-Abkommen durchboxen – und damit einen EU-Austritt ohne Abkommen verhindern. Dafür will sie nun ihr Amt opfern. Das hält die internationale Presse vom Machtpoker in Großbritannien.

Es gibt im britischen Parlament keine Mehrheit – keine für einen Brexit mit dem verhandelten EU-Abkommen, keine für einen Brexit ohne Abkommen und keine für einen Brexit in irgendeiner anderen Variante. Noch nicht mal eine Mehrheit für einen Widerruf des Brexits oder ein zweites Referendum. Nun will die Premierministerin mit einem Rücktrittsangebot das Parlament zur Zustimmung zum Abkommen bewegen. Die internationale Presse nimmt diese Wendung geteilt auf.

"Times" (Großbritannien): "Theresa May hat sich dem Unvermeidbaren gebeugt. Ihr wurde mit dem Brexit ein nahezu unmögliches Blatt gegeben, das sie dann auch noch erstaunlich schlecht spielte. Die Litanei ihrer Fehltritte ist bekannt – von der Entscheidung, den EU-Austrittsartikel 50 ohne einen Plan zu aktivieren, über ihre viel zu starren roten Linien bis zur Verweigerung einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit selbst nachdem sie ihre Parlamentsmehrheit durch vermasselten Neuwahlen verloren hatte.

Sie war unbeweglich, als Flexibilität erforderlich war. Sie war geheimniskrämerisch, als sie offen hätte sein sollen. Sie hat sich auf Tricksereien verlassen, als Aufrichtigkeit angebracht war. Sie erwies sich als unfähig, ihren eigenen Plan zu verkaufen. Am Ende hatte sie das Vertrauen aller verspielt, deren Unterstützung sie brauchte – ihres Kabinetts, ihrer Partei, des Parlaments und der EU."

"t-online.de" (Deutschland): "Gegen den Willen der meisten Politiker haben die Wähler sich für den Brexit entschieden. Egal, was man inhaltlich davon hält, so ein direktes Bürgervotum ist doch eine tolle Sache – oder? Nein, ist es nicht. Eine der größten Leistungen der parlamentarischen Demokratie, schrieb kürzlich der britische Economist, ist es, das Gezerre um politische Entscheidungen von der Straße zu holen. (...)

Ja, das dürfen wir mitnehmen aus der britischen Malaise. Demokratie ist mehr als abzustimmen bis zum Umfallen. Und unsere ungeliebten Parteien machen tatsächlich einen wichtigen Job. Es ist nicht einfach, die Willensbildung von Millionen Menschen zu organisieren, und das auch noch so, dass am Ende umsetzbare Kompromisse und nicht bloß Luftschlösser dabei herauskommen. Perfekt ist das nie, und doch ein kleines Wunder. Man vergisst das so leicht, solange es funktioniert."

"La Vanguardia" (Spanien): "Überraschungen sind fast nie wirklich überraschend. Nicht einmal der Eisberg der Titanic tauchte plötzlich auf der Route des Schiffes auf. (...) Die Tragödie der Titanic wird von der britischen Presse als Metapher für den Brexit verwendet. Am Samstag sind in London eine Million Menschen auf die Straße gegangen, um das Land vor dem, was bevorsteht, zu warnen (...). Aber dieser verzweifelte Schrei hat nicht die erwartete Wirkung gebracht.

[Premierministerin] Theresa May, die das Schiff nicht verlassen will – wie Edward John Smith, der Kapitän der Titanic – ist mit ihrem Ausstiegsplan aus der Europäischen Union nicht durchgekommen, und es gibt die Befürchtung, dass das, was keiner will, passieren wird: ein Brexit ohne Abkommen. Das wäre der schlimmste Schiffbruch."

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"Neue Züricher Zeitung" (Schweiz): "Ein Rücktritt der glücklosen Regierungschefin allein ändert noch nichts an der Zusammensetzung der einzelnen Lager im Parlament und an deren Einfluss auf den Gang der Dinge. Was aber kann ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin unter diesen Bedingungen anders machen als Theresa May? An ehrgeizigen Politikern, die auch inmitten des größten Schlamassels bereitstehen, um zu übernehmen, fehlt es nicht. Einiges spricht dafür, dass dies aus Gründen der innerparteilichen Mehrheitsfähigkeit nicht ein Vertreter der beiden extremen Flügel – Pro-Europäer und Brexit-Hardliner – sein wird. Lauter werden dürfte unter diesen Bedingungen auch der Ruf nach Neuwahlen."

"De Standaard" (Belgien): "Ja, die Frau, die auf keinen Fall aufgeben wollte, hat nun ihren Rücktritt angeboten – unter der Bedingung, dass sie ihr EU-Austrittsabkommen durch das Unterhaus bekommt. Wenn das gelingt, kann Großbritannien am 22. Mai in geordneter Weise die EU verlassen, auch zur Erleichterung Europas. Doch wie groß sind ihre Erfolgschancen? Verglichen mit der zweiten Abstimmung vor drei Wochen müssten 75 Abgeordnete ihre Meinung ändern.


In den vergangenen Tagen haben etliche Widersacher erklärt, dass sie Mays Deal doch noch unterstützen könnten. Zwar finden sie das Abkommen nicht gut, aber wenigstens garantiert es einen Brexit mit Abkommen. Selbst Brexit-Hardliner wie Jacob Rees-Mogg und Boris Johnson hatten plötzlich kaum noch etwas an dem Deal auszusetzen, von dem es drei Wochen zuvor noch hieß, er würde Großbritannien zu einem Vasallenstaat machen."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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