Kommissionschef fordert Migrationslösung Juncker will Kontrollen an Binnengrenzen abschaffen
Es ist einer seiner letzten großen Auftritte: EU-Kommissionschef Juncker hält eine Grundsatzrede. Er will die Staaten bei der Migration mehr unterstützen – und dringt auf Einigkeit.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker pocht in der EU-Migrationspolitik auf rasche Lösungen. "Wir können nicht bei der Ankunft jedes neuen Schiffes über Adhoc-Lösungen diskutieren", sagte Juncker bei seiner Rede zur Lage der Europäischen Union im Europaparlament in Straßburg. Er schlug vor, die Grenzschutzagentur Frontex zu stärken und die Zahl der europäischen Grenzschutzbeamten bis 2020 auf 10.000 zu erhöhen.
Zudem will er einen Gesetzesvorschlag zum Ausbau der EU-Asylagentur vorlegen. Die EU-Staaten bräuchten stärkere Unterstützung bei der Bearbeitung von Asylanträgen. Darüber hinaus solle ein Vorschlag für die schnellere Rückführung irregulärer Migranten vorgelegt werden. Zugleich sollen aus Junckers Sicht legale Einwanderungswege für Migranten nach Europa eröffnet werden. Europa brauche "qualifizierte Migranten".
"Ich bin und bleibe gegen Binnengrenzen"
Juncker sprach sich erneut gegen Kontrollen an den nationalen Grenzen der EU-Staaten aus. "Ich bin und bleibe gegen Binnengrenzen", sagte Juncker. "Sie müssen dort, wo es sie inzwischen gibt, abgeschafft werden. Andernfalls wäre dies ein Rückschritt für Europa."
Eine Reihe an EU-Staaten kontrolliert derzeit wegen aus ihrer Sicht erhöhter Terrorgefahr beziehungsweise verstärkter Migration im eigentlich kontrollfreien Schengen-Raum Binnengrenzen. Durch die Wartezeiten entstehen auch wirtschaftliche Schäden.
Europa in der Welt
In seiner Rede forderte der EU-Kommissionschef zudem mehr globales Engagement der EU. Mit Blick auf den befürchteten großen Angriff der syrischen Armee auf die Rebellenhochburg Idlib sagte er, die EU müsse den Blick darauf richten, "was um uns herum geschieht". Die Situation in Idlib gebe Anlass zu größter Sorge. "Die Welt von heute braucht ein starkes und geeintes Europa", sagte Juncker.
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Juncker hielt seine jährliche Rede zur Lage der EU vor dem versammelten EU-Parlamentsplenum. Der Kommissionschef stellt darin traditionell seine Prioritäten für das kommende Jahr vor und zieht Bilanz zum Zustand der EU. Das Mandat der EU-Kommission endet im kommenden Jahr, im Mai stehen richtungsweisende Europawahlen an. Für Juncker dürfte es daher eine seiner letzten großen Reden im Parlament sein.
Kräfte im Handel bündeln – Euro stärken
Mit Blick auf den Handelskonflikt mit den USA rief Juncker die EU zur Einigkeit auf. "Wir sollten unsere Kräfte im Handel bündeln." Einige seien vielleicht überrascht gewesen, dass er mit US-Präsident Donald Trump im Juli eine Vereinbarung habe treffen können. Aber immer, wenn die EU mit einer Stimme spreche, sei es keine Überraschung, dass es sich durchsetzen könne.
Trump und Juncker hatten sich darauf geeinigt, für die Zeit der Verhandlungen auf weitere Zölle zu verzichten. Konkrete Vereinbarungen stehen aber noch aus.
Zugleich sprach sich Juncker dafür aus, den Euro als globale Währung zu stärken. Die Kommission werde dazu Vorschläge präsentieren. "Der Euro muss das Gesicht und Werkzeug der neuen europäischen Souveränität werden", sagte Juncker. Ein Großteil der Energiegeschäfte werde derzeit in US-Dollar abgewickelt. "Es ist völlig unsinnig, dass 80 Prozent der Energieimporte in Europa in Dollar bezahlt werden."
Juncker stellt Prinzip der Einstimmigkeit infrage
Um die EU handlungsfähiger zu machen, sollen bestimmte Entscheidungen nach dem Willen von Juncker künftig nicht mehr einstimmig getroffen werden müssen. In der Außenpolitik und bei bestimmten Steuerfragen sollten die EU-Staaten künftig stattdessen mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, sagte Juncker. Bei Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit müssen mindestens 16 Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, zustimmen.
Bislang gilt in einigen Politikfeldern das Prinzip der Einstimmigkeit. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass die EU sich wegen der Blockade einzelner Staaten international nicht positionieren kann oder Gesetze nicht beschlossen werden. Juncker sagte, die Möglichkeit, Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit auf weitere Politikbereiche auszuweiten, liege im Vertrag von Lissabon. Das sei sozusagen das "Dornröschen des Vertrags".
- dpa, Reuters