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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tritt auch Polen aus der EU aus? "Haben das Gefühl, dass der Abschied begonnen hat"
Eine umstrittene Justizreform und die Abholzung eines Weltnaturerbes - Polen beschreitet einen knallharten Konfrontationskurs zur EU. Die Opposition wirft der Regierung vor, einen Austritt aus der Staatengemeinschaft zu forcieren.
Nach monatelangen Konflikten zwischen der nationalkonservativen Regierung und dem Rest der EU, fragen sich immer mehr Polen, ob ihre politische Führung das Land auf einen Weg aus der Europäischen Union führt.
"Heute steht ein Fragezeichen hinter Polens europäischer Zukunft", sagte zuletzt EU-Ratspräsident Donald Tusk, ehemaliger polnischer Ministerpräsident, der mit der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seines Heimatlandes schon lange über Kreuz liegt.
Polnische Opposition ist besorgt
Die oppositionelle Abgeordnete Katarzyna Lubnauer erklärte, die PiS-Partei würde niemals öffentlich zugeben, dass sie die EU verlassen wolle, weil die Polen solche "Europa-Enthusiasten" seien. "Aber wenn wir uns ansehen, was jetzt passiert, bekommen wir das tiefe Gefühl, dass der Abschied bereits begonnen hat", sagte die Politikerin der Partei Nowoczesna ("Die Moderne").
Umstrittene Justizreform und Abholzung des Urwalds
Die anhaltenden Konflikte zwischen Warschau und Brüssel könnten laut der polnischen Opposition dazu führen, dass sich die Wege am Ende trennen. Grund dafür: Die Haltung der PiS-Partei und ihres Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski, als es von der EU Kritik an der Justizreform gab, mit der die polnischen Gerichte unter die Kontrolle der Regierungspartei gestellt werden. Laut EU verletze die Reform die demokratischen Grundsätze, da die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt werde. Die EU-Kommission droht mit Schritten, die bis zum Stimmenentzug Polens in der EU reichen könnten.
Zuletzt gab es Kritik an der Abholzung des letzten europäischen Urwalds, der von der Unesco als Weltnaturerbe eingestuft wird. Die EU-Kommission hatte Polen zu einem Stopp aufgefordert und inzwischen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine einstweilige Anordnung dafür erreicht. Sollte Polen dagegen verstoßen, drohen massive Geldstrafen.
Regierung schießt gegen polnischen EU-Ratspräsidenten
Donald Tusk äußerte sich ähnlich. Er empfinde die "arrogante" Weigerung gegenüber dem EU-Gericht bei der Abholzung als einen "Versuch, Polen in Konflikt mit der Europäischen Union zu bringen", so der EU-Ratspräsident. Ihm komme das wie das Vorspiel für eine Ankündigung vor, dass Polen die EU nicht brauche und Polen nicht für die EU gebraucht werde. "Ich denke, ein solcher Moment wäre einer der gefährlichsten in unserer Geschichte. Und ich habe die Sorge, dass wir uns eher nah als fern von diesem Moment befinden."
Regierungssprecher Rafal Bochenek bezeichnet Tusks Aussage als eine der vielen Lügen, die der ehemalige Ministerpräsident über Polen verbreitet habe.
Polnisches Volk will in der EU bleiben
Die Polen selbst gelten als Europa-Befürworter und die EU in weiten Teilen Polens als populär. Mehrere Umfragen hatten zuletzt Zustimmungswerte von mehr als 70 Prozent zu dem Staatenbund ergeben, den viele Polen mit dem wirtschaftlichem Aufschwung und der Reisefreiheit nach dem Beitritt im Jahr 2004 verbinden.
Der Regierungssprecher betont, dass die politische Führung das Land in der EU halten wolle. "Polen ist ein Mitglied der EU, und es wird ein führender Partner für andere Mitgliedsstaaten in diesem Verbund werden", so Rafal Bochenek. "Wir haben viele ambitionierte Projekte und Herausforderungen in der EU umzusetzen. Wir werden mit unseren europäischen Partnern kooperieren."
Ausgang ist offen
Zwar hat sich die Partei Recht und Gerechtigkeit ohnehin nie für einen Austritt aus der Union ausgesprochen. Allerdings kritisiert die polnische Regierung immer wieder die angebliche EU-Bürokratie und die vermeintliche Einschränkung der Entscheidungsgewalt der Mitgliedsstaaten.
Die polnische Regierung sucht die Konfrontation. Das Ergebnis dieses Kurses und ein Verbleib in der EU scheinen offener denn je.