Zahl "alarmierend" Tusk warnt vor neuem Flüchtlingsstrom aus Libyen
EU-Ratspräsident Donald Tusk hat vor einer Verlagerung der Flüchtlingsbewegungen auf den Weg von Libyen über das Mittelmeer nach Italien gewarnt. Die Zahl der in Libyen auf eine Überfahrt wartenden Menschen sei "alarmierend".
Die Lage auf dieser Route sei "besorgniserregend", sagte Tusk im Europaparlament. Er verwies dabei auf eine hohe Zahl von Menschen, die sich bereits in Libyen befänden und nach Europa wollten.
Die EU-Länder sollten sich bereithalten, Italien und Malta zu helfen, falls diese Unterstützung bräuchten. Alleine am Dienstag hatte die italienische Küstenwache 2000 Menschen aus völlig überfüllten Schlauchbooten gerettet.
Steigende Zahlen befürchtet
Im März seien geschätzte 15.000 Menschen von Libyen aus über das Mittelmeer nach Italien gelangt, sagte Tusk weiter. Die Zahl dürfte angesichts der geschlossenen Balkanroute und des besseren Wetters im Mittelmeerraum weiter steigen.
Dabei werde es laut Tusk nicht einfach möglich sein, die Lösung für die Route über die Türkei, Griechenland und den Balkan zu kopieren - "nicht zuletzt, weil Libyen nicht die Türkei ist".
Bisher keine Absprachen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Anfang des Monats für eine ähnliche Kooperation mit Libyen wie mit der Türkei geworben. Allerdings ist dort fünf Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi die staatliche Ordnung weitgehend zusammengebrochen. Milizen und rivalisierende Regierungen kämpfen um die Macht. Die Hoffnungen der Europäer ruhen nun auf einer von der UN unterstützten Regierung der nationalen Einheit. Absprachen gibt es bisher keine.
Mit der Türkei ist dagegen ein Abkommen in Kraft, um die massenhafte illegale Einwanderung von Migranten in die EU einzudämmen. Demnach können Migranten in die Türkei zurückgebracht werden können, die keinen Asylanspruch haben oder in Griechenland keinen solchen Antrag stellten.
"Abkommen mit der Türkei ist nicht perfekt"
Tusk räumte im Europaparlament ein, dass er "einige der Zweifel" an der Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei teile. "Das Abkommen mit der Türkei ist nicht perfekt, und wir sind uns seiner Risiken und Schwächen bewusst", sagte er. Es trage aber dazu bei, den Zusammenbruch des Schengen-Systems zu verhindern. Und in der Flüchtlingsfrage gebe es "keinen heiligen Gral" und keine hundertprozentigen Lösungen.
2015 waren mehr als eine Million Menschen von der Türkei aus mit Booten auf griechische Inseln gelangt und von dort aus über die Balkanroute in Richtung wohlhabender EU-Länder gezogen.