Streit um EU-Umweltgesetz Österreich: Kanzler lässt Grünen-Ministerin anzeigen
In der Regierungskoalition Österreichs brennt es. Nach dem Alleingang einer Ministerin hat die ÖVP Strafanzeige gestellt.
Nachdem die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler von den Grünen gegen den Willen der Regierung für ein Renaturierungsgesetz gestimmt hat, droht in Österreich eine Regierungskrise. Die konservative ÖVP von Kanzler Karl Nehammer will strafrechtlich gegen die Klimaschutzministerin vorgehen. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker kündigte am Montag eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs an. Wie die Koalition danach weitermachen kann, ist noch unklar.
Durch ihre Zustimmung zu dem EU-Renaturierungsgesetz habe Gewessler am Montag in Luxemburg mutmaßlich wissentlich Verfassungsrecht gebrochen, argumentierte der Parteimanager. "Leonore Gewessler stellt sich über die Verfassung, weil sie es mit ihrer grünen Ideologie nicht vereinbaren kann, gesetzeskonform zu handeln", so Stocker.
Gewessler sieht sich im Recht
Die ÖVP argumentiert, dass Gewessler an einen Einspruch der österreichischen Bundesländer gegen das EU-Gesetz gebunden sei. Gewessler ist überzeugt, dass dieses Veto nicht mehr gilt, seitdem Wien zuletzt den Länder-Konsens verlassen hat und das Gesetz unterstützt. Dies legte Kanzler Nehammer und EU-Ministerin Karoline Edtstadtler auch in einem Brief an den belgischen Premierminister Alexander De Croo fest. Belgien hat derzeit turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft inne.
In Brüssel sagte die Klimaschutzministerin: "Ich weiß, dass ich in Österreich auf Widerstand stoßen werde." Trotz dieser Herausforderung zeigte sie sich entschlossen und fügte hinzu: "Ich bin davon überzeugt, dass es jetzt an der Zeit ist, dieses Gesetz zu verabschieden."
Gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler richtete Gewessler dann ebenfalls einen Brief an De Croo. Hierin bieten die beiden an, die rechtlichen Einordnungen, die sie sich zuvor eingeholt hatten, mit dem Ministerrat zu teilen. Sie betonen darüber hinaus, dass der österreichische Kanzler im Unterschied zu seinem deutschen Pendant keine "Richtlinienkompetenz" habe.
Gesetz wäre ohne Zustimmung Österreichs gescheitert
Das verabschiedete Gesetz sieht unter anderem vor, mehr Bäume zu pflanzen sowie Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückzuversetzen. Es verpflichtet die EU-Länder dazu, bis 2030 mindestens je 20 Prozent der geschädigten Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen und bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme zu schützen.
Kritiker, insbesondere aus konservativen Kreisen und Bauernverbänden, befürchten jedoch eine übermäßige Belastung für Landwirte. Die Zustimmung von mindestens 15 Mitgliedstaaten und mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung war erforderlich, um das Gesetz zu verabschieden. Diese qualifizierte Mehrheit wurde erst mit der Zustimmung Österreichs erreicht.
- piegel.de: "EU-Umweltminister verabschieden Naturschutzgesetz – dank umstrittenem Manöver aus Wien"
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- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa