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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auto "Café Racer" – ein fast vergessener Kult
Lederjacke, Jeans und ordentlich Pomade in den Haaren: In den 1960er Jahren entwickelte sich aus der britischen Arbeiterjugend eine ganz eigene, rebellische Subkultur. Die "Rockers" trafen sich in Großstadt-Vororten in Kneipen und Cafés wie dem legendären "Ace Café" in London, um von dort aus mit ihren entblätterten, umgebauten und hochgetunten Maschinen die Gegend unsicher zu machen. Der Kult um den "Café Racer" war geboren.
Als Grundlage für ihre Motorräder mussten damals die typischen Serienmodelle von Triumph, Norton oder BSA (Birmingham Small Arms) herhalten, die nach allen Regeln der Kunst umgebaut und aufgemotzt wurden. Von allem sollte nur das Beste verwendet werden. So entstanden auch bemerkenswerte Hybrid-Konstruktionen aus zwei verschiedenen Maschinen, deren neue Namensgebung sich aus den beiden Herstellern ableitete. Das "Tribsa" hatte beispielsweise den Triumph-T120-Motor einer "Bonneville" und das A65-Fahrwerk von BSA. Im "Triton" fand der Triumph-Motor hingegen in einem Norton-"Federbett"-Fahrwerk seinen Platz.
Auf Speed getrimmt
Die großen Vorbilder waren zu jener Zeit die aktuellen Rennmaschinen der "Tourist Trophy" auf der Isle of Man – vor allem, was die Höchstgeschwindigkeit betraf. >>
Exzessiv frisiert, musste ein "Café Racer" möglichst "The Ton" knacken – die magische Grenze von 100 Meilen pro Stunde (161 km/h). Um diese Leistung zu erreichen, verzichteten die "Ton-Up Boys", wie die Rockers auch genannt wurden, beim Umbau auf allmöglichen Komfort. Alles war auf Speed und ein gutes Handling getrimmt. Am Ende war die Maschine fast nackt, mit niedrigem Stummel-Lenker, damit man sich während der Fahrt auch gut in den Wind lehnen konnte, um den Luftwiderstand möglichst gering zu halten.
Ein Rennen dauerte einen Song
Damit auch immer klar war, wer nun die schnellste Kiste fährt, wurden regelmäßig kleine Straßenrennen ausgetragen. Eine besondere Rolle spielten dabei die legendären (und natürlich illegalen) "Record Races" entlang der Londoner North Circular Road. Nach einer Tasse Kaffee im "Ace Café" bekam die Jukebox ihre Münze, dann ging es auch schon mit Vollgas an einen zuvor ausgemachten Punkt und wieder zurück, ehe der Song zu Ende gespielt war. >>
Viele der späteren Rennfahrer-Berühmtheiten sollen bei den so genannten "Ton Up's" ihre ersten Erfahrungen gesammelt haben.
Oft kopiert, doch nie erreicht
Mitte der 1970er Jahre, kurz nach dem Zusammenbruch der britischen Motorradindustrie, nahmen sich besonders die europäischen Hersteller wie Benelli, BMW oder Bultaco dem einzigartigen Café-Racer-Stil an, der immer populärer wurde. Sie brachten "Café"-Varianten ihrer Serienmodelle auf den Markt, die jedoch meist nur den Look der selbstgebauten Maschinen der "Ton-Up-Boys" kopierten.
Vielleicht der Grund, warum heutzutage selbst viele Motorrad-Fans unter dem Begriff "Café Racer" nur noch einen ganz bestimmten Vintage-Stil verstehen – wenn überhaupt. Darin aber nicht den Geist einer jungen, rebellischen und waghalsigen Subkultur erkennen, die allein in Rock'n'Roll-Musik und ihren Selfmade-Rennmaschinen aufgingen. Keine Frage, dass diese wilden Kerle zu den Urvätern des Tunings zählen.
Das Erbe vergangener Zeiten
Als Nachfolger der "Café Racer" gelten heute die so genannten "Naked Bikes" ohne Teil- oder Vollverkleidung, allen voran die "Streetfighter"-Maschinen, die in der Szene – wie damals bei den Rockers – individuell aus verschiedenen Teilen zusammengebaut sein sollten, um als echt zu gelten. Es kommen aber auch immer mal wieder Modelle im klassischen Café-Racer-Look auf den Markt, die den Kult frisch aufgreifen wollen. In unserer Foto-Show zeigen wir Ihnen eine Auswahl an echten Klassikern und modernen Revival-Bikes.