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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Reisen Die älteste Zahnradbahn in Bayern
Blitzblank strahlt die kleine Lokomotive mit der dunkelblauen Vier auf gelbem Grund. Vögel zwitschern. Ein energischer Pfiff zerschneidet den Singsang von Gesprächsfetzen, dann setzt sich die gelbe Bahn in Bewegung. So, wie vor hundert Jahren, als die Wendelstein-Zahnradbahn als erste ihrer Art in Bayern den Betrieb aufnahm.
Von Brannenburg im Chiemgau zieht sie hinauf auf den 1838 Meter hohen Wendelstein, der sich markant aus dem bayerischen Oberland erhebt: Die älteste Hochgebirgsbahn Deutschlands.
Ein unglaubliches Ereignis sei das damals gewesen, weiß Hans Vogt. 36 Jahre war der 65-jährige Brannenburger als Betriebsleiter zuständig für Bahn und Berg und kennt deshalb nicht nur Zug und Strecke wie seine Westentasche. Auch die historischen Hintergründe sind ihm vertraut. Wenn er erzählt, während der Zug langsam den Ortsteil Waching hinter sich lässt, trägt er seine Zuhörer mit seinen Geschichten in eine andere Welt. Die Welt des visionären Otto von Steinbeis, der mit drei Millionen Goldmark und 800 bosnischen Arbeitern in nur zwei Jahren die Trasse vom Bahnhof Brannenburg auf den Wendelstein errichtete. Während Vogt erzählt, sieht man die Zeltlager der Arbeiter förmlich vor sich. Mit nichts anderem als Pickel, Schaufel und Sprengstoff im oberen, felsigen Abschnitt bauten sie die Schienen. Jeder benötigte Baum wurde von Hand gefällt. >>
Jeder Eimer Kies aus dem abgetragenen Gestein manuell hergestellt.
Schnell gewinnt die Bahn Höhe (1200 Höhenmeter sind es insgesamt). Zuerst quert sie lichten Wald. Später führt ihr Weg am Fels entlang und eröffnet immer wieder atemberaubende Aussichten; aufs Inntal zunächst, später bis nach München.
Zwölf Brücken, zehn Lawinengalerien und sieben Tunnels passiert der gelbe Zug auf dem Weg nach oben. 23,7 Prozent beträgt die Steigung am steilsten Stück. Selbst abgebrühte Reisende des 21. Jahrhunderts sind beeindruckt.
Fahrt kostete 4,5 Reichsmark
Umso gewaltiger muss die Fahrt vor hundert Jahren gewesen sein. Einheimische konnten sich die 4,5 Reichsmark für die Berg- und Talfahrt kaum leisten. Doch sie standen interessiert Spalier, als sich die finanzkräftigen Gäste scharenweise auf ihren Hausberg fahren ließen. >>
Droben gab es ein mondänes Jugendstilhotel mit allen Annehmlichkeiten und natürlich den Panoramablick über die Zentralalpen mit Großglockner, Großvenediger und Zugspitze.
Höchstgelegener Sender Deutschlands
Das Jugendstilhotel fiel vor vielen Jahren einer Lawine zum Opfer. Heute geben sich Heiratswillige in Deutschlands höchstgelegener Kirche das Ja-Wort. Wissenschaftler beobachten im Sonnenobservatorium nächtliche Himmelsobjekte, und der Bayerische Rundfunk betreibt hier den höchstgelegenen Sender Deutschlands. Es lohnt sich aber auch auf knapp 1800 Meter, sich in die Tiefe zu begeben. Vor zwei Jahren wurden die Wendelsteinhöhlen saniert. Gleich hinter dem Bergbahnhof der Zahnradbahn führt der Weg in ein verzweigtes Höhlensystem. Zwischen Kältefalle und Höhlen-Dom taucht man ab in die Erdgeschichte.
Draußen lässt man noch einmal den Blick schweifen, ehe es wieder hinunter geht. In flotten sieben Minuten mit der Gondel nach Osterhofen bei Bayrischzell oder gemächlich im Zug hinunter nach Brannenburg, wo am 25. Mai vor 100 Jahren der bequeme Zugang zum Wendelstein eröffnet wurde.
Die Jubiläumsfeierlichkeiten der Wendelstein-Zahnradbahn mit Konzerten, Veranstaltungen und Sonderfahrten zu ermäßigten Preisen finden vom 16. bis 21. Mai statt. Die historischen Züge werden von Mai bis September für Mondscheinfahrten oder auf Anfrage für Gruppen genutzt (Fahrkarte inklusive Buffet 46 €). Im Keller des Wendelsteinhauses gibt die Ausstellung "Bau der Wendelsteinbahn" interessante Einblicke in die Historie.