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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auf den ersten Blick unscheinbar Die vielleicht schönste Stadt Italiens
Die meisten Urlauber, die in der Region Urlaub machen, fahren an ihr vorbei oder beachten sie erst gar nicht. Dabei liegt Mantua nur einen Katzensprung vom Gardasee entfernt, auf dem Weg in Richtung Adria und Toskana. Zu entdecken gibt es in dieser Schatzkiste des Mittelalters pralle Schinken, einen See voller Lotusblüten und Reisfelder wie in Japan. Schauen Sie sich die Gegend auch in unserer an.
Eine idyllische Bootsfahrt
Daniele Salvaterra schaltet den Außenborder aus und lässt den grünen Ausflugskahn sanft ins Schilf auslaufen. Mit flinken Fingern faltet der drahtige junge Mann mit dem kurzgeschorenen Haar ein Boot aus Schilfhalmen für jedes Kind und einen Umhang aus einem riesigen Lotusblütenblatt dazu. Daniele ist ein stolzer Barcaiolo, ein Bootsführer auf dem Mincio. Jeden Tag von April bis November fährt er mehrmals mit den Gästen hinaus in den Naturpark zwischen Gardasee und Po. Aber die schönste Tour ist doch die letzte, wenn die Sonne hinter dem Kloster Santuario delle Grazie untergeht und in der Ferne die Kuppeln der Inselstadt Mantua im Abendlicht glänzen.
Mantua, die Zauberstadt
Mantua! Wie oft ist man dran vorbeigefahren auf dem Weg an die Adria oder in die Toskana. Es war ein Fehler. Denn Mantua ist eine Zauberstadt. Malerisch changiert die ummauerte Altstadt zwischen Renaissance und neuester italienischer Mode, zwischen Salami, Senffrüchten und Welterbe. Drei schon im Mittelalter aufgestaute Seen machen Mantua zu einem Kleinod, das halb von Wasser umgeben ist. Jeder der drei Seen hat seinen Charme, aber der schönste ist doch der Lago Superiore mit seinen deltaartig verschlungenen Wasserwegen und verwunschenen Schilfinseln. Rote und weiße Reiher fliegen auf, als das Boot durch diese schwimmende Welt aus Wasser, Blüten und quakenden Fröschen tuckert. Die meisten Gäste interessieren sich freilich nur für eins: für die Lotusblüten. Von Juni bis September setzen sie zarte, rosafarbene Tupfen in den grünen Blattgürtel um die Schilfinseln. Vor 90 Jahren eigentlich als Gemüse gepflanzt, ist die Lotusblüte heute zum Wahrzeichen des Naturparks geworden.
Centro Storico zum Welterbe erklärt
Die Stadt Mantua ist in den vergangenen Jahren aufgeblüht. 2008 hat das sogar die Unesco gemerkt und - endlich - das Centro Storico zum Welterbe erklärt. Die Urlauber vom nahen Gardasee wissen schon länger um die Schönheit der Stadt. Beschwingt sitzen sie in den Straßencafés auf den buckligen Flusssteinen der fürstlichen Piazza Sordello. Sie spazieren unter den historischen Arkaden an der zentralen Piazza delle Erbe. Und genießerisch leisten sie sich danach ein Eis in der Gelateria Venchi.
Pralle Würste, lebendige Gockel, süßes Eingemachtes: Jeden Samstag ist Mercato Contadino, Bauernmarkt, am Eingangstor zur Altstadt. Eine mollige Marktfrau bietet Sugolo an, Mantuas Variante der Roten Grütze. Traditionell wird Sugolo nur aus Lambrusco-Trauben hergestellt, ursprünglich aus übersehenen Restreben. Am Nachbarstand türmen sich Senffrüchte: Die Mostarda Mantovana ist unter Gourmets ein fester Begriff - man isst sie zum Parmesankäse und zur Mantovaner Wurst.
Der Erfinder des Bauernmarkts
Unauffällig steht in der Ecke ein kleiner Mann im rotkarierten Hemd: Mario Boschetti ist der Erfinder dieses ersten italienischen Bauernmarkts, wie man sie in Deutschland kennt. Weil auch in Italien die Landwirtschaft nur noch funktioniert, wenn der Landwirt selbst vermarktet, fuhr der lombardische Beamte kurz entschlossen nach Coburg in Bayern und ließ sich das Erfolgsrezept haarklein erklären. Dann startete er in Mantua: Hier darf nur Selbstgezogenes, Selbstgemachtes, Regionales verkauft werden. Die Mantovaner Hausfrauen nehmen es ebenso gern an wie die Tagesausflügler vom Gardasee. Und Boschetti ist völlig begeistert: "Sehen Sie, die Dame hier zum Beispiel, Signora Ave? Mit 58 Jahren wurde sie gekündigt. Jetzt hat sie sich noch mal als Landfrau selbständig gemacht und verkauft erfolgreich Küchenkräuter und Seifen."
Traditions-Osterien in der Altstadt
Nach dem Bauernmarkt zieht es Boschetti oft in eine der Traditions-Osterien der Altstadt: zum Beispiel in die Antica Osteria ai Ranari. Ranari - das waren früher die Froschfänger, und tatsächlich gibt es in dem Lokal auch frittierte Frösche. Für Einsteiger in die deftige mantovanische Küche empfehlen sich aber eher die Bigoli-Nudeln mit Schweinebäckchen und Aceto Balsamico. Und zum süßen Abschluss natürlich die klassische Sbrisolana: Krümelkuchen, ohne den Mantua nicht denkbar wäre. Morgens um halb zehn in der Reismühle Il Galeotto. Antonio Vanzini legt den schweren Hebel um. Und langsam setzt sich das gut und gern fünf Meter hohe Wasserrad neben ihm in Bewegung. Draußen, im gekiesten Innenhof, steht noch der alte Marmormörser. Eine Katze sonnt sich auf der Mauer.
Reis, Reis - überall Reis
Die historische Reismühle ist vielleicht die älteste, aber längst nicht die einzige im flachen Basso Mantovano, dem fruchtbaren Land zwischen Mantua und Po. Überall sprießen die zarten Reishalme, werden die Felder von Kanälen geflutet. Die wurden bereits zu Kaiserin Maria Theresias Zeiten angelegt und funktionieren immer noch perfekt. Antonio ist in der Mühle geboren, in einem der drei Zimmer im ersten Stock, die heute frisch renoviert an Urlauber vermietet werden. Die alte Mühle ist sein ganzer Stolz. Gern geht er mit den Gästen die paar Meter hinüber zu den Reispflanzen, die im Frühjahr zart aus dem Wasser spitzen, im Sommer sattgrün das Nass verdecken und schließlich erblonden, bevor sie Mitte September geerntet werden.
Entspannen unter Khaki-Bäumen
Im gekiesten Innenhof der Reismühle sitzen die Gäste abends entspannt unter Oleander und Khaki-Bäumen und warten auf das Abendessen. Serviert wird wann immer möglich unter freiem Himmel, zwischen Rosen in Terrakottatöpfen. Bestellen kann man nichts. Es wird gegessen, was Antonios Frau und die Söhne Tomaso und Piero gekocht haben: Fleisch und Schinken von den eigenen Schweinen, Zucchiniblüten und selbstgemachte Tortelli. Und natürlich der eigene Reis. Unter drei Reisgängen geht es selten. Nacheinander bringt die Nachbarstochter, die abends serviert, Risotto alla pilota (mit Wurst), Risotto coi saltarei (mit frittierten Fischen) und Risotto alla Carpa (mit den Karpfen aus den Kanälen). Zur Verzierung stecken die Vanzini-Söhne gern einen bunten blühenden Tupfen ins Risotto: eine Lotusblüte. Schließlich ist man nicht irgendwo, sondern in Mantua.
Weitere Informationen:
Unterkunft: Agriturismo Il Galeotto, Via Galeotto 2, I-46030 Bigarello (Mn), Loc. Cadè, info@ilgaleotto.it, www.ilgaleotto.it.
Essen & Trinken: Antica Osteria Ai Ranari, Via Trieste 11, www.ranari.it; Osteria Alle Quattro Tette, Vicolo Nazione 4; Trattoria alla Nuova Marasca, Piazza Leon Battista Alberti 19.
Bootsfahrt: Bootsfahrt auf dem Mincio durch die Lotusblüten (am besten am frühen Abend): barcaioli@fiumemincio.it.
Weitere Auskünfte: IAT Servizio Turismo, Provincia di Mantova, Piazza Mantegna 6, www.turismo.mantova.it. Bauernmarkt, Urlaub auf dem Bauernhof, Fahrradtouren in der Provinz: Consorzio Agrituristico, Direttore Marco Boschetti, info@agriturismomantova.it, www.agriturismomantova.it